Die Ambitionen aus Kunming gehören in die Koalitionsverhandlungen!

Vom 11. bis 15. Oktober fand der Auftakt der 15. Weltbiodiversitätskonferenz in Kunming statt, größtenteils digital. Wie ist die Bundesregierung aufgetreten? Was heißt das für die Koalitionsverhandlungen? Und wie geht es weiter?

Kurz: Verhandelt wurde nicht, stattdessen gab es viele gute Statements und das hauptsächlich von Minister*innen. Nur wenige Staatschef*innen waren vertreten. Auf die höchste politische Ebene hat es das Thema also (noch) nicht geschafft. Auch medial hätte die Aufmerksamkeit größer sein können. Verglichen mit der Weltklimakonferenz in Glasgow war das dünn und angesichts des Ausmaßes der Krise nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Aber: Der Auftakt hat ein gewisses Momentum erzeugt. Und den leisen Hoffnungsschimmer geweckt, dass es doch noch gut werden könnte für die Biodiversität. Denn zumindest die Statements suggerieren, dass die Dringlichkeit der Krise und die Notwendigkeit zu Handeln den meisten Akteuren bewusst ist. Das alleine reicht nicht, aber es ist ein erster Schritt. Wirklicher Erfolg lässt sich nur in Taten messen, nicht in Worten. Vieles hängt jetzt von der neuen Bundesregierung ab. Und es liegen große Erwartungen auf den kommenden Präsenz-Treffen – im Januar 2022 in Genf und Ende April/Anfang Mai dann auch vor Ort in Kunming, China.

Keine leeren Versprechen: Guter Auftritt der Bundesregierung

Bundesumweltministerin Svenja Schulze sprach bei einem Runden Tisch dazu wie es gelingen kann, die Biodiversität auf einen Pfad der Erholung zu bringen.

Sie sagte, man brauche ein ambitioniertes Abkommen mit messbaren Zielen und effektiven Maßnahmen. Keines der Ziele dürfe ein leeres Versprechen bleiben. Besonders betonte sie die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Abkommens auf allen Ebenen. Denn aktuell sind die Umsetzungsmechanismen zu schwach. Dazu gehört unter anderem effektives Monitoring und Reporting. Aber auch die Integration in alle relevanten Politikbereiche und Industrien. Das Thema sei nicht nur Angelegenheit der Umweltministerien. Ebenso wichtig sei es beispielsweise, umweltschädliche Subventionen zu beenden.

Sie appellierte an die anderen Verhandler*innen, die Zeit der nächsten Monate zu nutzen, um ein gutes Ergebnis im zweiten Teil der 15. Vertragsstaatenkonferenz (CBD COP15.2) in Kunming zu erzielen und die Biodiversität gemeinsam auf einen Pfad der Erholung zu bringen. Wer möchte kann sich das gesamte Event hier anschauen (das Statement von Schulze startet ab 1:20:00).

Eine kleine Kritik an dem insgesamt sehr guten Statement haben wir aber: Schulze nannte das Insektenschutzgesetz als positives Beispiel deutscher Biodiversitätspolitik. Jeder der sich einmal genauer damit beschäftigt hat weiß, dass dieses Gesetz seinen Namen kaum verdient hat. Gerade diese Woche wurde es noch einmal satirisch gut aufgearbeitet in der Comedy-Sendung „Die Anstalt“ (ZDF).

Svenja Schulze bei ihrem Live-Statement in Berlin/Kunming.

Parallel dazu äußerte sich auch Bundesentwicklungsminister Müller in einem anderen Runden Tisch, in dem es um die Finanzierung ging. Er bekannte sich zu einer Verdoppelung des finanziellen Beitrags Deutschlands für den globalen Schutz der Biodiversität. Aktuell trägt Deutschland 800 Millionen pro Jahr bei.

Ambitionen von Kunming jetzt im Koalitionsvertrag verankern

Diese Ambitionen, die in den Statements von Kunming spürbar waren, müssen jetzt nach Berlin getragen werden, damit sie keine leeren Versprechen bleiben. All die guten Worte könnten mit der neuen Bundesregierung – sowohl zu Hause als auch außenpolitisch – umgesetzt werden. Dafür muss man sie jetzt entsprechend im Koalitionsvertrag verankern.

Konkret heißt das, die neue Bundesregierung sollte…

  1. … Sich in den weiteren Verhandlungen des Abkommens in Genf und Kunming einsetzen für messbare Ziele, gute Indikatoren für die Erfolgskontrolle und einen starken Umsetzungsmechanismus bzw. verbindliche Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele. Dazu gehört auch ein angemessener Beitrag zur Finanzierung – mindestens sollten es zwei Milliarden Euro pro Jahr sein.
  2. … Sich national und international dafür einzusetzen, dass die Biodiversitäts-Ziele in alle Politikbereiche integriert werden. Dazu sollte das Thema auf höchster politischer Ebene adressiert werden und gerade in jenen Wirtschafts- und Finanzbereichen berücksichtigt werden, die den Biodiversitätsverlust vorantreiben. Die entsprechenden Sektoren wie Landwirtschaft, Verkehr, Wirtschaft etc. sind einzubeziehen, umweltschädigende Subventionen abzubauen und positive Anreize zu schaffen. Ein Umweltministerium mit begrenzten Möglichkeiten kann die große ökologische Krise, deren Ursachen in anderen Sektoren zu finden sind, nicht alleine lösen. Alle relevanten Politikbereiche müssen dafür an Board sein.
  3. … Eine gute nationale Umsetzung der 2030-Ziele durch Neuauflage der nationalen Biodiversitätsstrategie sicherstellen. Eine konkrete Ansprache aller relevanten Akteure und Sektoren sollte erfolgen und ausreichend Budget zur Umsetzung der Ziele hinterlegt werden. Außerdem sind weitere politische Steuerungsinstrumente wie das Ordnungsrecht und Anreize zu nutzen um die Biodiversitäts-Ziele zu erreichen.

Deutschland sollte darüber hinaus seine G7-Präsidentschaft 2022 nutzen um das Thema auf die Agenda zu setzen.

Über Genf wieder nach Kunming: So geht es weiter

Die Hoffnungen liegen jetzt auf dem nächsten Treffen, das vom 12. bis 28. Januar in Genf stattfinden wird. Dort werden die Verhandler*innen dann nach fast zwei Jahren Online-Verhandlungen zum ersten Mal wieder persönlich zusammenkommen. Die Mission: All die kritischen Punkte zu verhandeln, die man digital bisher nicht lösen konnte. Finanzierungsfragen werden sicherlich eine wichtige Rolle spielen. Denn: Ohne Geld kein ambitioniertes Abkommen.

Zur Agenda gibt es noch keine genaueren Informationen. Aber es wird vermutlich eine Herausforderung, denn drei verschiedene Gremien der Konvention über die Biologische Vielfalt werden gleichzeitig tagen: Neben der Open Ended Working Group (OEWG), in der die Vertragsstaaten weiter verhandeln, sollen auch die Diskussionen des Gremiums zur Umsetzung (SBI) und des Gremiums zur Wissenschaftlichen und Technischen Beratung (SBSTTA) fortgesetzt werden.

Die Beteiligung der Zivilgesellschaft (z.B. durch beobachtende Organisationen, wie es auch der NABU ist) wird wohl sichergestellt, sowohl vor Ort als auch digital.

Und danach geht es weiter in Richtung Kunming – so zumindest der Plan. Der zweite Teil der Weltbiodiversitätskonferenz (CBD COP15.2) soll dort vom 25. April bis 8. Mai 2022 stattfinden.

 

In diesem Blog berichtet der NABU wie Deutschland, die EU und die Welt ein neues gloales Rahmen-Abkommen für die Biodiversität verhandeln (im Rahmen der Konvention über die biologische Vielfalt, CBD), welche Ziele bis 2030 gesetzt werden und wie es um die Umsetzung in Deutschland steht.

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