NABU-GAP-Ticker: Alles auf Anfang – wie geht es mit der GAP weiter nach der Wahl?

14. Juni 2019. Die Europawahl hat eine deutliche Veränderung des Machgefüges im Europäischen Parlament mit sich gebracht. Die inoffizielle große Koalition aus Sozialisten und Konservativen hat zum ersten Mal in der Geschichte der EU keine eigene Mehrheit mehr, während das Thema Umwelt- und Naturschutz bei dieser Wahl so präsent war wie nie. Auch für die bereits begonnene inhaltliche Arbeit des Parlaments hat die Wahl einen disruptiven Charakter. Das betrifft eine Reihe von Gesetzesvorhaben, die bisher noch nicht abgeschlossen wurden und ein besonders prominentes Beispiel ist die GAP. Jetzt, wenn die neugewählten Abgeordneten langsam ihre Büros beziehen und ab Juli offiziell die Arbeit aufnehmen, stellt sich die Frage: Wie geht es weiter mit der bisher geleisteten parlamentarischen Arbeit zur GAP?

Im Februar hatten der Umwelt- und im April der Agrarausschuss ihre Stellungnahmen abgegeben. Diese hätten anschließend dem Plenum vorgelegt werden müssen – aufgrund der Europawahl kam es jedoch nicht mehr dazu. Entsprechend der Geschäftsordnung des Parlaments wären Plenarbeschlüsse des alten Parlaments bindend. Die bisherige Arbeit auf Ausschussebene ist dagegen nach der Wahl zunächst einmal null und nichtig.

Neustart oder „Weiter so“?

Dass die neuen Abgeordneten nun von vorne anfangen müssen ist damit jedoch nicht gesetzt. Grundsätzlich liegt die Entscheidung, wie mit der GAP weiter verfahren werden soll, zunächst wieder beim Agrarausschuss. Dieser hat drei Optionen:

  1. Mit neuen Änderungsanträgen zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag die Arbeit komplett neu beginnen.
  2. Die Arbeit des vorherigen Parlaments direkt ins Plenum tragen und dort zur Abstimmung bringen.
  3. Den Bericht des Agrarausschusses öffnen und neue Kompromisse verhandeln, die dann dem Plenum vorgelegt werden.

Die Agrarsprecher der politischen Gruppen werden vermutlich Ende Juli zum ersten Mal über diese Frage beraten. Spätestens in der Woche nach der Sommerpause kann man mit einer Entscheidung rechnen, welche an das Präsidium des Parlaments weitergeleitet wird. Dieses sammelt die Rückmeldungen aller Ausschüsse und wird vermutlich in der zweiten Septemberhälfte seine Entscheidung fällen, wobei zu erwarten ist, dass den Wünschen der Ausschüsse entsprochen wird. Der Umweltausschuss, der sich in der vergangenen Legislaturperiode weitreichende Mitspracherechte im Bezug auf die GAP sichern konnte, ist in dieser Entscheidung zunächst außen vor. Sollte sich der Agrarausschuss jedoch für Option zwei oder drei entscheiden würden der Bericht sowie die besonderen Rechte des Umweltausschusses wieder in Kraft gesetzt. Bei Option eins würde dagegen der Streit um die Kompetenzen des Umweltausschusses neu beginnen.

Was heißt das für den Zeitplan?

Wie der Agrarausschuss sich entscheiden wird ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar. Zum einen ist die Besetzung noch nicht entschieden, wir wissen also nicht, welche Abgeordnete am Steuer sitzen werden.

Es ist jedoch sicher, dass viele neue Abgeordnete ihren Weg in den Agrarausschuss finden werden. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Berichte des alten Parlaments direkt ins Plenum durchgewunken werden, da anzunehmen ist, dass die neuen Abgeordneten inhaltlich Einfluss nehmen möchten. Ein kompletter Neustart auf Ausschussebene bedeutet andererseits, dass ein pünktlicher Start der neuen GAP 2021 endgültig Geschichte ist. Ausgehend von der Erfahrung mit dem bisherigen Prozess,  dürfte die Diskussion um Änderungsanträge und Kompromisse sowie die Abstimmung wieder mindestens neun Monate in Anspruch nehmen. Dann wäre nicht mal gesichert, dass das EP überhaupt 2020 noch zu einer Plenarabstimmung kommen wird. Dieses Szenario könnte für die Abgeordneten abschreckend wirken, da sie sich wohl nicht den schwarzen Peter zuschieben lassen möchten für eine derartige Verzögerung der Reform.

Gut möglich, dass der Weg durch die Mitte gewählt wird. Aber auch hier dürften weitere Verzögerungen vorprogrammiert sein. Sollte die inhaltliche Arbeit an neuen Kompromissen im Ausschuss erst Ende September starten, wäre eine Einigung wohl erst zum Ende des Jahres zu erwarten. Im letzten Parlament hatte die Kompromissfindungsphase ausgehend von den einzelnen Änderungsanträgen drei Monate in Anspruch genommen und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es dieses Mal schneller geht. In dem Fall dürfte die Abstimmung im Plenum frühestens im Februar oder März 2020 stattfinden.

Das Wahlergebnis ernst nehmen

Wie auch immer die Verhandlungen weitergehen: Es bleibt zu hoffen, dass das Wahlergebnis sich in konkrete Verbesserungen für Umwelt- und Natur innerhalb der GAP übersetzt. Mit den erwarteten Verzögerungen steigt auch der Druck auf die Europäische Kommission, ihre Vorstellungen darzulegen, wie es mit der GAP nach 2020 und bis zur Verabschiedung des neuen Förderungssystems weitergehen soll. Eine Übergangsregelung ist daher unumgänglich und diese muss erste Impulse für einen Umbau des Fördersystems setzen. Auch könnte sich die Kommission das Wahlergebnis und den Wunsch der Bürger nach einer nachhaltigen Agrarpolitik zu Herzen nehmen und den ursprünglichen Vorschlag an den entscheidenden Stellen nachbessern. Beides wäre ein erster Schritt, die inzwischen völlig verkorkste Reform wieder auf die richtige Spur zu setzen.

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

 

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