2023 Beiträge

Sterne über und Sterne unter mir

Liebe Blogfolger*Innen,

es gibt gute Nachrichten: der Newsletter zum Trischen-Blog sollte wieder funktionieren. Vielleicht haben sie sich schon gewundert, dass es die letzten Wochen still um Trischen geworden ist? Ich habe zwar fleißig weiter Beiträge verfasst, aber leider sind die Benachrichtigungen bei Ihnen ausgeblieben. Aber nun sollte der Fehler behoben sein und das heißt, sie können nächste Saison wieder ganz gewohnt mitlesen. Jakob, mein Nachfolger, steht schon in den Startlöchern und freut sich auf sie.

Für mich wird dies leider mein letzter Beitrag sein, denn diese Zeilen schreibe ich schon mit Festland unter den Füßen. Aufgrund des angesagten schlechten Wetters in den kommenden Tagen, haben Axel und ich meine Abreise von Trischen spontan vorverlegt und so bin ich gestern nach fast sieben Monaten Trischen wieder in den Meldorfer Hafen eingelaufen.

Es war eine Zitterpartie bis zum Schluss. Starke Böen, die in der Nacht abgeflaut sind, Regenschauer und ein Hochwasser mit 0,5m MTHW – all dies hätte uns beinahe in letzter Sekunde einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber mittags stand es dann fest: die Schleuse in Meldorf öffnete ihre Pforten und Axel konnte nach Trischen übersetzen.

Und so habe ich den Nachmittag damit verbracht meine Habseligkeiten bei schönstem Wetter an die Südspitze zu karren und die Hütte winterfest zu machen. Um Traurigkeit aufkommen zu lassen, war nicht viel Zeit, denn fünf Wagenladungen später streifte die Sonne schon den Horizont und so habe ich schleunigst den Wagen zurück zur Hütte gebracht und mich ein letztes Mal von ihr verabschiedet.

 

Aber dies soll heute kein Beitrag über Abschiede werden, oder zumindest nicht ausschließlich. Vielmehr soll es ein Beitrag über unvergesslich schöne Momente auf Trischen sein. Ich glaube nicht, dass es „den einen“ Moment gab, in dem ich Trischen voll und ganz in mein Herz geschlossen habe. Es war viel mehr ein Lebensgefühl, das Trischen-Gefühl, das mich für die Insel eingenommen hat.

Trischen war so vieles: das Trillern der Brachvögel im Watt oder das Tütern der Rotschenkel auf dem Hüttengeländer, das Rauschen des Windes und des Meeres, die Stille, eine wackelnde Hütte, Sandverwehungen, heraufziehende Regenfronten, wunderschöne Sonnenauf- und Untergänge, über mich ziehende oder auffliegende Vogelschwärme, das Summen der Insekten in der blühenden Salzwiese, Hochwasser, Barfußlaufen im Sand, Heranpirschen an Vogelschwärme und stundenlanges Ausharren an der Hütte für Beobachtungen. Trischen war Freiheit, Unberührtheit, Veränderlichkeit.

Diese Momente kamen meistens wie aus dem Nichts – dann, wenn ich am wenigsten mit ihnen gerechnet habe. So auch an meinem Abschieds-Tag: Gedankenversunken war ich ein letztes Mal auf dem Rückweg von der Hütte zur „Luise“, habe innegehalten, wollte den Moment bewusst aufsaugen -den Geruch, die Geräusche, die Abendstimmung- als zwei Sumpfohreulen direkt vor mir jagend über die Düne flogen. Eine davon umschwirrte mich lautlos in der Dämmerung und setzte sich wenige Meter von mir entfernt in die Düne. Wir beide harrten aus, starrten uns an, bis die Eule schließlich genug hatte, mich nochmals umschwirrte und davon schwebte.

 

Am Abend saß ich noch mit Axel auf der „Luise“ zusammen, bis das Wasser hoch genug zum Auslaufen war. Über uns ein seltsam klarer Sternenhimmel in einer lauen Trischen-Nacht.  Unter uns das leise plätschernde Wasser, das schwach an den Strand brandete. Nur dass an der Brandungslinie kleine helle Funken zu erkennen waren! Ich war nicht mehr zu halten. Schnell runter von der Luise und mit nackten Füßen ins kalte Wasser. Meeresleuchten! So stark, wie ich es noch nie gesehen hatte. Jede meiner Bewegungen löste Kaskaden kleiner Lichterkränze in meiner Umgebung aus. Jedes Spritzen von Wasser echote in der Entfernung.

Diese Momente möchte ich mit nach Hause nehmen, um noch Jahre davon zehren zu können. Diese Momente sind Trischen. Und für jeden von ihnen bin ich unglaublich dankbar.

Und neben all den Menschen, die mir einen Aufenthalt ermöglicht haben, die für mein leibliches und seelisches Wohl gesorgt haben, oder die zum Schutz und Erhalt eines solch einmaligen Ökosystems beitragen, möchte ich mich auch bei Ihnen bedanken: Für ihr Interesse, das Mitlesen und die vielen netten Kommentare.

Ich wünsche ihnen noch viele weitere spannende Trischen-Geschichten!

Ihre Melanie Theel

Hin und wieder zurück – ein Wiedersehen

Liebe Trischen-Blogfolger*Innen,

still stehe ich auf dem Hüttenumlauf und warte auf die durchziehenden Singvögel. Der Zug ist in vollem Gang. Manchmal schwirrt die Luft vor lauter Wiesenpiepern, die sich auf den Weg in den Süden machen und mit aufgeregtem „ist-ist“ an mir vorbeifliegen. Ab und zu mischen sich auch andere Rufe hinzu. Diese Woche habe ich zum Beispiel mein erstes „zriehh“ (Rotdrossel) und „wääP“ (Bergfink) des Herbstes vernommen.

Rotdrossel

Ich begrüße die Durchzügler wie alte Freunde, auch wenn es manchmal einen kleinen Moment dauert, bis mein Kopf schaltet und z.B. das „e-dü“ der Ohrenlerche einzuordnen vermag. Schließlich habe ich sie zuletzt vor etwa sechs Monaten gehört. Aber habe ich den Ruf erkannt, liegt er mir wieder im Ohr und begleitet mich durch den Winter.

Für einen kurzen Moment habe ich dann ein kleines Glücksgefühl im Bauch. Ich versuche mir vorzustellen, welchen Weg der Vogel schon zurückgelegt hat und wie wohl sein Brutgebiet aussieht. Ich träume dann von endlosen Wäldern und weiten grünen, stellenweise auch kargen Landschaften, die bald unter einer Schneedecke versinken werden. Und für kurze Zeit packt mich das Fernweh.

Trottellumme

Dann mischt sich zu dem Glücksgefühl ein bisschen Wehmut hinzu. Denn die Durchzügler zeigen auch, wie viel Zeit vergangen ist. Fast sieben Monate – vergangen wie im Flug.

Aber heute hatte ich einen für mich seltsam beruhigenden Gedanken: Auch wenn ich in 1,5 Wochen die Insel verlassen muss, wird auch in Zukunft alles seinen gewohnten Gang gehen. Zug- wie Brutvögel werden kommen und gehen. Genauso wie das Wasser. Der Sand wird weiter über den Strand wehen, die Insel wandern, der Strandflieder blühen und der Queller sich rot verfärben. Es ist völlig egal, ob ich hier bin oder nicht, Trischen bleibt.

Und so kann ich auf dem Hüttenumlauf stehen und mich wieder freuen. Freuen, über die Raubmöwen die scheinbar mühelos über die Wellenkämme fliegen. Freuen, über das Odinshühnchen, das mit einer hektischen Fröhlichkeit in der Südostbucht nach Nahrung sucht. Und freuen über die Trottellumme, die am Strand eine Pause einlegte und zufällig meinen Weg kreuzte.

Ihre Melanie Theel

 

Eine Frage der Zeit

Liebe Blogfolger*Innen,

Sie kennen das bestimmt: Je schöner der Moment, desto schneller vergeht er. Will man ihn festhalten, zerrinnt er nur so zwischen den Fingern. Genau dieses Phänomen verfolgt auch mich seit etwa zwei Wochen. Mit jeder Faser möchte ich mich an Trischen klammern, die Zeit bis ins kleinste Detail auskosten und jeden Gedanken an „Danach“ verdrängen. Denn die Zeit tickt, vergeht wie im Flug, ganz ähnlich dem Sand, der über den Strand geblasen wird. Und Mitte Oktober, das Saisonende auf Trischen, rückt immer näher.

Während ich also den Strand entlanglaufe, mit dem Spektiv aufs Wasser starre, oder morgens auf die durchziehenden Singvögel warte, ertappe ich mich immer häufiger dabei, wie meine Gedanken zu Terminen abdriften, sich mit den Dingen beschäftigen, die noch organisiert werden müssen und die am Festland auf mich warten. Schnell versuche ich diese Gedanken einzufangen, sie zurückzuholen ins Hier und Jetzt oder sie vorbeiziehen zu lassen, wie die Wolken am Himmel. Denn sich jetzt schon mit diesen „Festlandsaktivitäten“ zu befassen, kommt mir vor wie vergeudete Trischen-Zeit.

Denn eines habe ich mir vorgenommen: Trischen in den letzten Wochen noch einmal intensiv zu erleben, jeden Moment aufzusaugen und in den kleinsten Zellen meines Gehirns und Herzens zu speichern, sodass ich noch möglichst lange davon zehren kann. Ich kann die Insel leider nicht mit nach Hause nehmen, aber ich hoffe sehr, dass ich neben den ganzen Erinnerungen etwas von dem Trischen-Gefühl mit nach Hause nehmen kann.

Also spaziere ich weiterhin am Strand, starre aufs Meer, warte auf die durchziehenden Singvögel, atme tief durch, hole meine Gedanken vom Festland zurück nach Trischen. Freue mich über den Besuch seltener Inselgäste wie Buntspecht, Gartenbaumläufer oder Odinshühnchen. Staune über heranziehende Regenfronten, den über den Strand wabernden Sand oder den grazilen Flug der Schmarotzerraubmöwen über den Wellenkämmen. Genieße den Sand unter meinen Füßen und den Wind, der mir die salzige Luft ins Gesicht bläst. Sinniere unter klaren Nächten mit wunderschönem Sternenhimmel oder den von den Sonnenuntergängen rot gemalten Wolken.

Ihre Melanie Theel

Kein Tag wie jeder andere

Liebe Blogfolger*Innen,

eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang klingelt der Wecker. Am liebsten würde ich mich gähnend unter der Bettdecke verstecken, aber schon kann ich durch die geöffnete Tür die ziehenden Schafstelzen und Wiesenpieper rufen hören. Aufstehzeit – Zugplanzeit – meine liebste Zeit. Einfach nur dastehen und lauschen, Löcher in die Luft starren und warten, wer da kommen mag. Eine dampfende Tasse Kaffee und ein leckeres Frühstück neben mir auf dem Geländer.

Und nein, jetzt berichte ich ausnahmsweise nicht von einer besonderen Beobachtung. Auf den Wunsch einer Leserin, erzähle ich heute von einem ganz „normalen“ Tag auf Trischen. Nur dass es nach meinem Empfinden auf Trischen keine normalen Tage gibt. Denn jeder Tag ist anders und besonders, da alle meine Aktivitäten auf Trischen licht-, tide- und wetterabhängig sind. Nur der Morgen beginnt immer gleich, egal ob zur Brut- oder Zugzeit: mit Beobachten.

Licht

Trischen ist nicht an das Stromnetz angeschlossen. Der mir zur Verfügung stehende Strom wird durch Solarpanele auf dem Dach produziert. Dieser reicht völlig aus, um die Akkus zu laden, den kleinen Kühlschrank zu betreiben und um abends noch kurz das Licht anzumachen. Aber meistens passe ich mich so an das Tageslicht an, dass künstliches Licht gar nicht notwendig ist, oder ich greife auf Kerzenlicht zurück. Manchmal, an lauen windstillen Abenden, mache ich mich ab der Dämmerung auf die Pirsch nach Fledermäusen oder Nachtfaltern. Denn Trischen hat noch so viel mehr zu bieten als die Ornithologie!

 

Tide

Die Stunden vor und nach Hochwasser verbringe ich meistens an der Hütte, um die durch das Wasser heranrückenden Vögel möglichst wenig zu stören. Außerdem bietet die Hütte einen super Windschutz und erhöhten Standpunkt – gut fürs Seawatchen und um die im Watt trippelnden Limikolen nach Seltenheiten durchzumustern.  Nur etwa alle zwei Wochen zur Springtidenzählung, oder wenn ich mich an der Südspitze auf der Suche nach bunten Ringen an Vogelbeinen herumdrücke, bin ich auch mal zu Hochwasser auf der Insel unterwegs.

Die Zeit um Niedrigwasser nutze ich demnach für alles andere – das sind also die geschäftigen Stunden des Tages. Ich unternehme Kontrollgänge über die Insel, schaue nach Totvögeln, sammle Holz und widme mich den gerade anstehenden Aufgaben wie z.B.: der Inselvermessung oder der Wattkartierung.  Aber auch die Alltagsaufgaben wie Ofenholz sägen, Blogbeiträge schreiben, Wäsche waschen (immer vormittags, damit die Wäsche noch Zeit zum Trocknen hat) oder die Suche nach Insekten stehen dann auf dem Programm. Wobei ich zugeben muss, dass die Zeit um Niedrigwasser auch eine gute Zeit ist, um in der Düne zu liegen und den Himmel (hoffentlich) im Blick haben oder um eine kleine Badesession im Priel unternehmen – neben der Solardusche die einzige Möglichkeit, um wieder sauber zu werden.

 

Wetter

Wirklich ungemütliche Tage verbringe ich vermehrt in der Hütte, um aufzuarbeiten, was liegen geblieben ist. Das können beispielsweise Dateneingaben oder Auswertungen von Nachtaufnahmen sein. Manchmal sitze ich aber auch nur mit einer schönen Tasse Tee und einer warmen Decke in einer wind- und regengeschützten Ecke und genieße das Toben des Regens und Windes um mich herum.
Ich liebe dieses Leben, das sich so völlig an den Gegebenheiten um mich herum orientiert. Ich habe zwar eine Liste mit meinen To-dos, die (in bestimmten Zeiträumen und unter bestimmten Bedingungen) zu erledigen sind, die ich mir aber so eintakten kann, wie es passt. Und so wird jeder Tag zu etwas Besonderem. Denn ich weiß nie, was auf mich zukommt und was oder wen der neue Tag mit sich bringt.

Aber einen festen Termin gibt es doch: den Samstag! Denn dann kommt Axel mit meiner Essensbestellung, Trinkwasser und, wenn ich Glück habe, Post und dem neuesten Festlandsschnack.

 

Ihre Vogelwartin 2023

 

Eine Insel der Kontraste

Liebe Blogleser*innen,

Wenn ich an Trischen denke, dann stelle ich mir ein wildes, unbändiges Wesen vor, dem ein Zauber innewohnt und das einem ständigen Wandel unterworfen ist. Mal zeigt es sich von seiner sanftmütigen Seite, mal lässt es zornig die Gischt und den Sand über den Strand wehen.

Ich denke an malerische Sonnenauf- oder untergänge, an heranziehende Gewitterfronten, an sich schlängelnde Priele, an Sandverwehungen, an eine im sanften Licht leuchtende Salzwiese, an Vogelschwärme am Horizont und das Tröten der Rotschenkel oder das Trillern der Brachvögel im Watt.

Ich denke aber auch an die Ölbohrinsel vor Trischens Haustür, die in den Prielen um Trischen fischenden Kutter, an Tiefflieger und an Müll. Müll, der mit jedem Hochwasser anlandet, mit jedem erhöhten Wasserstand den Strand in Richtung Düne hochwandert und versandet. Und auch wenn er mal offensichtlich, mal versteckt ist, ist er immer da.

 

Küstenputztag 2023

Müll in den Meeren ist ein Problem, ich denke das ist allen ausreichend bekannt. Um wenige Beispiele zu nennen: Müll kann zu Strangulationen und Verletzungen führen und als Nistmaterial in Nestern landen. Plastik kann durch mechanische Prozesse im Wasser und starke Sonnenstrahlung zu Mikroplastik zerkleinert werden und in die Mägen von Tieren wandern. Bei ausreichend großen Mengen an Plastik, verhungern die Tiere, denn der Magen ist voll. Zudem können im Plastik hormonell wirksame Chemikalien freigesetzt werden, die u.a. zu physischen Veränderungen bei marinen Lebewesen führen können.

 

Um sich dem Müll an den Küsten anzunehmen, findet jährlich der International Coastal Cleanup Day (ICC) statt, der von der US Umweltschutzorganisation Ocean Conservancy ins Leben gerufen wurde. An diesem Küstenputztag beteiligt sich im Rahmen der Initiative „Meere ohne Plastik“ auch der NABU, weshalb Trischen bei der Aktion nicht fehlen darf.

Deshalb sammle ich seit einigen Wochen bei meinen Strandspaziergängen Müll und staple ihn auf kleinen Häufchen an der Dünenkante. Einmal hat mir das Hochwasser schon einen Strich durch die Rechnung gemacht und ich musste neu mit dem Sammeln beginnen. Die letzte Woche habe ich nun damit verbracht den Müll, Wagenladung für Wagenladung, zur Südspitze zu transportieren – keine so leichte Aufgabe. Aber nach etwa 10 Wagenladungen war der Müll dort, wo er sein sollte, und es ist ein ansehnlicher Haufen zusammengekommen.

 

Die häufigsten Müllfunde betrafen übrigens Plastikteile (Folien, Plastikflaschen, Lebensmittelverpackungen, Strandspielzeug) sowie Fischereibedarf (Taue, Dollyropes, Netze). Als besonders ärgerlich empfand ich ca. zwanzig Luftballone und fast zwei Kisten gesammelten Paraffins https://blogs.nabu.de/trischen/paraffin-am-strand/. Beides Dinge, die absichtlich in die Umwelt entlassen werden und dort Schäden verursachen.

Nun muss alles Stück für Stück „verpackt“ und von der Insel transportiert werden – mit großartiger Unterstützung von Axel, meinem Inselversorger, der für mich nicht nur den Transport, sondern auch die Entsorgung am Festland übernimmt.

Und damit scheint Trischen erstmal müllfrei zu sein – zumindest bis zum nächsten Hochwasser oder bis der versteckte Müll durch Sandverwehungen wieder freigelegt wird.

Ihre Melanie Theel