NABU-Agrar-Blog: Teil 1 Policy Briefing: Moor- und Feuchtgebiete in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)

 

 

Der NABU-Dachverband Birdlife International (BL) hat zusammen mit dem European Environmental Bureau (EEB) eine Analyse einiger Nationaler Strategiepläne (NSP) der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2023 zu ausgesuchten Themen erarbeitet. Wir wollen diese in unserem NABU-Agrar-Blog nach und nach vorstellen und in den politischen Kontext auf deutscher Ebene einordnen. Anfangen werden wir mit dem Themenschwerpunkt „Moor- und Feuchtgebiete“.  Das „Policy Briefing“ von BL und EEB stellt in seiner umfassenden Bewertung der NSPs fest, dass in der Reform der GAP viel zu wenig Maßnahmen und Gelder für ausreichenden Moor- und Feuchtgebietsschutz vorhanden sind. Denn entwässerte und landwirtschaftlich genutzte Moore emittieren große Mengen an Treibhausgasen und tragen zu etwa vier bis fünf Prozent der Gesamtemissionen der EU bei. Die GAP soll durch die anstehende Reform grüner werden – doch die Klimaschutzambitionen bleiben weit hinter den Möglichkeiten zurück. Dies mahnt auch die Europäische Kommission in ihrem „Observation letter“ an und fordert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf, gerade in diesem Bereich strengere Maßnahmen zu etablieren.

Situation der Moorbewirtschaftung in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU

In der Reform der GAP ist Moorschutz vor allem über den GLÖZ 2 (Guter Ökologischer und landwirtschaftlicher Zustand) Standard der Konditionalität möglich. Die neun GLÖZ-Standards sind  Voraussetzung für den Erhalt der EU-Agrarsubventionen. Weiterhin ist es über freiwillige Instrumente der neuen grünen Architektur, den Ökoregelungen und den Agrarumweltmaßnahmen (AUKM), ebenfalls möglich, Anreize für eine klimaschonende Bewirtschaftung von Moor- und Feuchtgebieten zu setzen.

Die Auswertung von BL und dem EEB fällt in beiden Bereichen sehr ernüchternd aus. GLÖZ 2 zum Schutz von Moor- und Feuchtgebieten ist in allen sieben untersuchten Mitgliedsstaaten wenig ambitioniert ausgestaltet. Eine weitere Entwässerung wird bestenfalls eingeschränkt. Zum Erhalt des Kohlenstoffspeichers ist eine weitere Entwässerung jedoch nicht mehr zeitgemäß. Nur acht Mitgliedsstaaten setzen den neuen Standard überhaupt schon ab 2023 um, 14 Staaten verschieben den Beginn um ein oder sogar zwei Jahre. Die EU hatte diese Ausnahmen zuvor möglich gemacht. Der Schutz von Mooren kann allerdings nicht schnell genug gehen. Jedes Jahr gehen in der EU 220 Mt CO2-Äquvalente aus genutzten Mooren in die Atmosphäre.

Auch im Bereich der freiwilligen Maßnahmen fällt die Bewertung schlecht aus. Hier wird festgestellt: Keiner der untersuchten moorreichen Mitgliedstaaten sieht Ökoregelungen oder AUKM für die Bewirtschaftung von Moorflächen mit erhöhten Wasserständen, wie Paludikulturen, oder Wiedervernässung vor. In einigen Ländern wie Dänemark und Deutschland gibt es Maßnahmen, die einen dauerhafte Umwandung von Acker in Grünland und deren Wiedervernässung fördern. In Schweden soll die Moorrenaturierung ab 2023 mit höheren finanziellen Mitteln ausgestattet werden als bisher. In Irland wird eine extensive Bewirtschaftung unter hohen Wasserständen unterstützt. Es ist positiv zu bewerten, dass einzelne Mitgliedstaaten Maßnahmen erarbeitet haben. Diese sind jedoch weder ökologisch noch finanziell ausreichend programmiert.

Die Auswertung stellt klar, dass das Potential der GAP, einen effektiven und koordinierten Moorschutz auf EU-Ebene umzusetzen, nicht ausgeschöpft wurde.  Eine verpasste Chance, denn der Einspareffekt wäre groß, es wären nur wenige Betriebe betroffen und die Kosten wären gering.

© NABU/Marc Scharping: Torfmoose wachsen in Mooren

Situation in Deutschland

In Deutschland bedeutet der GLÖZ 2 Standard lediglich, dass eine weitere Entwässerung der Flächen beantragt werden muss und dass der Boden nicht tiefer als 30cm bearbeitet werden darf. 30cm ist die gängige Pflugtiefe.

Dieses geht der Europäischen Kommission aber nicht weit genug. Sie fordert Deutschland nun dazu auf, hier nochmal nachzuschärfen und eine weitere Entwässerung in der erarbeiteten Kulissen gänzlich zu untersagen. Auch empfiehlt sie, die Bearbeitungstiefe zu reduzieren, sodass der Einsatz des Pflugs nicht mehr möglich ist. Dadurch könnte der Verlust von Kohlenstoff eingeschränkt werden.

Weiterhin ist es über die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der zweiten Säule der GAP möglich, zusätzliche Maßnahmen und Fördergelder für Moorschutzmaßnahmen zu beantragen. Drei Bundesländer bieten Maßnahmen zur Wiedervernässung an und zwei für Paludikulturen.

Das Klimaschutzgesetz besagt, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein wird – um das zu erreichen, müssen der noch in Mooren gebundene Kohlenstoff dort verbleiben und gleichzeitig potentielle Senken (Wälder, Moore, Grünland) aktiviert werden. Die Bundesregierung plant über die im letzten Jahr beschlossene Moorschutzstrategie etwa 320 Mio Euro bis 2025 dafür zur Verfügung zu stellen.

Doch welche Perspektive haben Betriebe, die aktuell auf trocken gelegten Mooren wirtschaften?

Das ist tatsächlich ein kniffeliges Thema. Wenn das Moor als Speicher geschützt werden soll, muss das Wasser den größten Teil des Jahres „über Flur“ stehen. Das heißt, eine normale ackerbauliche Nutzung ist ausgeschlossen. Eine Alternative, die momentan heiß diskutiert wird, ist die Nutzung von wiedervernässten Standorten in Kombination mit Photovoltaikanlagen. Das Klima würde hier doppelt gewinnen –gespeicherter Kohlenstoff bliebe im Boden und gleichzeitig würde erneuerbarer Strom produziert. Auch für die Biodiversität ist mit einer Aufwertung der Flächen zu rechnen, da das Moor unter der PV-Anlage weitestgehend renaturiert würde.

Eine andere Möglichkeit ist der Anbau von Paludikulturen. Hier wird das Wasser bis auf 10-20 cm unter Flur angestaut, sodass eine Bewirtschaftung noch möglich ist. Paludikulturen kann die Haltung von Weidetieren sein, die mit nassen Füßen zurechtkommen (z.B. Wasserbüffel oder Hirsche) oder z.B. der Anbau von Schilf, Rohrkolben, Rohrglanzgras aber auch Torfmoosen. Hier bestehen jedoch vielfältige Herausforderungen: 1. Es werden andere Maschinen benötigt, um den nassen Boden befahren zu können. 2. Es bestehen bisher keine Verarbeitungsbetriebe für die angebauten Kulturen in Deutschland, d.h. es gibt bislang keine Wertschöpfungsketten. 3. Für die Landwirt*innen bedeutet das eine komplette Umstellung ihrer bisherigen Bewirtschaftungsweise.

Was ist jetzt nötig?

Klar ist, um unsere Klimaschutzziele und die Verpflichtungen aus dem LULUCF-Sektor einzuhalten, brauchen wir einen effektiven Moorschutz. Doch was können wir unserer Landwirtschaft abverlangen? Die Politik muss hier einen guten Weg finden und landwirtschaftlichen Betrieben eine langfristige Zukunftsperspektive anbieten, wenn sie sich entscheiden, die Bewirtschaftung auf den Moorstandorten aufzugeben. Gleichzeitig sollte der Raum für den Anbau von Paludikulturen geöffnet werden – hier muss vor allem die nachgelagerte Industrie gefördert werden. So könnten z.B. Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.

Um abschließend den Bogen zur GAP hinzubekommen: Das BMEL kann jetzt (in den nächsten Wochen) mit dem Moorschutz in Deutschland vorausgehen und den GLÖZ 2 Standard gemäß den Anmerkungen der Europäischen Kommission nachbessern. Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, müssen wir den „Entwässerungsausstieg“ schnell angehen.

 

 

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