NABU-GAP-Ticker: Kommission veröffentlicht in aller Stille Studie zum Klimaschutz innerhalb der GAP

31. Mai 2019. Inmitten der Berichterstattung über die Europawahlen veröffentlichte die Europäische Kommission am Montag unauffällig eine Studie, welche den Beitrag der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zum Klimaschutz untersuchte. Warum diesen Bericht zu einem Zeitpunkt veröffentlichen, an dem er wahrscheinlich unter den Nachrichten über die Europawahlen begraben wird? Über die Gründe kann man spekulieren, aber eventuell liegt es daran, dass der Text für die traditionell konservative Generaldirektion für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (DG AGRI) einige unbequeme Wahrheiten ans Licht bringt.

Von DG AGRI schon 2017 in Auftrag gegeben und von externen Beratern durchgeführt, sollte der Bericht im Sommer 2018 fertiggestellt werden (eine Übersicht des Zeitplans ist hier zu finden). Jedoch verschwand das fertige Dokument zunächst in einer Schublade der Kommission. Erst als der WWF offiziell die Herausgabe verlangte, wurde die Kommission gezwungen zu reagieren.

Und was sind das für potenziell unbequeme Wahrheiten, die in dem Bericht offenbart werden? Folgende Aussagen werden von den Autoren getroffen:

  1. Die Notwendigkeit, die Emissionen von Treibhausgasen (THG) aus der Landwirtschaft (ob Tierhaltung oder Ackerbau) zu reduzieren, wird in der bisherigen GAP nicht ausreichend berücksichtigt. Die gegenwärtige Agrarpolitik macht es für die Mitgliedstaaten schwer, von den Landwirten konkrete THG-Einsparungen zu verlangen,
  2. Es gibt zwar das generelle Ziel in der GAP zum Klimaschutz beizutragen, aber es fehlen messbare Zielmarken,
  3. Die an die Produktion gekoppelten Direktzahlungen leisten einen aktiven Beitrag zur Erhöhung von THG-Emissionen in der Landwirtschaft, da solche Zahlungen oft direkt in die Tierhaltung fließen und zur Erhöhung des Viehbestandes beiträgt,
  4. Der Klimaschutzeffekt von entkoppelten, flächenbasierten Direktzahlungen dürfte eher gering sein. Die bewirtschaftete Fläche nimmt durch sie zu, aber dies kann aber sowohl positive oder negative Effekte für das Klima haben. Der genaue Effekt ist aber schwer zu quantifizieren,
  5. Den Hauptbeitrag zum Klimaschutz leistet die GAP über Maßnahmen, die den Humusaufbau im Boden fördern, v.a. die ökologischen Vorrangflächen sowie den Schutz von sensitivem Dauergrünland im Rahmen des Greenings, wo Pflügen verboten ist. Bestimmte Maßnahmen in der zweiten Säule (zur Entwicklung des ländlichen Raums) tragen ebenfalls signifikant zum Klimaschutz bei,
  6. Größte Einschränkung ist der Mangel an Daten beim Dauergrünlandschutz. Um dessen Beitrag zum Klimaschutz zu berechnen, müsste man wissen wie oft und welche Fläche an Dauergrünland von Landwirten gepflügt wird. Die Daten hierzu werden jedoch nicht erhoben,
  7. Die Analyse deutet darauf hin, dass ohne die im Punkt 5 genannten GAP-Maßnahmen die landwirtschaftlichen Emissionen der EU im Jahr 2016 um 26,2 Millionen Tonnen (CO2 äquivalent pro Jahr) höher wären. 26,2 Mio. Tonnen entspricht ca. 6% der landwirtschaftlichen Emissionen der EU in diesem Jahr.

Daraus leiten die externen Berater folgende Handlungsempfehlungen ab:

  1. Die Konditionalität in der neuen GAP muss ein starkes Basisniveau einführen, welches von den Landwirten konkrete Klimaschutzmaßnahmen verlangt,
  2. Die nationalen Strategiepläne müssen zeigen wie sie konkret zu THG-Minimierung und Anpassung des Sektors an den Klimawandel beitragen,
  3. Es muss ein stärkerer Fokus vor allem auf die Tierhaltung gelegt werden, welche bisher nicht gezielt durch die GAP-Maßnahmen angesprochen wird,
  4. Landwirte, die an Eco-Schemes sowie Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen teilnehmen, müssen Zugang zu qualifizierten Beratungsdiensten haben, und
  5. Datenlücken wie etwa zum Pflügen von Dauergrünland müssen geschlossen werden.

Unter dem Strich sagt der Bericht aus, dass die GAP zwar bestimmte Maßnahmen anbietet, die dazu beitragen Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft zu reduzieren. Jedoch beinhaltet die Agrarpolitik immer noch Formen von Subventionen, die eindeutig klimaschädlich sind (z.B. die gekoppelten Zahlungen). Andere für den Klimaschutz relevante Bereiche wie die Tierhaltung werden zudem nicht ausreichend angesprochen durch die GAP.

Auch in der gegenwärtigen Reform werden manche der im Bericht genannten Fehler in der Konstruktion der GAP wiederholt. Zwar enthält die GAP das allgemeine Ziel, den Klimaschutz im Agrarbereich voranzutreiben. Aber auch im neuen Kommissionvorschlag fehlen wieder konkrete Zielmarken für eine Reduktion des Treibhausgasausstoßes. Und auch die bisherige Diskussion in Rat und Parlament lässt in diesem Bereich ausreichende Ambitionen vermissen.

Bei den Europawahlen am vergangen Sonntag war der Klimaschutz ein wahlentscheidendes Thema. Politische Entscheidungsträger können es sich nicht mehr leisten, dieses zu ignorieren. Seit Monaten finden im Europäischen Parlament und unter den EU-Agrarministern Diskussionen und Verhandlungen zur nächsten GAP statt, wobei Natur- und Klimaschutz mitunter Diskussionsthemen sind. Und seit Monaten sitzt die Kommission auf einem unveröffentlichten Bericht, der mehr Klarheit in die Diskussionen hätte bringen können. Hier hat die Kommission nicht nur Informationen zurück gehalten, sondern ist auch ihrer Verantwortung gegenüber einer Gesellschaft, die mehr Natur- und Klimaschutz will, nicht gerecht geworden. Lippenbekenntnisse werden nicht mehr toleriert; es ist an der Zeit, den Klimaschutz in konkrete Ziele und wirksame Maßnahmen umzuwandeln.

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

 

2 Kommentare

Ute Hasenbein

31.05.2019, 18:06

Die Anforderungen aus der Studie an die GAP sind klar, der Wählerwille wurde deutlich bekundet. Aber solange es niemanden gibt, der Ruckwied, Deß und Konsorten auf die Finger haut, habe ich wenig Hoffnung, dass sich etwas zum Besseren ändert. Warum ist es auf EU-Ebene nicht möglich, wie beispielsweise auf kommunaler Ebene, wegen Befangenheit (diese ist bei vorgenannten Personen ja überdeutlich) sich bei Abstimmungen enthalten zu müssen? Es ist ein Unding, wie hier manipuliert, Fakten vorenthalten und im Sinne der Lobby gesteuert und beeinflusst wird! Wie ist so etwas möglich und wie bzw. durch wen kann ein solches Gebaren unterbunden werden? Ich bin so weit, dass ich diese unverantwortliche und kriminelle Vorgehensweise als Gesundheitsschädigung mit Todesfolge in XXX Fällen bezeichne möchte.

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Karin Pohl

01.06.2019, 09:45

Mir fehlen Maßnahmen zur extensiven Bearbeitung von Grünland. Früher gab es ein Programm wo jeder Bauer, der frühestens Mitte Juli zum ersten Mal mähte, Subventionen erhielt. Ich finde das sehr sinnvoll, denn dann haben alle Blumen geblüht und gesät, die Lerchen ihre Kinder großgezogen und kein Rehkitz wird geschreddert. Warum wurde das klammheimlich abgeschafft? Es bot gerade hier in unserer Bergregion den kleinen Bauern ein zusätzliches Einkommen. Es gäbe so viele kleine Schritte um von der Großflächenförderung runter zu kommen.

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