Update zu globalen Biodiversitätsverhandlungen

4. September 2021. Während das Artensterben im deutschen Wahlkampf bisher kaum eine Rolle spielt ist das Thema auf globaler Ebene deutlich präsenter: Dort liefen vom 23. August bis 03. September die Vorverhandlungen des neuen globalen Abkommens für die Biodiversität.

Diese wurden gestern direkt vom nächsten wichtigen globalen Biodiversitäts-Event abgelöst: Dem IUCN World Conservation Congress in Marseille, wo das Thema weiter diskutiert wird. Dazu berichte ich in den nächsten Tagen.

 

Wo stehen die Verhandlungen?

Nachdem vor nun fast schon eineinhalb Jahren das letzte Präsenz-Meeting der Vertragsstaaten in Rom stattgefunden hatte, wurde in der sogenannten dritten offenen Arbeitsgruppe (OEWG-3) nun über den ersten Entwurf des Verhandlungsdokumentes diskutiert, welcher Mitte Juli veröffentlicht wurde (detaillierte Reaktion und Bewertung unseres Dachverbands BirdLife International hier).

Timeline zur CBD COP-15

Erste kleine Erfolge

Insgesamt lässt ich festhalten, dass dieses Verhandlungsdokument an einigen Stellen gut nachgebessert wurde, beispielsweise enthält es nun ein eigenes Ziel zur Wiederherstellung der Natur – 20% der degradierten Ökosysteme sollen bis 2030 renaturiert werden. Auch wird es im Bereich Umweltverschmutzung recht konkret: So soll der Pestizideinsatz bis 2030 um zwei Drittel, Nährstoffeinträge in die Umwelt um die Hälfte reduziert werden. Auch im Bereich der Naturschutzfinanzierung sowie naturschädigende Subventionen und Anreize wurden in dem Draft zumindest erste konkrete Zahlen genannt, allerdings bewegen diese sich am unteren Rand des fachlich Nötigen.

Diese kleinen Erfolge können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass insgesamt das Ambitionslevel eher gesunken ist: Viele Ziele sind weiterhin sehr schwammig formuliert, so dass die Fortschritte sich nicht messen lassen, oder es sind nicht ausreichend guten Indikatoren hinterlegt (beispielsweise im Bereich Pestizidreduktion geht es bisher nur um die Menge die ausgebracht wird, nicht aber um das Risiko oder die Toxizität der Stoffe).

Treiber weiterhin viel zu schwach adressiert

Es muss leider konstatiert werden, dass der Entwurf weiterhin viel zu schwach und unkonkret bleibt beim Adressieren der Treiber des Biodiversitätsverlustes – wie der intensiven Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei. Beispielsweise ist in dem Verhandlungsdokument in dem Ziel zu Landwirtschaft immer noch die Rede von Produktivitätssteigerungen, anstatt auf Aspekte zu fokussieren, die tatsächlich relevant für die Biodiversität sind (wie beispielsweise Platz für die Natur in intensiv genutzten Regionenoder die Vielfalt im Anbau von Kulturen). Dies kann letztlich zu Produktivitätssteigerungen führen, wird vor allem aber zur Resilienz der Systeme beitragen.

Hier gab es in den Diskussionen einige gute Ideen von der EU-Delegation und Deutschland, die anstatt Produktivitätssteigerungen forderten, die erhöhte Resilienz in den Vordergrund zu stellen sowie Bestäuber und die Bodenbiodiversität besser zu schützen und agrarökologische bzw. biodiversitätsfreundliche Anbaumethoden in das Ziel zu integrieren. Einige Länder unterstützten dies in Teilen (z.B. Chile, Peru, Australien und die Schweiz), es gab aber auch Gegenreden, beispielsweise aus Japan und Brasilien, die Produktivitätssteigerungen beibehalten wollen.

Pre-COP-15-Event erhöht Aufmerksamkeit für das Thema

Ein Highlight der Verhandlungen war das Pre-COP-15-Event Anfang der Woche, organisiert von der kolumbianischen Regierung (hier anzuschauen). Der kolumbianische Präsident Ivan Duque präsentierte sich im südlichen Zipfel des Landes, welches im Amazonasgebiet liegt, umgeben von Menschen eines indigenen Volkes aus der Region. Dieses Bild eines weißen Mannes, der erhöht über einem traditionell gekleideten indigenen Volkes sitzt, stieß in den sozialen Medien auf einige Kritik.

Duque rief dazu auf, die Klima- und Biodiversitätspolitik (CBD COP-15 und UNFCCC COP-26) stärker zusammen zu denken und sprach sich für das 30% Schutzgebietziel bis 2030 aus. Er forderte mehr Mittel aus dem öffentlichen und privaten Bereich um die Krisen zu bewältigen. Gerade Länder, die besonders an der Zerstörung der Biodiversität beteiligt seien, sollten hier mehr Verantwortung übernehmen.

Zunächst schien es so, als sei das indigene Volk nur Teil der Kulisse, doch später bekam ihr Leader das Wort. Anhand einer berührenden Geschichte machte er deutlich, wie sehr wir Menschen von der Vielfalt des Lebens um uns herum abhängen. Bei dem Schutz der Biodiversität geht es um nichts weniger als unser eigenes Überleben. Was können wir Menschen überhaupt tun, wenn wir nicht in der Lage sind, auf unser eigenes Leben aufzupassen?

Er appellierte eindrücklich an die internationale Gemeinschaft, indigene Völker bei diesem Wichtigen Thema nicht außen vor zu lassen. Denn sie passen für die gesamte Menschheit auf das Land auf, indem sie nur kleine Teile ihrer Gebiete für Ackerbau nutzen, der Rest bleibt für die Natur. „We have learned how to live in harmony with nature“, sagte er, sie haben gelernt im Einklang mit der Natur zu leben. Damit erfüllen sie die Vision der CBD.

Indigener Leader spricht auf dem Pre-COP-15 Event

Guter Beitrag des Bundesumweltministeriums

Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth wurde auf dem Event vertreten durch Christiane Paulus, die deutlich machte, dass der erste Entwurf des Verhandlungsdokumentes vor allem im Bereich Implementation noch nachgebessert werden muss. Nur so kann sichergestellt werden, dass die ambitionierten Ziele, die für den transformativen Wandel nötig sind, auch erreicht werden. Ein Update der nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne sei deshalb extrem wichtig. Ebenso, die globale Finanzierungslücke zu schließen.

Dem können wir nur zustimmen und die neue Bundesregierung dazu auffordern, das Thema endlich ernst zu nehmen. Das heißt, in Zukunft mit mindestens 2 Mrd. EUR pro Jahr dazu beizutragen, die Finanzierungslücke zu schließen. Außerdem müssen naturschädigende Subventionen und Anreize (z.B. in der Agrarpolitik) endlich abgebaut werden. Denn diese unterminieren  Erfolge für die Biodiversität. Weitere Vorschläge zum Beitrag der Bundesregierung im Kampf gegen das Artensterben legte der NABU am Mittwoch in einem Notprogramm für die Natur vor.

Fazit

Wir sollten bei den wichtigen Diskussionen zu den Zielen der CBD nicht vergessen, dass eine grundlegende Ursache des Biodiversitätsverlustes der extrem hohe Ressourcenverbrauch gerade in den Industrieländern ist. Dieser wird im Rahmen der CBD bisher kaum adressiert. Um einen transformativen Wandel auf den Weg zu bringen wäre das aber nötig. Auch Handelsabkommen müssen hier in Zukunft viel mehr in den Blick genommen werden.

Zudem besteht im Bereich des Mechanismus zur Umsetzung des Abkommens Nachholbedarf. Denn was helfen gute Ziele, wenn sie dann in den Vertragsstaaten nicht umgesetzt werden? Dies ist in der Vergangenheit schon häufig geschehen und sollte sich nicht wiederholen. Hier ist besonders wichtig, dass die Ziele in alle relevanten Politik- und Wirtschaftsbereichen integriert werden. Dazu sollten konkrete Umsetzungspläne mit Sektorzielen und klaren Zuständigkeiten erstellt werden. Diese müssen mit entsprechenden finanziellen Mitteln hinterlegt werden.

Indigene Völker leben häufig im Einklang mit der Natur und behandeln diese mit Respekt – sicherlich können industrialisierte Gesellschaften davon noch einiges lernen. Das Bewusstsein und die Wertschätzung für eine intakte Natur gilt es in der Gesellschaft weiter zu stärken.

 

In diesem Blog berichtet der NABU wie Deutschland, die EU und die Welt ein neues gloales Rahmen-Abkommen für die Biodiversität verhandeln (im Rahmen der Konvention über die biologische Vielfalt, CBD), welche Ziele bis 2030 gesetzt werden und wie es um die Umsetzung in Deutschland steht.

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