Brutvögel Teil 3: Die Nonnen unter den Gänsen
Die Nonnengänse, um die es heute gehen soll, haben mit Nonnen eigentlich nur die Färbung ihres Kleides gemein. Das weiße Gesicht ist umrahmt von schwarzem Scheitel, Nacken und Hals und ähnelt so dem Habit vieler Ordensschwestern. Da sie, also die Gänse, nicht nach Ordensregeln und sogar, wie für Gänse typisch, in dauernder Partnerschaft leben, kann man sie mit Bezug auf das gleiche Merkmal auch Weißwangengans nennen. Ein Name, der wiederum ähnliche Zungenbrecherqualitäten hat wie die Langform des Netzes, über das sie dies hier lesen können: dem world wide web.
Nun genug des Exkurses, rein ins Thema. Letztens berichtete ich erst vom Heimzug dieser Gänse, der am 14.05. seinen bisherigen Höhepunkt erreichte. Mehre zehntausende, vielleicht sogar über hundertausend Vögel zogen an diesem Massenzugtag über Schleswig-Holstein nach Nordosten in ihre arktischen Brutgebiete. Auch über Trischen zogen einige tausend, die sich wohl aus ihren Überwinterungsgebieten in Niedersachen und den Niederlanden auf den Weg gemacht haben. Darauf deuten zumindest die Tracks einiger Vögel, denen mit GPS-Sendern auf den Rücken geschnallt wurden, um u.a. genau diese Zugwege aufzudecken. Auf der folgenden Seite können sie deren Flugrouten nachverfolgen: http://www.blessgans.de/?708
Nun soll es laut Titel ja um Brut- und nicht um Zugvögel gehen. Wie passt das nun also zusammen? Die Weißwangengans ist ein gutes Beispiel dafür, wie schnell manche Tierarten neue Verbreitungsgebiete erschließen können. Denn ursprünglich, so weit in historischer Zeit bekannt, waren Weißwangengänse Brutvögel der Tundra in Nordwest-Sibirien entlang der Barentssee, auf Svalbard (Spitzbergen) und auf Grönland und zogen zum Überwintern nach Südwesten, die sibirische Population an die südliche Nordseeküste von Dänemark bis in die Niederlande, die anderen beiden Populationen nach Schottland und Irland.
Doch in den 1970er Jahren begannen einige Paare, vermutlich der Barentseepopulation, nicht mehr den ganzen Weg nach Norden zu ziehen, sondern sie brüteten in Südschweden und dem Baltikum. 1988, also nur knapp zwei Jahrzehnte später, brüteten dann die ersten Paare in Schleswig-Holstein und den Niederlanden und schließlich auch in Niedersachsen. Die Bestände in diesen neuen Brutgebieten nehmen seitdem kontinuierlich zu. Auf Trischen wurde das erste Brutpaar 2002 nachgewiesen und auch hier ist die Bestandszunahme der letzten Jahre exponentiell. Im letzten Jahr waren es bereits 39 Brutpaare (s. Graphik). Wie viele es in diesem Jahr sein werden, erfahren wir am Ende der Brutzeit, die 40 Paare werden aber wohl geknackt.
Mit der Ausbreitung nach Süden ging auch eine Verschiebung des Brutbeginns einher. Während die einen gerade erst in die Brutgebiete ziehen und dort kurz nach der Ankunft Ende Mai mit der Brut beginnen werden, fangen die hiesigen schon im Anfang Mai mit der Brut an, beziehungsweise schon im April. Denn bereits Ende April fand ich die ersten Gelege und jetzt, Mitte Mai, laufen schon die ersten Familien mit bis zu 5 Gösseln durch die Salzwiese. Bei einer Brutdauer von ca. 25 Tagen müssen sie also bereits im letzten Aprildrittel mit der Brut begonnen haben.
Die Nester sind sehr flauschig mit eigenen Daunen ausgepolstert. Mit dem letztem Ei beginnt das Weibchen mit dem brüten, wobei das Männchen stets in der Nähe sichert. Nach 2 Tagen schlüpfen die Küken dann nahezu synchron und verlassen schon gleich nach dem das letzte trocken geworden ist mit ihren Eltern das Nest und laufen als kleine Flauschbälle durch die Salzwiese. Um sie nicht zu stören, gibt es vom Nachwuchs leider nur unscharfe Distanzaufnahmen.