NABU-GAP-Ticker: GAP-Übergangsverordnung auf der Zielgeraden

Brüssel, 2.April 2020. Am letzten Tag ihrer Amtszeit veröffentlichte die Juncker Kommission im Oktober 2019 eine einjährige Übergangsverordnung für die GAP für das Jahr 2021. Diese war nötig geworden, nachdem sich die eigentliche Reform immer mehr verspätete. Durch Corona verzögert sich dieser Prozess nun vermutlich weiter und es bleibt mehr als fraglich, ob die neue GAP nicht doch erst 2023 in Kraft treten kann, d.h. zwei Jahre später als geplant. Die Regeln, die in dieser Übergangszeit gelten, bekommen dadurch eine höhere Bedeutung. Da trotz Pandemie das Ende der derzeitigen Förderperiode zudem näher rückt, muss das Gesetzgebungsverfahren für diese Überbrückung möglichst bald abgeschlossen werden. Vor allem im Europäischen Parlament drücken die Akteure nun auf die Tube und eine erste Positionierung erfolgt womöglich bereits im Mai.

Straffer Zeitplan trotz Corona

Über den Inhalt des Kommissionsvorschlages hatten wir bereits im November berichtet (siehe hier). Ein Sachverhalt ändert sich jedoch aufgrund der gegenwärtigen Situation. Die Kommission hat heute den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, ungenutzte Mittel aus deren ländlichen Entwicklungsprogrammen für die Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie umzuwidmen (siehe hier). Für die Übergangsphase ab 2021 bedeutet dies, dass mehr Mitgliedstaaten Gelder aus dem neuen EU-Haushalt in Anspruch nehmen müssen, anstatt die Übergangsphase mit den Restmitteln aus 2014-2020 zu finanzieren.

Die Abgeordneten des Agrarausschusses (der Umweltausschuss ist nicht formell beteiligt) hatten noch Anfang März ihre Änderungsanträge zum Kommissionsvorschlag eingebracht. Elsi Kateinen, die finnische Berichterstatterin von der Renew-Gruppe, berät nun mit den Schattenberichterstattern der anderen Gruppen mögliche Kompromissformulierungen. Die Abstimmung im Ausschuss ist momentan für den 27./28. April terminiert. Die finale Abstimmung im Rahmen eines (virtuellen) Mini-Plenums in Brüssel wäre dann bereits im Mai oder Juni möglich.

Der Verhandlungsstand im Rat ist weniger deutlich, vor allem was die Positionen der Mitgliedstaaten angeht. Das nächste Treffen der Minister findet noch im April statt und es ist davon auszugehen, dass die Übergangsregelung auch dort auf der Agenda steht. Wann der Rat für den Trilog bereitsteht, ist jedoch noch unklar.

Streitfall Umweltbudget

Die Änderungsanträge der Abgeordneten sind aus Naturschutzsicht durchaus interessant. Bereits gesetzt gilt, dass der Agrarausschuss einen Mechanismus fordert, der die Übergangsverordnung automatisch um ein Jahr verlängert, sollte die GAP-Reform nicht schnell genug voranschreiten (was der wahrscheinliche Fall ist).

Ein möglicher Streitpunkt ist die Frage, wie viel Geld zukünftig in der 2.Säule für den Umweltschutz ausgegeben wird. Momentan sind 30% Pflicht, wobei manche Mitgliedstaaten nominal bereits mehr leisten. Unter anderem die Grünen und Sozialisten fordern deshalb, dass das Niveau an Umweltausgaben (in Euro) beibehalten werden muss. Die EVP und Renew wollen stattdessen, dass lediglich der Anteil in % der Umweltausgaben konstant bleibt. Durch das mögliche Sinken des Gesamtbudgets für die 2.Säule würde das unterm Strich auch weniger Geld für den Umweltschutz bedeuten. Auch sind die Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete weiterhin als Umweltschutz anrechenbar, wodurch diese mit den echten Umweltschutzausgaben direkt konkurrieren.

Renaissance für das Greening?

Das politisch inzwischen weitgehend abgeschriebene Greening könnte in der Übergangsphase ein letztes Mal aufglühen. So planen der frühere Agrarkommissar Ciolos (Renew) und der italienische Abgeordnete De Castro (S&D), dessen Budget um 3%-Punkte zu erhöhen. Dieses Geld soll dann in Klimaschutzmaßnahmen fließen. Leider setzt die Liste an förderfähigen Maßnahmen vor allem auf technische Lösungen in der Tierhaltung oder bei der Düngung. Sie adressiert aber viel zu wenig das grundlegende Problem, dass eine generelle Senkung des Tierbestandes notwendig wäre.

Ein weiteres Bündel von Änderungsanträgen des französischen Politikers Manuel Bompard (GUE/NGL) setzt ebenfalls am Greening an. Vor allem die bisherigen ökologischen Vorrangflächen sollen deutlich verbessert werden und erhalten gleichzeitig einen neuen Namen: „agrarökologische Infrastruktur“. Die aus Naturschutzsicht wenig wirksamen Optionen wie Zwischenfrüchte etc. stünden dem Vorschlag zur Folge den Landwirten nicht mehr zur Verfügung. Erlaubt wären nur noch die deutlich effektiveren Brachen und andere Landschaftselemente wie Hecken und Pufferstreifen. Besehende Ausnahmen für bestimmte Gruppen von Landwirten würden zudem abgeschafft.

Dieses verbesserte Instrument müsste auch weiterhin nur auf 5% des Ackerlandes angewendet werden und die Mitgliedstaaten könnten die Vorgaben durch die Zertifizierung von äquivalenten Maßnahmen weiterhin aushebeln. Trotzdem wären diese Änderungsanträge eine deutliche Verbesserung gegenüber heute. Der NABU fordert einen Anteil von „Space for Nature“ von 10% auf allen landwirtschaftlichen Flächen (siehe hier). Die Chancen dieses Antrages stehen im sehr konservativen Agrarausschuss eher schlecht, könnte aber das Plenum könnte diesen später noch einmal aufgreifen.

Jedoch würden alle Änderungsanträge selbst im besten Fall die GAP nicht reparieren können, sondern nur notdürftig flicken. Das Grundproblem, dass über die Direktzahlungen und auch das Greening hohe Summen in wenig effiziente und zum Teil schädliche Subventionen fließen, bleibt von allen Änderungsanträgen unberührt. Diese Mini-Reform könnte aber einen echten Übergang einleiten, auf welchem die neue GAP aufbauen müsste. Einmal für den Umweltschutz Erreichtes ließe sich zudem nur schwer zurückdrehen. In dem Sinne bleibt es bei der GAP spannend, trotz Corona.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/Agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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