NABU-GAP-Ticker: Zur Agrarministerkonferenz: Viel Streit um – was genau?

11.02.2021: Als „enttäuschend und ernüchternd“ bezeichnete Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Ergebnisse der Sonder-Agrarministerkonferenz (Sonder-AMK) am 5. Februar in ihrem Pressestatement auf der anschließenden Pressekonferenz. Gleichzeitig relativiert sie ihre eigene Rolle: „Der Bund ist nur Gast“. Und tatsächlich spielt die Bundesebene auf der Sonder-AMK nur eine Nebenrolle. Trotzdem hatte sich Klöckner eine Positionierung bzw. ein Votum der Agrarminister der Bundesländer zum Nationalen Strategieplan (NSP) zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) erhofft, um ihn dann mit ihrem Ministerium federführend auszuarbeiten. Nach beinahe 12-stündigen Verhandlungen konnten jedoch keine großen Einigungen in den zentralen Fragen getroffen werden.

Dabei ging es vor allem um die Ausgestaltung der Ersten und Zweiten Säule sowie der Verteilung der Mittel zur ländlichen Entwicklung und dem Anteil der etwa sechs Milliarden Euro an GAP-Geldern der von der ersten in die zweite Säule umgeschichtet werden sollen. Die Schuld für den ausbleibenden Erfolg der Verhandlungen suchen Klöckner und ihre Unions-Kolleg*innen nun vor allem bei den Agrarminister*innen der Grünen. „Man muss sowas auch vorbereiten“ sagte Klöckner sichtlich entnervt auf der Pressekonferenz. „Offenbar geht Fremd- und Selbstwahrnehmung auseinander“ sagte Brandenburgs Minister Axel Vogel (B90/Grüne) im Nachgang der AMK zu Verhandlungsbereitschaft der CDU. Die „Biodiversität müsse auch in die GAP.“ Auch der sächsische Minister Wolfram Günther (B90/Grüne) konterte: „Erpressungsvorwürfe machen Verhandlungen nicht leichter“. Die Aussage Klöckners, dass der Bund entscheiden würde, wenn die Länder sich nicht einig werden, sei irritierend.

Der NABU hatte bereits im Vorfeld den Zeitdruck kritisiert der von Seiten des BMEL auf die Bundesländer ausgegangen war. Besonders vor dem Hintergrund, dass die europäische Rahmengesetzgebung für die GAP-Gelder noch nicht festgelegt wurde, sondern aktuell noch immer in Brüssel innerhalb des Trilogs verhandelt wird. Ein Abschluss dieser Gespräche wird für Mai erwartet. Während Klöckner ihren straffen Zeitplan mit Verweis auf die Frist zur Einreichung des NSP am 01.01.2022 rechtfertigt, hatten Kritiker ihr vorgeworfen, durch ein nationales Vorpreschen beim NSP Fakten schaffen und Bezüge der GAP zu den Strategien der Kommission, wie etwa Green Deal, Farm-to-Fork und die Biodiversitätsstrategie vermeiden zu wollen. Öffentliche Unterstützung für ihre wenig ambitionierten Ziele beim NSP hatte Klöckner Mitte Januar von den Landesagrarminister*innen der Union in einem öffentlichen Schreiben erhalten. Die sieben Grün-geführten Landesagrarminister*innen hatten im Vorfeld der AMK ihrerseits angekündigt, dass zunächst die Ergebnisse des Trilogs abgewartet werden müssen.

Der NABU begrüßte im Zuge der Umweltministerkonferenz (UMK) die Forderungen nach einer verbindlichen ressortübergreifenden Zusammenarbeit zwischen den Umwelt- und Landwirtschaftsministerien. Umso verwunderlicher ist es nun, dass auf der AMK nicht über ein gemeinsames Verfahren entschieden werden konnte, obwohl durch Personalunion bereits 10 Umweltminister*innen mit am Tisch saßen, da in ihren Bundesländern keine Trennung zwischen Umwelt- und Agrarministerium vorliegt.

Den Vorsitz der Sonder-AMK hat aktuell der sächsische Agrar- und Umweltminister Wolfram Günther (B90/Grüne) inne. Auf der über 6 Stunden verspäteten Pressekonferenz verkündete er die überschaubaren Ergebnisse:

  • 70 Euro/ha bis zu einer Fläche von 120 ha Förderung für Junglandwirte.
  • Einführung einer eine Stichtagsregelung in die Konditionalität zum Schutz von Dauergrünland. Dabei werden künftige Ergebnisse des Trilogs berücksichtigt.
  • Erleichterungen für Kleinerzeugen bei Kontrollen, Konditionalität bleibt aber gleich.
  • Chancengleichheit für Mehrfamilienbetriebe.
  • Einzelne Bundesländer werden „nicht unverhältnismäßig“ benachteiligt.

Die großen offenen Fragen zu Natur-, Umwelt- und Klimaschutz konnten hingegen nicht geklärt werden. Nicht einmal der Prozentsatz für die Umschichtung von Geldern aus der Ersten in die Zweite Säule war konsensfähig – kurz schien eine Aufstockung um zwei Prozentpunkte auf insgesamt acht Prozent möglich, diese Zahl fand schlussendlich aber keine allgemeine Zustimmung. Alle Beschlüsse der AMK müssen einstimmig getroffen werden. Einig wurden sich die Minister*innen nur soweit, dass zwar die Ergebnisse des Trilogs abgewartet werden müssen, aber gleichzeitig schon an den Rechtstexten des NSP gearbeitet werden soll – eine Quadratur des Kreises. Der große Wurf soll dann auf einer kurzfristig angesetzten Sonder-AMK nach Abschluss des Trilogs gelingen.

Der NABU hatte im Vorfeld der Sonder-AMK drei Kernforderungen an den NSP gestellt, die nun weiterhin relevant bleiben:

  1. Eine schrittweise Umwandlung der kontraproduktiven pauschalen Flächenprämien in die sogenannten Eco-Schemes (Öko-Regelungen) der Ersten Säule und in die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) der Zweiten Säule. Bis 2028 sollten die pauschalen Flächenprämien gänzlich abgeschafft werden.
  2. Eine ausreichende Finanzierung der EU-rechtlich zwingenden Naturschutzmaßnahmen in der Agrarlandschaft durch die GAP. Hierfür müssten mindestens eine Milliarden Euro jährlich in der Zweiten Säule einkommenswirksam für Landnutzer zur Verfügung stehen, die diese Aufgaben erfüllen.
  3. Eine Qualitätssicherung für die sogenannten Eco-Schemes zur effektiven Förderung des Klimaschutzes und der Biodiversität. Hier werden bislang immer wieder Maßnahmen vorgeschlagen, die hohe Mitnahmeeffekte verursachen und einer Fortführung des bisherigen ineffektiven sogenannten Greenings gleichkommen würden (bspw. Anbau von Zwischenfrüchten, Precision Farming) oder sogar eine kontraproduktive Wirkung für Natur, Umwelt und Klima haben (bspw. Anbau von Biomasse zur Energieerzeugung).

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kulissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titelfoto: Europäische Union 2013

1 Kommentar

G.W.

11.02.2021, 23:58

Hallo Was ist gemeint mit: "Erleichterungen für Kleinerzeugen bei Kontrollen, Konditionalität bleibt aber gleich." ? Sind damit Kontrollen z.B. durch Veterinäre gemeint, - die z..B. in Bayern durchschnittlich ohnehin nur alle 40 Jahre einmal auftauchen - jetzt vielleicht noch weniger oder sie gucken gar nicht mehr auf die armen Tiere?

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