UN-Biodiversitätsgipfel: Probleme anerkannt, Lösungsstrategien unkonkret

„Die Menschheit führt Krieg gegen die Natur“. Mit diesen Worten eröffnete der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres gestern den UN-Biodiversitätsgipfel in New York. Dass mehr als 150 Staaten auf höchster Ebene vertreten waren, unterstreicht die Wichtigkeit des Themas für die globale Gemeinschaft.

UN-Flaggen. Copiright: Picture alliance / Photoshot

Lange war es ruhig in der globalen Biodiversitätspolitik. Wichtige Treffen wurden verschoben, so dass sich das „Super-Jahr“ auf 2021 zu verschieben scheint. Das letzte große Vorverhandlungs-Treffen zum Übereinkommen über den Schutz der Biologischen Vielfalt (CBD) war die Open Ended Working Group in Rom Anfang des Jahres gewesen.

Gestern stand die Biodiversität ganz oben auf der Agenda. Der UN-Gipfel bot die Chance, das Thema auf höchster Ebene zu diskutieren. Dies war ein wichtiges Signal – gerade in einer Zeit, in der weltweit viel Energie und Zeit in die Bekämpfung der Pandemie fließt. Der Gipfel fand größtenteils virtuell statt und konnte live verfolgt werden (hier kann kann er auch im Nachhinein noch angesehen werden). Die Statements der Staatschef*innen erfolgten größtenteils über vorher aufgezeichnete Videobotschaften.

Insgesamt scheinen viele Staatsoberhäupter das Risiko des Biodiversitätsverlusts und die Dringlichkeit diesen mit entsprechenden Maßnahmen bis 2030 zu stoppen, verstanden zu haben. Dies lassen zumindest ihre Redebeiträge hoffen. Auch, dass der Multilateralismus dafür eine wichtige Grundlage dafür darstellt. Der chinesische Präsident Xi Jinping sagte in seiner Rede, globale Regeln seien im Umweltbereich besonders wichtig, denn „alle Länder sitzen im gleichen Boot“ (das ganze Statement hier).

Auftritt Angela Merkels

Merkel in ihrer Videobotschaft zum Biodiversitätsgipfel. Quelle: Tweet des Regierungssprechers

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel rief in ihrem Statement dazu auf, nicht weiter Zeit zu verspielen und jetzt gemeinsam zu handeln: „Wir brauchen eine globale Trendwende. Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) hat 2019 benannt, was hierfür notwendig ist.“

Anfang der Woche hatten bereits 74  Staaten, inklusive Deutschland und auch der EU als solche, mit dem „Leader’s Pledge for Nature“ einen 10-Punkte-Plan unterzeichnet, mit dem sie den Biodiversitätsverlust in der nächsten Dekade stoppen und umkehren wollen. Der NABU hatte dies hier kommentiert.

Bei der Frage, wie die Umsetzung in den einzelnen Ländern verbessert werden kann, blieben die Ausführungen der Regierungsvertreter*innen allerdings zu unkonkret. Meist beschränkten die Redebeiträge sich auf positiv-Beispiele und bereits laufende Projekte. Nur ungern räumt man vor der Weltgemeinschaft Fehler ein oder definiert die anstehenden Aufgaben genauer. Somit ist schwer zu sagen, wie ernst wir das Versprechen, den Verlust der Biodiversität zu stoppen und umzukehren, nehmen können.

Die (Führungs?)-Rolle der EU

Ursula von der Leyen in ihrer Videobotschaft. Quelle: Tweet der Kommissionspräsidentin

 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte in ihrem Statement auf dem Gipfel, das neue globale Rahmenabkommen für die Biodiversität müsse klare messbaren Regeln und Rechenschaftsmechanismen enthalten. Sie verwies auf die von der EU-Kommission veröffentlichte EU-Biodiversitätsstrategie. Diese enthält bereits viele Mechanismen und Maßnahmen um den Biodiversitätsverlust zu stoppen (der NABU hatte berichtet und kommentiert). Allerdings hängt die Wirksamkeit der Strategie vor allem davon ab, wie ambitioniert die EU-Mitgliedstaaten sie auf nationaler Ebene umsetzen. Am 23. Oktober findet unter deutscher Ratspräsidentschaft der Umweltrat statt, bei dem die Schlussfolgerungen zur EU-Biodiversitätsstrategie verabschiedet werden. Wenn die Mitgliedstaaten ihm zustimmen, könnte aus dem Kommissionsvorschlag eine von den Brüsseler Institutionen unterstützte Agenda werden.

Was Deutschland konkret tun kann

Merkel hat absolut Recht wenn sie sagt, dass der IPBES-Bericht einen guten Rahmen vorgibt, den wir nutzen sollten, um den nötigen Transformativen Wandel zu beginnen. Es gibt vier zentrale Punkte, an denen Deutschland jetzt ganz konkret ansetzten kann, um diesen Wandel anzustoßen:

  1. Mainstreaming: Die Integration der Biodiversität in alle Politikbereiche. Das heißt, eine Evaluierung des Einflusses aller politischer Entscheidungen auf die Biologische Vielfalt wird vorgenommen.
  2. Subventionen, Abgaben, Zölle: Politische Steuerungsinstrumente gezielt einsetzen, um die Treiber des Biodiversitätsverlustes zu lindern. Für die biologische Vielfalt schädliche Subventionen und Anreize beenden, damit sie nicht weiter die globalen Ziele untergraben und Erfolge verhindern. Dazu gehören beispielsweise die Direktzahlungen der EU-Agrarpolitik. Gleichzeitig Anreize für biodiversitätsfreundliches Verhalten schaffen und Regulationsmechanismen bei schädigenden Praktiken einführen. Besonders wichtig ist, die Biodiversität in Handelsabkommen zu berücksichtigen – nicht zuletzt um ein Level playing field zu garantieren. Auch wird so verhindert, dass Produkte auf den Europäischen Markt kommen, die den Biodiversitätsverlust anderswo befeuern.
  3. Finanzierung: Die Länder des globalen Südens bei der Umsetzung des Abkommens noch besser unterstützen – ein Beitrag von 1,5 Mrd. Euro pro Jahr wäre wünschenswert. Derzeit steuert Deutschland lediglich 500 Millionen Euro jährlich bei. Der von Merkel während des Gipfels erwähnte Legacy Landscape Fund kann sicherlich eine gute Ergänzung zu den öffentlichen Geldern sein, sollte diese aber keinesfalls komplett ersetzen.
  4. Schutzgebiete und Renaturierung: Auf etwa 30% der Fläche an Land und im Meer gut verbundene Schutzgebiete einrichten – ein Drittel davon streng geschützt. Außerdem großflächige Renaturierungsmaßnahmen auf insgesamt ca. 15% der Landesfläche umsetzen, um zerstörte Ökosysteme wie Moore, Wälder, Flüsse und Auen wiederherzustellen. Der Fokus sollte darauf liegen, die Qualität der Schutzgebiete sicherzustellen. Grundvoraussetzung dafür ist ein effektives Management der bereits bestehenden Natura-2000 Gebiete. Nur so lassen sich Arten und Lebensraumtypen in einen guten Erhaltungszustand bringen– wie es die FFH-Richtlinie vorsieht. Dafür sind wiederum ausreichende finanzielle Ressourcen und ausreichendes Personal zur Verfügung nötig. Derzeit drohen Deutschland mehrere EU-Vertragsverletzungsverfahren, da die im Rahmen der FFH-Richtlinie in der Europäischen Union gemeinsam festgelegten Schutzgebiete werden nicht ausreichend geschützt werden.

… Und was das für die nächsten Wochen bedeutet

In den anstehenden Entscheidungen auf der EU-Ebene kann die Bundesregierung bereits in den kommenden Wochen zeigen, dass es ihr ernst ist mit denWorten: Bei den Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU kann sie sich für einen Budgetanteil von 10% für die Biodiversität einsetzen. Bei den Verhandlungen zur EU-Agrarpolitik kann sie sich dafür einsetzen, dass Subventionen und Anreize streng an ökologische Kriterien gebunden sind. Und die EU-Biodiversitätsstrategie der EU-Kommission sollte der Umweltrat mit all den enthaltenen Zielen begrüßen.

Was die Regierungen tun müssen damit ihre Worte Wirklichkeit werden ist also bekannt. Jetzt geht es darum, dieses Wissen in die Tat umzusetzen und unseren Krieg gegen die Natur zu beenden.

 

2020/2021 – Superjahr der Artenvielfalt: In diesem Blog berichtet der NABU über die Verhandlungen zu einem globalen Abkommen über den Schutz der Biologischen Vielfalt (CBD). Wir berichten und kommentieren, wie Deutschland, Europa und die Welt neue Biodiversitätsstrategien für das kommende Jahrzehnt aufstellen.

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