NABU-GAP-Ticker: Die neuen Prioritäten der Finnischen Ratspräsidentschaft

11. Juli 2019. „Vernünftig, gerecht und stark“ – so möchte Finnland die EU Ratspräsidentschaft in den kommenden sechs Monaten führen. Das Nordeuropäische Land übernahm die Ratspräsidentschaft letzte Woche und präsentierte sein Programm, welches den vielversprechenden Titel „Sustainable Europe – Sustainable Future“ trägt, zu deutsch „ein nachhaltiges Europa, eine nachhaltige Zukunft“. Dahinter verbergen sich folgende Prioritäten:

  • die Stärkung der gemeinsamen Werte und des Rechtsstaatlichkeitsprinzips
  • eine wettbewerbsfähigere und sozial inklusivere Union
  • die Stärkung der EU als Vorkämpfer für den Klimaschutz
  • die Gewährleistung umfassender Sicherheit für alle Europäerinnen und Europäer

Klimawandel wird also ganz groß geschrieben und Finnland möchte die EU zum Vorreiter machen. Damit reagiert das Land auf die Protestbewegungen der jungen Menschen in den letzten Monaten, auf die Wahlergebnisse der Europawahlen und auf gesellschaftliche Erwartungen insgesamt.

Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, wird die finnische Ratspräsidentschaft übrigens, statt Geschenke für die Gäste zu kaufen, CO2-Kompensationen für deren Flüge zu den Ratstreffen bezahlen. Eine gute Idee!

Wie wirken sich die neuen Prioritäten auf die Verhandlungen zur GAP aus?

Den Finnen scheint bewusst zu sein, dass die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ein wichtiger Hebel ist, um der Klima- und Biodiversitätskrise entgegen zu wirken:

„Wir setzen uns für eine Gemeinsame Agrarpolitik ein, in der der Klimawandel stärker berücksichtigt wird. Wir bringen Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt sowie zur nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und Gewährleistung des Tierwohls voran“, so steht es in dem Dokument.

Es ist begrüßenswert, dass die finnische Ratspräsidentschaft die Zeichen der Zeit erkannt hat und sich bemüht, Umweltbelange noch zentraler auf die Agenda zu bringen. Die Wahlergebnisse der Parlamentswahlen im April haben sicherlich ihren Teil dazu beigetragen – die finnischen Grünen sowie die Sozialdemokraten und Linke hatten deutliche Zugewinne verzeichnen können, Rechtspopulisten und Konservative waren mit den Sozialdemokraten aber fast gleichauf und wurden zweit- und drittstärkste Kraft.

Passend zu ihren Prioritäten hatte die Finnische Ratspräsidentschaft bereits angekündigt, dass es in den kommenden Monaten in erster Linie um die Grüne Architektur und das neue Leistungsmodell der GAP gehen soll (mehr Informationen hier). Über das Special Committee on Agriculture (SCA) sollen auf Arbeitsebene die noch offenen Punkte geregelt werden.

In der ersten Sitzung des Agrarrates nächste Woche (15. Juli) steht entsprechend die Rolle der GAP beim Erreichen von Umwelt- und Klimazielen auf der Tagesordnung. Dazu wurden folgende Fragen vorbereitet (gesamtes Dokument hier):

  1. Welche Elemente der Kommissionsvorschläge für die GAP nach 2020 sind Ihrer Ansicht nach entscheidend, um die ehrgeizigeren Umwelt-und Klimaziele zu erreichen?
  2. Sind Ihrer Ansicht nach im Hinblick auf die Formulierungsvorschläge des österreichischen und des rumänischen Vorsitzes bestimmte Verbesserungen notwendig, um unter Berücksichtigung von Vereinfachung, Machbarkeit für die Landwirte und Unterschiede der örtlichen Gegebenheiten die ehrgeizigeren Umwelt-und Klimaziele zu erreichen?

Ist nun endlich Schluss mit Rück- und Trippelschritten?

An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass der Agrarrat in den letzten Monaten den aus Umweltsicht ohnehin schwachen Kommissionsvorschlag zur GAP immer weiter verwässert hatte – beispielsweise durch die Forderung nach freiwillige statt verpflichtenden Eco-Schemes für die Mitgliedstaaten sowie Einschränkungen in der Konditionalität.

Wenn wir den Klimawandel und das Artensterben stoppen wollen, muss jetzt ganz entschieden umgesteuert werden – für weitere Trippelschritte fehlt die Zeit. Grundlegende Veränderungen sind nötig, so müssten die umweltschädlichen Zahlungen (insbesondere Direktzahlungen und gekoppelte Zahlungen) endlich abgeschafft bzw. eine Übergangsphase eingeläutet werden und neben dem Ausbau von Umwelt- und Klimamaßnahmen mehr Geld (mindestens 15 Milliarden Euro pro Jahr) für Biodiversitätsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden.

Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob Finnland in der Lage sein wird, die nötigen Veränderungen einzuleiten. So hatte sich der finnische Agrarminister Jari Leppä in der Vergangenheit alles andere als progressiv gezeigt. Und selbst wenn er nach Informationen von POLITICO die Möglichkeit nicht ausschließt, dass der neue Agrarausschuss des Parlaments die abgestimmten Änderungsanträge vom April noch einmal öffnen und auf den Kopf stellen wird, hofft er, dass dies nicht passieren wird.

Um die GAP zukunftsfähig zu machen und Umwelt- und Klimaziele zu erreichen, wäre das Öffnen der Änderungsanträge des Agrarausschusses das Mindeste, was getan werden kann. Ein Nachbessern der Kommission an ihrem Vorschlag wäre aber sinnvoller, um die grundlegenden Veränderungen zu erreichen, die die Gesellschaft fordert. Mehr zu den möglichen GAP-Verfahren findet sich hier.

Der MFR sollte sich streng nach den neuen Prioritäten der EU richten

Ein wichtiges Instrument für die GAP ist auch der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR), den Finnland noch bis Ende des Jahres abschließen möchte – eine Frist, die sich nicht nur aufgrund des ungeklärten Brexits als schwierig oder sogar unmöglich erweisen wird. Der MFR muss die neuen Prioritäten auf der Agenda der Europäischen Union berücksichtigen, welche von den EU Staats- und Regierungschefs am 20./21. Juni festgelegt wurden:

  • Schutz der Bürgerinnen und Bürger und der Freiheiten
  • Entwicklung einer soliden und dynamischen wirtschaftlichen Basis
  • Verwirklichung eines klimaneutralen, grünen, fairen und sozialen Europas
  • Förderung der Interessen und Werte Europas in der Welt.

Ähnlich wie bei den finnischen Prioritäten, wird auch hier auf die Landwirtschaft und dem Erhalt der biologischen Vielfalt eingegangen:

„[…]Parallel dazu müssen wir […] eine nachhaltige Landwirtschaft fördern, die von entscheidender Bedeutung ist, wenn es darum geht, die Lebensmittelsicherheit zu garantieren und günstige Bedingungen für eine hochwertige Erzeugung zu schaffen. Wir werden uns an die Spitze der Bemühungen zur Bekämpfung des Verlusts an biologischer Vielfalt und zur Erhaltung der Ökosysteme, einschließlich der Ozeane, stellen.“

Werden die europäischen Rats- und Regierungschefs und der Agrarrat sich diese Ziele wirklich zu Herzen nehmen und in der GAP entsprechend handeln? Dass sie beim Euro Gipfel im Juni trotz gesellschaftlichem Druck letztlich nicht in der Lage waren, sich auf das Ziel einer klimaneutralen EU bis 2050 zu einigen, macht leider wenig Hoffnung.

Aber: Der Wind scheint sich zumindest ein wenig zu drehen. Man darf nun erst einmal gespannt sein, wie Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten auf die neuen Prioritäten aus Finnland und der EU beim nächsten Agrarrat reagieren. Wir werden zeitnah darüber berichten!

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

 

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