NABU-GAP-Ticker: EP-Agrarausschuss kompromisslos gegen Natur und Umwelt

26. März 2019. Nach der Abstimmung im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments steht am 2. April die nächste wichtige Entscheidung im Agrarausschuss an, welche auch die letzte Abstimmung zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Brüssel vor der Europawahl sein wird. Fast 6000 Änderungsanträge (hier öffentlich einsehbar) hatten die Abgeordneten im Dezember eingereicht. Eine Abstimmung über jeden einzelnen dieser Anträge würde jedoch Tage dauern und zu keinem kohärenten Ergebnis führen. Daher ist es üblich, dass die Schattenberichterstatter der politischen Parteien im Vorfeld über Kompromisstexte verhandeln, welche mehrere Anträge zusammenführen. Zunächst wird dann über diese Kompromisse abgestimmt und nur falls diese abgelehnt werden, wird auf die einzelnen Änderungsanträge zurückgegriffen.

Prinzip Freiwilligkeit und Auflösung der Konditionalität

Wie interne Dokumente nun zeigen, ist es mit der Kompromiss- und vor allem der Reformbereitschaft bei den konservativen und den liberalen Abgeordneten im Ausschuss jedoch nicht weit her. Die Formulierungen, die vor allem von diesen beiden Gruppen getragen werden, sehen eine massive Zerstückelung der Konditionalität vor. Die ökologischen Vorrangflächen sollen abgeschafft werden und der Schutz von Dauergrünland erst nach sieben statt wie bisher fünf Jahren greifen. Beschnitten werden zudem der Schutz von Moorböden und Feuchtgebieten sowie der besondere Schutz von Grünland in Natura 2000 Gebieten. Die Mitgliedstaaten bekommen zudem weitere Instrumente in die Hand gedrückt, um das, was noch übrig ist, weiter auszuhöhlen. So dürfen sie selbst Auflagen entwickeln, die sie als äquivalent ansehen und welche die EU-Vorgaben ersetzen. Dieses Instrument wurde bereits in der Vergangenheit missbräuchlich verwendet und es gibt keinen Grund zur Hoffnung, dass dies in Zukunft anders laufen wird (hier mehr zur Konditionalität).

Als Ausgleich wird in den Kompromisstexten eine Zweckbindung für die Eco-Schemes von mindestens 20% der ersten Säule vorgeschlagen. Diese ersetzt jedoch den umweltpolitischen Kahlschlag der Konditionalität in keinster Weise und liegt sogar noch unter den 30%, die heute bereits in der ersten Säule für das sog. Greening vorgesehen sind. Gleichzeitig wird mit mindestens 60% der Löwenanteil der ersten Säule für die bisherigen Direktzahlungen reserviert. Dies würde jede höhere Ambition von Mitgliedstaaten unterbinden und ist das genaue Gegenteil zu den Empfehlungen von Wissenschaftlern und Experten, wie etwa dem Europäischen Rechnungshof. Dieser hatte noch im November an den Kommissionsvorschlägen kritisiert, dass die Datenbasis für die Notwendigkeit der pauschalen Direktzahlungen sehr dürftig ist, im Gegensatz zum Handlungsbedarf im Umweltschutz.

Vor allem die ALDE Gruppe im Agrarausschuss unter der Führung des Niederländers Jan Huitema (VVD) hatte sich für die Verschiebung von Auflagen aus der Konditionalität in die Eco-Schemes stark gemacht. Als Argument wird vorgebracht, dass die Freiwilligkeit der Eco-Schemes und deren Stärkung den Umweltschutz verbessern werden. Leider ist auch hier das Gegenteil der Fall. Um die pauschalen Direktzahlungen zu erhalten, müssten Landwirte deutlich weniger Auflagen erfüllen. Anstatt sog. dunkelgrüne Maßnahmen zu vergüten, würde das Geld aus den Eco-Schemes dann verwendet, um die entstandene Lücke in der Konditionalität auszugleichen.

Spaltung zwischen deutschen Abgeordneten

Die obigen Punkte passen sehr gut ins Weltbild von einigen deutschen EU-Abgeordneten, allen voran Peter Jahr (CDU) und Albert Deß (CSU). Ausgehend von den eingebrachten Änderungsanträgen lässt sich klar sagen, dass diese generell eine stärkere Ausrichtung der GAP auf mehr Umweltschutz verhindern möchten. So fordern sie die Abschaffung der Eco-Schemes in der ersten Säule und deren Verschiebung in die Zweite. Angesichts der überproportionalen Budgetkürzung in der zweiten Säule würde dies eine noch weitere Verschlechterung der Naturschutzfinanzierung gegenüber dem Kommissionsvorschlag bedeuten. Als Alternative schlagen sie vor, Einhaltung von gesetzlichen und anderen Mindeststandards, die Teil der Konditionalität sind, zusätzlich über die Eco-Schemes zu vergüten. Dies steht im kompletten Gegensatz zum Prinzip öffentliches Geld für öffentliche Leistungen. Nach der gleichen Logik könnte ein Autofahrer Geld dafür verlangen, dass er an der roten Ampel tatsächlich anhält.

Noch ist nichts verloren und es gibt auch im Agrarausschuss progressive Kräfte, die sich für eine stärkere Orientierung der GAP am Gemeinwohl einsetzen. Positiv zu nennen sind u.a. Änderungsanträge von Maria Noichl (SPD), welche 50% beider Säulen für den Umwelt- und Naturschutz zweckbinden. Ein weiterer Antrag soll Interessenkonflikte von Entscheidungsträgern im Zusammenhang mit der Mittelvergabe aus der GAP vermeiden. Zu nennen sind auch Anträge von den Abgeordneten Martin Häusling und Maria Heubuch (Grüne), die ein langsames Abschmelzen der bisherigen pauschalen Direktzahlungen anstreben und die frei gewordenen Mittel für eine Neuausrichtung des Agrarsektors einsetzen sollen.

Die Abgeordneten des Agrarausschusses haben am kommenden Dienstag die Wahl. Sie können dem Beispiel des Umweltausschusses folgen und sich für eine nachhaltige Neuausrichtung der EU- Agrarpolitik einsetzen. Oder sie entscheiden sich für eine unverantwortliche Politik, die weiter den Kollaps von Insekten- und Vogelpopulationen anheizt, dem Höfesterben nichts entgegensetzt und die Zukunft der kommenden Generationen verheizt. Dann schwindet die Aktzeptanz der Gesellschaft für die milliardenschweren Agrarsubventionen jedoch weiter und  niemand braucht sich zu wundern, wenn bei weiteren Budgetkürzungen der Agrarsektor erneut ganz oben auf der Streichliste steht.

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

 

1 Kommentar

Ute Hasenbein

26.03.2019, 16:30

Die aktuellen Ausführungen zum Verhandlungsstand zeigen deutlich die Selbstbedienungsladen-Mentalität der Lobby-Getriebenen. Es ist zum Verzweifeln! Eine vor drei Tagen auf dem Sender arte ausgestrahlte Dokumentation zeigt Wege auf und verdeutlicht die Probleme der willigen Landwirte - dies sollten sich die Abgeordneten unbedingt noch vor dem 02. April ansehen und bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen. https://www.arte.tv/de/videos/079393-000-A/wie-schaffen-wir-die-agrarwende/ Gerne hätte ich diesen Hinweis im Rahmen der NABU-Initiative für Insekten und Vögel an die Abgeordneten des EU-Agrarausschusses geschickt. Da ich aber bereits vor einigen Tagen meinen Kommentar abgegeben hatte, ist mir dieser Weg für eine zweite Nachricht verwehrt. Vielleicht haben Sie, Herr Prescher, die Möglickeit? Im Namen einer interessierten Bürgerin / Wählerin / Steuerzahlerin? Vielen Dank für den Fall, dass Sie das möglich machen können!

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