NABU-GAP-Ticker: Polen stellt nächsten EU-Agrarchef

13. September 2019. Nach ihrer Wahl zur zukünftigen EU-Kommissionspräsidenten war Ursula von der Leyen vor allem damit beschäftigt, ihr Team zusammenstellen. Eine Frage, die für die Landwirtschaft und für den Naturschutz eine große Bedeutung hat: wer wird die neue Agrarkommissarin bzw. der neuer Agrarkommissar?

Diese wurde am vergangenen Dienstag beantwortet und mit Janusz Wojciechowski der zukünftige polnische Kommissar als designierten Kandidaten für dieses Amt vorgeschlagen (erste NABU-Reaktion hier). Damit geht dieses wichtige Resort zum ersten Mal nach Polen. Die Gerüchte hierzu hatten bereits seit Wochen gebrodelt, nachdem der ursprüngliche polnische Kandidat seine Bewerbung zurückgezogen hatte, mit dem Verweis auf seine fehlenden Erfahrungen im Agrarbereich. Aber was wissen wir über den polnischen Kandidat? Und was wissen wir über seine Position zur  Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)?

Der beruflicher und politischer Weg von Janusz Wojciechowski 

Der 64-Jährige Jurist gehörte ursprünglich der polnischen Volkspartei, auch Bauernpartei genannt, an. Seit 2010 ist er Mitglied der derzeit regierenden PiS-Partei (Prawo i Sprawiedliwość, auf Deutsch „Recht und Gerechtigkeit“); die als konservativ, europaskeptisch und rechtspopulistisch bezeichnet werden kann. In Kritik geraten ist PiS unter anderem durch den schleichenden Abbau der Rechtsstaatlichkeit in Polen unter ihrer Führung. Die EU-Kommission hatte deswegen bereits ein Verfahren gegen Polen eingeleitet, welches momentan jedoch stockt.

Von 2004 bis 2016 war Wojciechowski für PiS Mitglied des Europäischen Parlaments (MdEP) innerhalb der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR). In seiner Parlamentszeit war er über viele Jahre stellvertretender Vorsitzender des Agrarausschusses. Engagiert war er unter anderem zum Thema Tierschutz. Jedoch will er auch Tierhaltung durch gekoppelte Zahlung fördern; Zahlungen, die sich als Klimaschädlich erwiesen haben. Zudem stellte er sich klar gegen das Rechtsstaatlichkeitsverfahren der EU gegen Polen und bezeichnete dieses als scheinheilig und nicht gerechtfertigt.

In 2016 wurde Wojciechowski zum Mitglied des Europäischen Rechnungshofs ernannt, welcher die Ordnungsmäßigkeit der Ausgaben der EU überwacht. Nachdem der Rechnungshof den bisherigen Kommissionsvorschlag für die zukünftige GAP kritisiert hat und sich für ambitionierteren Umweltschutz ausgesprochen hat könnte dies als einen kleinen Hoffnungsschimmer für die Natur gesehen werden, sollte Wojciechowski Agrarkommissar werden. Jedoch als der konservative Politiker in 2016 für den Rechnungshof nominiert wurde haben mehrere MdEPs Bedenken darüber geäußert, ob er in der Lage sei unabhängige Urteile zu schließen. Das Europäische Parlament hat empfohlen, den polnischen Kandidaten abzulehnen. Jedoch ignorierte der Rat die Empfehlung und ernannte ihn zum Mitglied des Rechnungshofes.

Während seiner Zeit im Rechnungshof hat er aber auch folgendes gesagt:

„Eine Million Arten weltweit sind vom Aussterben bedroht, warnt ein aktueller internationaler Bericht. In der EU trägt die Landwirtschaft am meisten zum Verlust der biologischen Vielfalt bei.“

Immerhin wird hier das Artensterben anerkannt und die Landwirtschaft als ein Treiber dieser Entwicklung akzeptiert.

Zu seiner Nominierung als Agrarkommissar sagt  Wojciechowski, dass er die Position als Agrarkommissar sehr ernst nimmt. Laut Agrarnachrichtendienst topagrar zählt die GAP für Wojciechowski zu den wichtigsten Politikbereichen der EU, und sollte er Agrarkommissar werden, will er sich für langfristige Ziele über die Legislaturperiode hinaus stark machen. Ziele, die wirtschaftliche und ökologische Faktoren vereinigen sollen.

Wie positioniert sich Polen zur GAP (und Naturschutz)? 

EU-Kommissare sollen in der Regel unabhängig von den Interessen ihres Herkunftslandes für das Wohl der gesamten Gemeinschaft agieren. In der Praxis färbt die Position der jeweiligen Regierung im zuhause ab, vor allem wenn der Kommissar wie im Fall von Herrn Wojciechowski der Regierungspartei angehört. Deswegen lohnt es sich gerade bei der GAP, die bisherige polnische Position in der Debatte anzusehen.

Priorität hatte für die polnische Regierung vor allem die Beibehaltung der bisherigen 2-Säulenstruktur, einschließlich der bisherigen Direktzahlungen. Bei jenen wird ferner vor allem die sogenannte externe Konvergenz gefordert, d.h. die Anpassung des Zahlungsniveaus zwischen den EU-Staaten. Gegenüber dem Kommissionsvorschlag für den neue Förderperiode gibt man sich kritisch und möchte z.B. innerhalb der Konditionalität mehr Ausnahmen erreichen sowie eine Erhöhung der gekoppelten Förderung für die Tierhaltung. Dies sind zwei Punkte die aus Umweltsicht stark zu kritisieren sind.

Janusz Wojciechowski wurde ernannt, was können wir also erwarten?

Er wurde jetzt von Ursula von der Leyen als Agrarkommissar vorgestellt, aber noch hat er die Position nicht fest. Die Kandidaten müssen sich noch den entsprechenden Ausschüssen des Europaparlaments und ihren Fragen stellen; diese Anhörungen sind für die erste Oktoberhälfte geplant.  Danach muss das gesamte Kommissionsteam vom Europaparlament gewählt werden, welches für die Plenarsitzung vom 22-24 Oktober geplant ist. Sollte ein Kandidat die Ablehnung des Parlaments treffen, kann dieses damit drohen das gesamte Team von Ursula von der Leyen durchfallen zu lassen. In der Vergangenheit wurden solche Kandidaten vom designierten Kommissionspräsidenten ausgetauscht. Für Wojciechowski gefährlich könnten laufende Ermittlungen der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF werden, von welchen im Rahmen seiner Nominierung verstärkt berichtet wurden. Konkret geht es hier um fehlerhafte Reisekostenabrechnungen aus seiner Zeit als MdEP.

Als designierter Agrarkommissar ist Herr Wojciechowski‘s Absicht langfristigere Ziele zu setzen zwar versprechend, jedoch kommt es drauf an, was für Ziele genannt werden. Weiterhin neigt er dazu, die polnische Regierung zu verteidigen bezüglich des Themas Rechtsstaat. Das ist grade im Hinblick darauf, dass er später die EU-Länder kontrollieren soll bei der Einhaltung der Strategischen Pläne, besonders problematisch.

Was zu begrüßen ist: der EU-Agrarkommissar wird Frans Timmermans, designierter Vizepräsident der Kommission und Verantwortlicher für das „Green Deal„, untergeordnet. In einen Brief zu ihren designierten Agrarkommissar verdeutlicht Ursula von der Leyen ihre Prioritäten. Unter anderen „die Verhandlungen über eine moderne und vereinfachte Gemeinsame Agrarpolitik für die Zeit nach 2020 rasch abzuschließen. Die endgültige Vereinbarung muss ehrgeizig sein, was die Ernährungssicherheit sowie die Umwelt- und Klimaziele betrifft.“ Zudem betont sie die Förderung der biologischen Produktion sowie auch die Reduzierung von Pestiziden, Düngemitteln und Chemikalien.

Die Zukunft der GAP ist noch sehr ungewiss. Sollte Herr Wojciechowski die Leitung der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung übernehmen, wird es sich mit der Zeit ergeben, welchen Effekt dies auf Natur- und Klimaschutz sowie auch die Lebensgrundlage der EU-Landwirte haben wird.

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

 

1 Kommentar

Erdbürger

13.09.2019, 13:54

Deprimierende Neuigkeiten Wenn Herr Wojciechowski nicht im Sinne der Partei kuscht, werden sie ihn wahrscheinlich zurück beordern. Haben sie ja schon mal versucht mit Donald Tusk. Unter Druck setzt das allemal. Es wurde auch von einem führenden Politker der Partei Polemik gegen vegan lebende Menschen betrieben. Für ein so wichtiges Amt, dessen Entscheidungen sich nachweislich auch über das Wohlergehen unseres Planeten und der Lebewesen auf ihm auswirken, hätte ich eine Wahl für einen neutraleren Poliruker besser gefunden. Den starken Druck der erdzerstörenden Agrar-Lobby aushalten zu müssen reicht eigentlich schon als Belastung, Herr Wojciechowski bekommt den Partei-Druck noch oben drauf! Keine schönen Nachrichten....

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