NABU-Agrar-Blog: „Observation letter“ der EU-Kommission gibt Bundesregierung den Auftrag zu deutlichen Nachbesserungen im Bereich Klima- und Biodiversitätsschutz

Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) soll zum Jahresbeginn 2023 abgeschlossen sein. Ein letzter Schritt nach jahrelangen Verhandlungen ist nun die Nachbesserung des Nationalen Strategieplans (NSP) gemäß den Anmerkungen der Europäischen Kommission. Nachdem das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am 21. Februar 2022 den NSP zur GAP bei der Europäischen Kommission eingereicht hatte, kam am vergangenen Freitag, dem 20. Mai, das Antwortschreiben („Observation letter“- OL) aus Brüssel zurück. Und dieses Schreiben hat es in sich: die Kommission kritisiert den NSP stark und signalisiert großen Nachbesserungsbedarf. Der Plan weise „deutliche Mängel“ auf und sei nicht kohärent mit dem EU-Green-Deal ausgerichtet. Wir haben den 50 Seiten langen Brief (bestehend aus 296 Randnummern) analysiert und stellen die wichtigsten Anmerkungen im Bereich Klima und Biodiversität im Folgenden zusammen. 

In der Vorbemerkung heißt es, dass die Reform der GAP in Anbetracht des Kriegs gegen die Ukraine überprüft werden müsse. So solle der „Agrarsektor krisenfester“ gemacht werden, indem die Abhängigkeit von synthetischen Düngemitteln verringert, die Nutzung erneuerbarer Energien ausgeweitet und die Produktion auf nachhaltigere Methoden umgestellt wird. Um dies zu erreichen, solle vor allem eine klimaeffiziente Landwirtschaft und agrarökologische Verfahren gefördert werden. Weiterhin soll die nachhaltige Biogasnutzung, die Präzisionslandwirtschaft und der Anbau von Eiweißpflanzen ausgeweitet werden.

Die Kommission kritisiert besonders, dass das BMEL keine Angaben zur Erreichung der Ziele des EU-Green-Deals mit den Kernstrategien Farm-to-Fork (F2F) und EU-Biodiversitätsstrategie gemacht hat (außer im Bereich Ökolandbau) (Randnummer 25). Hier wird Deutschland aufgefordert, zu erklären, wie der NSP zum Erreichen dieser Ziele beitragen soll und angeregt, sich auf „ehrgeizige“ nationale Ziele festzulegen (Randnummer 26). Ziele der F2F-Strategie sind bswp. 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche als Fläche für die Artenvielfalt zu reservieren, eine Reduktion des Einsatzes und des Risikos von Pestiziden um 50 Prozent und den Einsatz von Düngemittel um 20 Prozent zurückzufahren.

Werden die Ziele erreicht? Foto: NABU-Bundesgeschäftsstelle

Das Thema Düngemittelreduktion besonders in Bezug auf die Wasserqualität wird im OL fokussiert adressiert. Die Problematik spielt für Deutschland eine große Rolle und sollte „prioritär“ behandelt werden. Die Nährstoffverluste aus der Landwirtschaft sind viel zu hoch und die Grenzwerte für Nitrat im Grundwasser werden seit Jahren in circa 30 Prozent der Probestellen überschritten. Deswegen wurde Deutschland bereits vom Europäischen Gerichtshof wegen Nichteinhaltung der Nitratrichtlinie verklagt. Im OL wird darauf hingewiesen, dass die Anstrengungen in diesem Bereich deutlich erhöht werden müssen (S. 5). In Randnummer 98 wird die Frage aufgeworfen, warum Deutschland sich lediglich für 3 m breite Gewässerrandstreifen entschieden habe. Zur Entscheidung standen damals 3 m (BMEL) und 5 m (Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, BMUV) – durchgesetzt hat sich das BMEL. Dabei ist ersichtlich: Je breiter der Streifen, desto weniger Nährstoffe gelangen in die Gewässer – was auch eine NABU-Literatur-Studie bestätigt. Doch auch Pflanzenschutzmittel gelangen in die Gewässer. Die Kommission fordert Deutschland auf, die Anwendung des integrierten Pflanzenschutzes auszuweiten (Randnummer 57).

Weitere Kritik ernten die im NSP enthaltenen Klimaschutzmaßnahmen. Schon im Vorfeld zeigte eine UBA-Studie, dass weder die LULUCF-Ziele noch die nationalen- und internationalen Klimaziele mit dem aktuellen Strategieplan erreicht werden können. GLÖZ 2 (Guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand) soll Moor- und Feuchtgebiete unter strengeren Schutz stellen. Doch die Gesetzesvorgaben aus Deutschland reichen der Kommission nicht. Sie fordert Deutschland in  Randnummer 97 deutlich zu einer strikteren Umsetzung auf. Der NABU und andere NGOs haben in diesem Zusammenhang bereits mehrfach angeregt, die Bearbeitungstiefe in diesen Gebieten deutlich zu reduzieren. Denn bei tiefer Bodenbearbeitung (etwa dem Pflügen) wird besonders viel CO2 freigesetzt. Weiterhin ist das BMEL aufgefordert, dafür zu sorgen, dass diese wertvollen Flächen, die unter hohen Wasserständen als CO2-Senke dienen können, vor weiteren Entwässerungsmaßnahmen zu schützen. Weitere Klimaschutzmaßnahmen werden auch von den betroffenen Bundesländern gefordert: Laut Anmerkung 31 sollen hohe Tierbestände mit Bewirtschaftungsverpflichtungen zur Verbesserung des Klimaschutzes einhergehen und bei hohem Vorkommen von Torf- und Moorgebieten sollten die betroffenen Länder Paludikultur und Wiedervernässung unterstützen.

Wasserbüffel können auf nassen Weiden gehalten werden Foto: F. Derer

Auch beim Schutz der Artenvielfalt muss Deutschland seinen Plan nachbessern. Laut der Kommission fehle es der „grünen Architektur“ des NSPs an ehrgeizigen Zielen – hier müsse qualitativ und quantitativ im Bereich der finanziellen Ausstattung nachgebessert werden (Randnummer 12). Zum Schutz der Biodiversität fordert die Kommission Deutschland auf, die Ökoregelungen wirksamer auszugestalten (Randnummer 111). Hierfür nennt sie Beispiele:  Die Verlängerung des Zeitraums, in dem eine Brache nicht bewirtschaftet werden darf oder die Einführung einer verpflichtenden Mehrjährigkeit. Durch eine Mehrjährigkeit können diese Flächen besonders wertvoll für viele Arten sein. Ein Verbot des Düngemitteleinsatzes für Ökoregelung 6 (Pestizidverzicht) oder eine Erhöhung der Prämie für Ökoregelung 2 (Anbau vielfältiger Kulturen) sind weitere Möglichkeiten der Verbesserung. Insgesamt wird Deutschland aufgefordert, das Budget für die Ökoregelungen an das von der EU geforderte Minimum von 25 Prozent der ersten Säule anzuheben.

Das BMEL ist, zusammen mit den Bundesländern, nun an der Reihe die im Observation Letter geäußerte Kritik am NSP Deutschlands, den maßgeblich die Vorgängerregierung gestaltet hat, aufzunehmen und konstruktive Nachbesserungen durchzuführen. Um den Agrarsektor krisenfester zu gestalten, fordert der NABU das BMEL auf, in dieser Reform noch die Umwandlung der Direktzahlungen einzuleiten und so die Subventionen an die Honorierung von Gemeinwohlleistungen zu binden und in nachhaltige Investitionshilfen umzuleiten.

 

 

2 Kommentare

Martin Haase

25.05.2022, 17:53

In der neuen GAP wird teilweise ziemlicher Unsinn gefordert. Z.B. wird erfordert weniger Weizen und dafür mehr Viehfutter anzubauen. Ist das Sinnvoll wenn der Viehbestand reduziert werden soll?? Ist es richtig den Düngereinsatz und Pflanzenschutz stark zu reduzieren, wenn auf der Welt extreme Hungersnöte drohen??

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Pierre Johannes

31.05.2022, 09:54

Lieber Herr Haase, wo genau steht "Weniger Weizen, mehr Viehfutter?" Die Reduktion von Inputs im Sinne einer Kreislaufwirtschaft dient der langfristigen Sicherung unserer Produktionsgrundlagen. Einem Mangel an landwirtschaftlichen Erzeugnissen könnte man effektiver begegnen, indem man die Verwendung der vorhandenen Agrarressourcen überdenkt. Also weniger Tank, weniger Trog, dafür mehr Teller. Viele Grüße

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