Verhandlungen in Genf: Ernüchternde Bilanz für die Biodiversität

30.03.2022 Genf/Berlin. Gestern gingen die Vorverhandlungen zu dem neuen globalen Biodiversitätsabkommen in Genf zu Ende. Das Gesamtergebnis ist ernüchternd. Um den Verlust von Arten und Lebensräumen global zu stoppen und umzukehren braucht es mehr politischen Willen – und Geld. Ein weiteres Treffen Ende Juni soll mehr Fortschritte bringen.

Blick über den Genfer See. Foto: M. Trapp/NABU

Ernüchternde Bilanz für die Biodiversität

Es waren für alle Beteiligten zwei anstrengende Wochen mit voller Agenda. Häufig wurde bis in die frühen Morgenstunden über die Ziele, Umsetzungsmechanismen und Finanzierung des neuen Abkommens für die Biodiversität diskutiert und verhandelt. Doch trotzdem hat man kaum Fortschritte gemacht. Und die Ergebnisse reflektieren keinesfalls die Dringlichkeit, mit der hinsichtlich des globalen Verlusts von Arten und Lebensräumen gehandelt werden müsste – und die viele Präsident*innen und Minister*innen im letzten Jahr auf dem ersten Teil der Weltnaturkonferenz noch erkannt zu haben schienen.

Wie man in dem Abschlussdokument sehen kann ist der Text voller eckiger Klammern und enthält noch sehr viele unterschiedliche Elemente (auch bezeichnet als „Christmas Tree“). Das zeigt, wie weit die Positionen noch auseinander gehen.

Das Anschlusstreffen Ende Juni in Nairobi muss genutzt werden, um kreative und faire Lösungen zu entwickeln, mit denen man dann nach Kunming fahren kann. Dort möchte man das Abkommen im Spätsommer final beschließen.

Wo stehen wir bei den Zielen?

Ambitionierte und messbare Ziel sind ein wichtiges Element für ein wirksames Abkommen. Leider hat man nach den Diskussionen in Genf eher den Eindruck, dass sowohl das Ambitionsniveau als auch die Messbarkeit vieler Ziele eher schwindet.

Bei dem Ziel zur Renaturierung (Ziel 2) stimmt zumindest die grobe Richtung. Viele Länder sind dafür, global 20% degradierter Ökosysteme wiederherzustellen oder fordern sogar noch mehr (30%). Andere bevorzugen eine absolute Zahl von 1 Milliarde Hektar. Auch die Konnektivität von Ökosystemen hat als ein wichtiges Element des Ziels viel Zuspruch gefunden. Aber am Ende liegt der Teufel im Detail: Was sind “degradierte Standorte”, wo liegen sie, was ist die Baseline? Hier gehen die Meinungen wieder weit auseinander.

Bei dem populären Ziel zu Schutzgebieten (Ziel 3), das allgemein viel Zuspruch auch von Deutschland und der EU bekommt, gab es dann doch unerwartet weitreichende Diskussionen. Zum Beispiel zu der Frage, ob dies ein globales Ziel sei oder jeweils auf nationaler Ebene gelten solle. Kritische Punkte in den Verhandlungen waren außerdem das effektive Management und die Rechte von Indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften in Schutzgebieten.

Bei den Zielen zur Verschmutzung (Plastik, Nährstoffeinträge und Pestizide) und nachhaltiger Landwirtschaft ist man in den Diskussionen nicht ganz so weit gekommen. Aber es zeichnet sich eine Gruppe von Ländern ab, die in den Zielsetzungen möglichst unkonkret bleiben möchten. Die EU trat progressiv auf und setzte sich z.B. dafür ein,  Nährstoffeinträge um die Hälfte und Pestizide um zwei Drittel zu reduzieren. Außerdem möchte sie die Anwendung Agrarökologischer Methoden auf mindestens 25% der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Andere Staaten wollen die Ziele weiter abgeschwächen und z.B. den Begriff der nachhaltigen Intensivierung (“sustainble intensification“) integrieren. Dieser könnte aber leicht für biodiversitätsschädigende Praktiken missbraucht werden.

Auch das Ziel zu Umweltschädigenden Subventionen (Ziel 18) geht bisher kaum über das Niveau eines entsprechenden Aichi-Targets von 2010 hinaus. Hier gehört die EU eher zu den Bremsern und möchte umweltschädigende Subventionen erst einmal identifizieren (bis 2025), bevor sie anfängt diese abzubauen. Außerdem solle erst einmal mit den “schädlichsten” Subventionen begonnen werden.

Plenarsaal in Genf. Foto: M. Trapp/NABU

Wie sieht es bei der Umsetzung aus?

Die Umsetzungsmechanismen der Ziele wie z.B. Berichterstattung, Monitoring, Überprüfung und Nachschärfung bei Nicht-Erreichen sowie die Finanzierung sind ein integraler Teil des Abkommens und ebenso wichtig wie die Ziele selber. Schließlich war der fehlende Fokus auf die Umsetzung einer der Hauptgründe für das Scheitern der Aichi-Ziele der letzten Dekade. Allerdings ist man hier in den Verhandlungen lange nicht so weit gekommen wie geplant und nötig. Der Teil aus dem aktuellen Entwurf für das Abkommen (Draft 1) wurde in Genf nicht einmal diskutiert! Das ist kein gutes Signal.

Stattdessen hat man oft bis spät in die Nacht die ebenfalls wichtigen, aber sehr technischen Hintergrund-Dokumente verhandelt. Und selbst hier bleiben zentrale Fragen offen. Zum Beispiel, wie und bis wann das Update der nationalen Biodiversitätsstrategien erfolgen soll, wie standardisierte Vorlagen für die Berichte aussehen werden und bis wann berichtet werden muss. Zudem ist die Frage der Finanzierung von alldem nicht abschließend geklärt.

Der Knackpunkt: Die Finanzierung

Das war wohl einer der schwierigsten Punkte in den Verhandlungen überhaupt. Er zieht sich durch verschiedene Bereiche der Diskussionen, gebündelt im Ziel 19. Hier möchte man mehr finanzielle Mittel zur Umsetzung des Abkommens festgelegen. Manche afrikanische Staaten fordern sogar einen Anteil von 1% des BIP der Vertragsstaaten. Am letzten Tag der Verhandlungen hatte sich eine Koalition von Ländern aus dem globalen Süden noch einmal mit einem eindrücklichen Appell an die Länder des globalen Nordens gewandt und klar gemacht: Ohne Finanz-Zusagen kein (gutes) Abkommen. Sie fordern mindestens 100 Milliarden USD pro Jahr – zusätzlich zu den Geldern zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention (UNFCCC).

Deutschland und die EU sowie die G7-Länder haben hier eine ganz besondere Verantwortung. Doch bisher halten sie sich bedeckt und das, obwohl das gesamte Abkommen daran scheitern könnte. Daher hatte der NABU gemeinsam mit weiteren Verbänden bereits in der zweiten Woche Alarm geschlagen und sich mit folgenden Forderungen an die Bundesregierung gewandt:

  • die internationale Biodiversitätsfinanzierung auf mindestens 2 Milliarden Euro jährlich aufzustocken
  • die rund 67 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen radikal abzubauen oder naturgerecht umzugestalten
  • die Verantwortung der deutschen G7-Präsidentschaft zu nutzen um das Thema auf höchster politischer Ebene zu verankern und gemeinsam mit den anderen Industrienationen für eine gemeinsame Lösung der Finanzierungsfrage zu sorgen

Im Koalitionsvertrag hatte sie bereits versprochen, ihr finanzielles Engagement für den Erhalt der globalen Biodiversität erheblich zu erhöhen. Dies gilt es nun einzulösen und dringend in den Haushaltsverhandlungen zu beachten!

In diesem Blog berichtet der NABU wie Deutschland, die EU und die Welt ein neues gloales Rahmen-Abkommen für die Biodiversität verhandeln (im Rahmen der Konvention über die biologische Vielfalt, CBD), welche Ziele bis 2030 gesetzt werden und wie es um die Umsetzung in Deutschland steht.

1 Kommentar

Gert weisenseel

31.03.2022, 08:53

Für die meisten Politiker haben anscheinend immer noch nicht begriffen das es hierbei um die Zukunft nachfolgender Generationen bzw. um das Überleben der Menscheit auf der Erde geht und nicht um die Gewinne der Konzerne und Spekulanten . Aber Geld ist anscheinend für die sogenannten Volksvertreter wichtiger als das dauerhafte Überleben der Menschen auf der Erde zu sichern. Denn schon jetzt beeinflussen Konzerne mit ihren Lobyisten in weitenteilen die Richtung der Politik .

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