NABU-GAP-Ticker: mit Vollgas gegen die Wand – Revierkampf im Europaparlament

28.Juni 2018 Nicht nur im Fußball ist neben Schnelligkeit auch Präzision und Genauigkeit wichtig. Wenn es um die Reform der 58 Mrd. Euro schweren Agrarsubventionen geht, scheint es bei einigen Akteuren in der EU jedoch vor allem darum zugehen, diese möglichst schnell in trockene Tücher zu bringen, ohne Rücksicht auf die Qualität. Erklärtes Ziel u.a. von Kommissionschef Juncker ist es, neben dem Mehrjährigen Finanzrahmen auch die sektoralen Gesetze, worunter allen voran die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) fällt, bis zur Europawahl möglichst zu einem Abschluss zu bringen. Glaubt man einem Artikel der Zeitung Politico ächzen die Mitarbeiter der Institutionen in Brüssel bereits unter diesem Druck. Ein nun bekanntgewordener Vorgang im Europäischen Parlament zeigt, dass auch die Qualität der Gesetzgebungsverfahren beginnt zu leiden.

Konkret geht es um die Beteiligung des Umweltausschusses an der Bearbeitung der Kommissionsvorschläge zur Zukunft der GAP (unsere Reaktion hier) innerhalb des EU-Parlaments, welche  u.a. mit Verweis auf den straffen Zeitplan in Frage gestellt wird. Aus historischen Gründen fällt diese Kompetenz bisher formell dem Agrarausschuss zu. Bei ihrer Einführung in der Nachkriegszeit lag der Fokus der GAP tatsächlich noch allein auf der Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion in Europa. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Ziele jedoch zunehmend um Umweltaspekte erweitert. Die Rollenaufteilung innerhalb der Institutionen hat sich dagegen nur unwesentlich verändert und so sind es weiterhin die Generaldirektion für Landwirtschaft sowie der entsprechende Parlamentsausschuss, die federführend sind. Eine echte Beteiligung der Umwelt- und Naturschutzexperten in den entsprechenden Institutionen findet bisher jedoch nicht statt, was der NABU jedoch bereits seit langem fordert.

Für diese Reformrunde hat der Umweltausschuss bei der Verwaltung des Parlaments (bestehend aus den Fraktions- und Ausschussvorsitzenden) nun mehr Mitspracherechte beantragt unter Verweis darauf, dass der Umwelt- und Naturschutz eines der drei Hauptziele des Vorschlages sind. Die Entscheidungen zur GAP haben zudem starke Auswirkungen auf diese Politikbereiche, für welche der Umweltausschuss formal eigentlich zuständig wäre. Darauf folgte eine heftige Reaktion der Mehrheit des Agrarausschusses und ein interner Beschwerdebrief von dessen Vorsitzenden, dem EVP-Abgeordneten Siekierski. Obwohl der Umweltausschuss die übergeordnete Stellung der Agrarkollegen in seinem Antrag nie in Frage stellte, bezeichnete er die Forderung als „überzogen“ und „unbegründet“.

Dies könnte man als „Reviergehabe“ der Abgeordneten (welche laut einem Greenpeace-Report zudem stark persönlich mit dem Agrarsektor verbandelt sind) abtun. Jedoch scheint dieser massive Protest bei den Akteuren, die in diesem Streit schlichten sollen, Gehör zu finden. Zwar ist noch nichts endgültig entschieden, internen Berichten zufolge, soll der Umweltausschuss sich aber damit zufrieden geben, lediglich eine Stellungnahme zur GAP abgeben zu dürfen. Dieses Instrument wurde bereits bei der letzten Reform angewendet, mit der Folge dass diese Stellungnahme vom Agrarausschuss ignoriert wurde. Als Begründung wird auch der hohe Zeitdruck aufgeführt, der einer intensiven Koordinierung zwischen den Ausschüssen im Wege stehe.

Aus unserer Sicht wird dieses Vorgehen klar zu einem schlechteren Qualität der Politik und keinesfalls zu einer zügigeren Gesetzgebung führen. Die jüngste Ernennung des Klimawandelleugners Agnew von der UKIP zum Berichterstatter für die Stellungnahme zum LIFE-Programm zeigt einmal mehr, dass der Wille zum Schutz von Natur und Umwelt bei einer Mehrheit des Agrarausschusses nicht vorhanden ist. 2013 führte der unausgewogene Report desselben Gremiums zudem dazu, dass der Streit ins gesamte Plenum des EU-Parlaments verlagert wurde. Es folgte eine Flut von Änderungsanträgen und ein insgesamt verzögertes Verfahren.

Der nun vorliegende Kommissionsvorschlag sieht eine umfassende Umstrukturierung der Agrarsubventionen vor. Die allein 1300 Änderungsanträge im bereits verabschiedeten „Dorfmann-Berichts“ zur ersten Kommunikation der Kommission zur neuen GAP zeigen, dass der Diskussionsbedarf enorm ist. Eine gründliche Arbeit der Volksvertreter unter frühzeitiger Einbeziehung aller relevanten Akteure ist daher unerlässlich. Ein Beharren auf alten Reviergrenze und ein Vorgehen mit dem Bulldozer, der unter dem Vorwand des Zeitmangels versucht Bedenken beiseite zu schieben, stellt eine unnötiges Risiko für den europäischen Naturschutz und die Landwirtschaft dar.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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