Die Roten Listen und das Geld
Dies war der Titel meiner Eingangspräsentation auf der NABU/BirdLife-Veranstaltung am Montag Abend in der prächtigen Vertretung des Freistaats Bayern in Brüssel, einen Steinwurf entfernt vom EU-Parlament. Der große Saal war voll, als wir zum Auftakt der Brüsseler „Green Week“ dazu eingeladen hatten, die Zukunft der EU-Naturschutzfinanzierung zu diskutieren. Sechs Europaparlamentarier waren gekommen, genauso wie Vertreter fast aller deutschen Bundesländer, der EU-Kommission und anderer EU-Staaten. Und natürlich Verbandsvertreter verschiedenster Couleur. Alle Präsentationen der Veranstaltungen werden in den nächsten Tagen auf unserer NABU-Seite zum Thema veröffentlicht, sind aber auch in diesem Text verlinkt.
Waren es die dramatischen neuen Zahlen zur Lage der Natur, der gut gewählte Zeitpunkt zwischen zwei EU-Agrarreformen oder doch auch ein bisschen der prestigeträchtige Ort, der manche lockte? Wir wissen es nicht, vielleicht lag es aber auch daran, dass unser Diskussionspapier (pdf Download) bereits in einschlägigen Landwirtschaftskreisen für Unruhe gesorgt hatte. Das Branchenorgan top agrar titelte am Vortag online: „Naturschutzbund stellt kooperativen Umweltschutz in Frage„. Der Internet-Redakteur von top agrar scheint die Diskussionsvorschläge des NABU nicht verstanden zu haben.
Ich begann meinen Eingangsvortrag (pdf Download) mit einer simplen graphischen Verdeutlichung davon,
dass in Deutschland den letzten 25 Jahre nur zwei von drei Feldlerchen, drei von 12 Kiebitzen und eins von 18 Rebhühnern übrig geblieben sind. Vielleicht muss man es einfach plastischer darstellen, wie sehr unsere Natur verarmt. Und vielleicht muss man klarer sagen, dass viele Küken unsere Feldvögel zu verhungern scheinen, weil es nicht mehr genug Insekten in den agrarisch geprägten Lebensräumen gibt. Vom EU „State of Nature“ Bericht der vorletzten Woche ging es dann direkt in die Untiefen der Brüsseler Förderpolitik, die ihren Ansprüchen nicht gerecht wird, beispielsweise das Natura-2000-Netzwerk ausreichend mitzufinanzieren.
Eindrucksvoll illustrierten das auch die Vorträge der beiden Vertreter der bayerischen Staatsregierung. Der Amtschef der Umweltministeriums, Dr. Christian Barth (Vortrag als pdf Download), stellte die Naturschutzförderung in Bayern vor, und wies dabei auf die Mängel der EU-Förderung hin und darauf, dass Bayern wohl eine der wenigen Regionen Europas ist, die auch noch über genug eigenen Mittel verfügt, um eventuelle Lücken dort zu füllen. Einen eigenen EU-Umweltfonds hielt er für bedenkenswert. Der Vertreter des Landwirtschaftsministerium, Herr Anton Dippold (Vortrag als pdf Download), stellte die Umsetzung des ELER-Fonds in Bayern insgesamt vor, und beklagte dabei die starken bürokratischen Anforderungen der EU-Kommission. Einen eigenen EU-Umweltfonds lehnt er ab.
Die Brüsseler Agrarexpertin von BirdLife Europe, Trees Robijns (Vortrag als pdf Download), spannte dann den Bogen noch weiter und zog aus Naturschutzsicht eine äußerst ernüchternde Bilanz der letzten EU-Agrarreform. Dabei wurden zwar eine Reihe von neuen Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen, die jedoch von den Mitgliedstaaten meist nicht ausreichend genutzt oder sogar missbraucht werden – mit fatalen Folgen für die Umwelt. Die Schlussfolgerungen der ersten Teils der Veranstaltung waren somit eindeutig: es fließt viel zu wenig EU-Geld in gezielte Naturschutzmaßnahmen, attraktive Anreize für Landnutzer sowie Beratungsleistungen und Personal fehlen.
In der folgenden Podiumsdiskussion widersprach dem auch niemand, auch wenn die Schlüsse daraus durchaus unterschiedlichen waren. Karl Falkenberg, Generaldirektor für Umwelt bei der Europäischen Kommission, ließ durchblicken, dass er mit der NABU-Idee eines eigenen Umweltfonds durchaus sympathisiere und dass die Umweltseite bei der vergangenen Agrarreform vielleicht etwas zu naiv den Versprechungen von „Greening“ und „Integration“ bei der Naturschutzfinanzierung gefolgt war, daraus werde man lernen. Das Prinzip „public money for public goods“, das eigentlich Leitlinie der letzten Agrarreform sein sollte, wäre nicht umgesetzt worden. Immer noch machten die Subventionen für die Landwirtschaft über 40 Prozent des gesamten EU-Haushaltes aus, ohne dass der überwiegende Teil an Leistungen für die Steuerzahler geknüpft seien. MdEP Albert Deß (CSU) sprach sich klar gegen einen solchen Fonds aus, weil dies nach seiner Auffassung, sinngemäß, vor allem den Naturschützern helfen würde, per Flächenkauf den Landwirten das Leben schwer zu machen. Gleichzeitig attackierte er heftig die bürokratischen Auflagen und das Reglement der jüngsten Agrarreform, die er sich ursprünglich ganz anders vorgestellt habe. Von seinem Kollegen MdEP Martin Häusling (Grüne) wurde ihm vorgeworfen, doch selbst an einflussreicher Stelle im Parlament den Vorschlägen zugestimmt und die Regelungen noch komplizierter gemacht zu haben. MdEP Maria Noichl (SPD) betonte, zunächst müssten doch die bisher völlig umstrittenen Ziele der EU-Agrarpolitik geklärt – und dann die Instrumente diskutiert werden. Dr. Aard Mulders bestätigte für das niederländische Wirtschaftsministerium, dass Geldmangel die Akzeptanz des Naturschutzes gefährdet und stellte das neue kooperative betriebsübergreifende Förderkonzept der Niederlande für den ländlichen Raum dar. Dr. Eick von Ruschkowski von der Geschäftsleitung des NABU machte, wie das auch schon die anderen Vertreter von NABU und BirdLife getan hatten, nochmals klar, dass der NABU den Integrationsansatz bezüglich der EU-Fonds, nicht aber das Prinzip der Kooperation mit den Landwirten in Frage stellt.
In seiner Zusammenfassung bezeichnete der Leiter EU-Politik von BirdLife Europe, Ariel Brunner, die Veranstaltung einen gelungener Auftakt für eine wichtige, aber sicher langwierige Debatte. Man sei einig, dass wesentlich mehr Geld benötigt würde um die Roten Listen zu verkürzen und das von den Staatschefs der EU-Staaten 2010 beschlossene Ziel zu erreichen, das Artensterben bis 2020 zu stoppen. Welche Umschichtungen dafür im EU-Haushalt sinnvoll sein werden, sei aber noch sehr strittig. Dies wurde dann auch bei Empfang im Anschluss angeregt diskutiert.
Der NABU und BirdLife Europe danken der Vertretung des Freistaats Bayern bei der EU für die freundliche Unterstützung der Veranstaltung.
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