Verhandlungen in Genf: Wir brauchen ein Paris Agreement für die Biodiversität

Genf, 16.03.2022. Anfang der Woche haben die Verhandlungen zu einem globalen Abkommen für die Biodiversität am UN-Standort Genf begonnen. Dieses soll auf der 15. Weltbiodiversitätskonferenz (COP-15) in Kunming beschlossen werden, voraussichtlich im Spätsommer oder Herbst. Darin werden sich die Vertragsstaaten zu gemeinsamen Biodiversitäts-Zielen für die laufende Dekade verpflichten. Das Abkommen sollte genauso verbindlich werden wie das „Paris Agreement“.

UN-Flaggen in Genf. Copyright: Mathias P.R. Reding

Jetzt ein verbindliches Abkommen vorbereiten

Der NABU fordert die Vertragsstaaten auf, jetzt den Pfad für ein verbindliches Abkommen mit spezifischen und messbaren Zielen, starken Umsetzungsmechanismen und ausreichender Finanzierung vorzuzeichnen. Es sollte ähnlich verbindlich sein wie das Pariser Klimaabkommen. Oberstes Ziel: bis 2030 eine Trendwende einleiten, welche den Verlust der Biodiversität stoppt und ins Positive umkehrt. Das aktuelle Verhandlungsdokument (Draft 1) ist an vielen Stellen noch zu schwach um diese Trendwende einzuleiten.

Konkrete Vorschläge, was nötig wäre, gibt es u.a. von unserem Dachverband BirdLife International auf Englisch hier (lange Version) und hier (aktuellere Kurzversion für die laufenden Verhandlungen). Deutschland sollte seinen G7-Vorsitz und den G7-Gipfel im Juni nutzen, um das Thema auf die Agenda zu setzen und mit den Partnerländern gemeinsam Vorschläge zu entwickeln. Aber was braucht ein Paris-Agreement für die Biodiversität?

1. Ambitionierte und messbare Ziele

Ambitionierte und vor allem messbare Ziele und Meilensteile mit dem Zieljahr 2030 sind eine wichtige Voraussetzung für ein wirksames Abkommen. Deutschland und die EU sollten sich für konkrete und messbare Ziele einsetzen, die eine Trendwende bis 2030 tatsächlich einleiten. Weitere Verwässerungen in den Verhandlungen sind unbedingt zu vermeiden. Die Ziele sollten in ihrem Ambitionen nicht hinter der EU-Biodiversitätsstrategie zurückfallen. Selbst Business-Organisationen haben bereits zu ambitionierteren Zielen aufgerufen, da der aktuelle Entwurf nicht ausreiche.

Aktuell wollen viele Vertragsstaaten die Meilensteile aus dem Text streichen und den Zeitraum zur Zielerreichung um zwei Jahre verlängern. Beides wäre in Anbetracht der katastrophalen Entwicklung der weltweiten Biodiversität ein fatales Signal und würde das Abkommen schwächen.

Einige wichtige Ziele, die verhandelt werden

  • Ziel 2 zu Renaturierung: Wir begrüßen das Ziel, 20% der globalen Land- und Meeresfläche zu renaturieren. Neben der ausreichenden Menge an Fläche braucht es hier insbesondere Maßnahmen von hoher Qualität, um Ökosysteme weltweit wieder in einen guten Zustand zu bringen. Internationale Standards könnten dabei helfen. Auch die Vernetzung von Lebensräumen spielt eine wichtige Rolle.
  • Ziel 3 zu Schutzgebieten: Das Ziel 30% der Land und Meeresgebiete unter Schutz zu stellen ist ebenfalls gut. Allerdings ist hier ebenfalls darauf zu achten, dass die Qualität des Schutzes auch sichergestellt wird und keine weiteren Paperparks errichtet werden. Außerdem sind die Rechte von Indigenen Völkern und Lokalen Gemeinschaften sowie ihr Beitrag zu dem Ziel unbedingt zu berücksichtigen.
  • Ziel 7 zur Verschmutzung: Hier sollten die Reduktionszahlen zu Pestiziden um zwei Drittel und Nährstoffeinträgen um die Hälfte unbedingt erhalten bleiben. Es besteht eine große Gefahr, dass dieses Ziel während der Verhandlungen in Genf verwässert wird. Noch wurde darüber nicht diskutiert.
  • Bei weiteren Zielen, wie z.B. zum Artenschutz (Ziel 4), zu nachhaltiger Landwirtschaft (Ziel 10), umweltschädigenden Subventionen (Ziel 18) sowie Finanzierung (Ziel 19), muss noch deutlich nachgeschärft werden. So haben beispielsweise Produktionssteigerungen in der Landwirtschaft, die einige Länder in dem Ziel 10 anstreben, in einem Abkommen über die Biodiversität wenig zu suchen. Vielmehr sollte die Reslienz landwirtschaftlicher Systeme durch Vielfalt im Vordergrund stehen.

2. Starke Umsetzungsmechanismen

Die Bundesregierung und EU-Delegation sollte sich in den Verhandlungen – weiterhin und verstärkt – für starke Umsetzungsmechanismen im neuen Abkommen einsetzen. Dies ist im aktuellen Draft und auch darüber hinaus aktuell leider viel zu schwach adressiert. Und es gibt leider starke Kräfte gegen bessere Umsetzungsmechanismen. Nötig sind konkret Mechanismen zur Planung, Berichterstattung, Monitoring, Überprüfung und Ratcheting Mechanismen, die wie im Paris Agreement helfen, bei den Maßnahmen nachzuschärfen wenn die Ziele nicht erreicht werden. Ein konkreter Zeitplan sowie die Ansprache der betroffenen Akteure (z.B. relevante Sektoren, die die Biodvieristätskrise mit verursachen) wären für die Umsetzung ebenfalls hilfreich.

Berichterstattung, Monitoring, Überprüfung und Nachschärfung

  • Die Vertragsstaaten sollten sich dazu verpflichten, regelmäßig und häufiger als bisher über ihren Fortschritt zu berichten. Die Nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne sollten durch transparente Berichte international vergleichbar und bezüglich der nationalen Umsetzung überprüfbar sein.
  • Für das Monitoring und um den Fortschritt messen zu können, ist es wichtig, dass das neue Abkommen passende Indikatoren beinhaltet. Hier wäre es sinnvoll neben nationalen Bemühungen auch solche Indikatoren zu nutzen, die unabhängig von nationalen Berichten erfasst werden und öffentlich zugänglich sind (z.B. durch Satellitendaten zur Habitatveränderung). Mehr Infos zum Monitoring hier.
  • Zur Fortschrittkontrolle ließen sich außerdem sogenannte „Country by country peer reviews“ als Instrument nutzen. Sie ermöglichen die gegenseitige Üperprüfung der Fortschritte sowie Nachschärfungen zum Erreichen der Ziele. Alternativ wäre auch ein internationales (Experten-) Gremium denkbar, welches die Länder bei der Umsetzung der Ziele untestützen könnte.

3. Ausreichende Finanzierung

Neben Zielen und Umsetzungsmaßnahmen geht es in den Verhandlungen, wie so oft, auch viel um Geld. Im Grunde genommen gehört dieser Punkt zu einer erfolgreichen Umsetzung dazu. Deutschland, die G7 und die EU haben als reiche Industriestaaten eine besondere Verantwortung für den Erhalt der globalen Biodiversität und müssen die Länder des globalen Südens bei der Umsetzung der 2030-Ziele angemessen und stärker als bisher unterstützen. Ein Entgegenkommen der G7 und EU mit konkreten Finanzzusagen wäre nicht nur ein fairer Beitrag, es würde in den Verhandlungen auch helfen, messbare Ziele und stärkere Mechanismen für Monitoring, Review und Nachschärfungen zu erzielen.

Subventionen, Finanzmittel und Finanzflüsse im Einklang mit den Zielen

Konkret sollten sich die Vertragsstaaten dazu verpflichten, dass

  • Alle natur- und umweltschädigende Subventionen und Anreize beendet oder umverteilt werden
  • Neue Finanzmittel für Biodiversität aus privaten und öffentlichen Quellen verfügbar gemacht werden. Mindestens 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr sind insgesamt nötig. Aus öffentlichen Töpfen sind global mindestens 60 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Biodiversität bereitzustellen. Auch Deutschland muss einen deutlich größeren Beitrag leisten als bisher. Dies dient hauptsächlich der Unterstützung der Länder des globalen Südens bei der Umsetzung des Abkommens. Es wäre sinnvoll, die Gelder mit der Entwicklung von Kapazitäten vor Ort, wissenschaftlicher Zusammenarbeit und Technologietransfer zu verknüpfen.
  • Letztlich sollten alle öffentlichen und privaten Finanzflüsse mit den Biodiversitätszielen in Einklang gebracht werden.

Fazit

Ob wir ein Paris-Agreement für die Biodiversität und die entsprechende Trendumkehr bei Artensterben und dem Verlust von Lebensräumen bekommen, wird auch davon abhängen, wie viel die reichen Länder bereit sind dafür zu zahlen. Es ist somit eine wichtige Aufgabe Deutschlands, seinen G7 Vorsitz sowie die Beziehungen zu Frankreich als EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen, um mit ihnen gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. In den nächsten zwei Wochen der Verhandlungen in Genf sollten sich Deutschland und die EU zusammen mit anderen Staaten dafür einsetzen, dass die Ziele und Umsetzungsmechanismen aber auch die Finanzierungselemente in dem Abkommen gestärkt werden. Wir werden die Verhandlungen weiter verfolgen und wieder berichten.

In diesem Blog berichtet der NABU wie Deutschland, die EU und die Welt ein neues gloales Rahmen-Abkommen für die Biodiversität verhandeln (im Rahmen der Konvention über die biologische Vielfalt, CBD), welche Ziele bis 2030 gesetzt werden und wie es um die Umsetzung in Deutschland steht.

2 Kommentare

Boris Kunert

19.12.2022, 09:53

Ehrlich gesagt befürchte ich schon jetzt, das es endet wie beim Klimaschutz: erst werden ehrgeizige Ziele formuliert, hinterher werden sie aber wegen "wichtigerer" Dinge wieder über Bord geworfen. Es darf nicht sein, dass sich reiche Staaten von der Einhaltung der angestrebten Ziele freikaufen können, so wie beim Klimaschutz. Werden Ziele verfehlt, muss es eine internationale Prüfkommission geben, die zu deutlichen Sanktionen gegen den betreffenden Staat berechtigt ist. Leider wird man auf solche Instrumente vergeblich warten! Insofern: es hört sich wieder mal prima an, was Montreal mit seinem 1/3-Naturschutz-Ziel formuliert hat - ich fürchte aber es ist das Papier nicht wert, auf dem es steht!

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Jörn Hinze

23.12.2022, 19:10

Liebe NABU-Mitarbeiter/innen, ich bin NABU-Mitglied in Flensburg und habe eine Idee zu den 30% Schutzgebieten nach Montreal. Die deutsche Bundesregierung sollte eine Gesetzesänderung zu Landschaftsschutzgebieten herbeiführen. Bei Flächennutzungsplanänderungen sollte ausgeschlossen werden, dass Landschaftsschutzgebiete entwidmet werden, wie hier so oft geschehen. Eine solche Gesetzgebung ist kostengünstig und äußerst effektiv für den Arten- und Naturschutz. Eigentlich fallen nur minimale Kosten für das Gesetzgebungsverfahren an. Mit freundlichen Grüßen Jörn Hinze m.d.B. um Rückmeldung

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