Der EU Haushalt steht (fast)

Die Erleichterung war in Brüssel zu spüren, als Ratspräsident Charles Michel Dienstags frühmorgens auf Twitter verkündete, dass die 27 EU Staats- und Regierungschefs nach einem viertägigen Marathon-Gipfel eine Einigung über die künftigen EU Finanzen gefunden hatten. Zu viel stand auf dem Spiel und die Gefahr, dass die internen Konflikte der EU zwischen Nord-Süd, West-Ost im Falle eines Scheiterns eskalieren, war greifbar. Der einstimmige Beschluss war aus dieser Sicht eine gute Nachricht. Dass die EU nun erstmals gemeinsam Kredite aufnehmen wird, um den MS bei dem Wiederaufbau nach Covid-19 unter die Arme zu greifen, wurde von mehreren Kommentatoren und Gipfelteilnehmern als historisch bezeichnet. Was bedeutet dieses Ergebnis jedoch für den Umweltschutz und ist der Beschluss geeignet, den Naturschutz in der EU finanziell auf solide Füße zu stellen?

Nur leichte Verbesserungen beim Klimaschutz

Zumindest den nackten Zahlen nach gab es beim Haushalt für die Jahre 2021-2027 Fortschritte beim Klimaschutz. Statt wie von der Kommission vorgeschlagen 25%, sollen nun 30% des EU Haushaltes zum Klimaschutz beitragen. Zudem sind eine Plastiksteuer und eine „Carbon Border Tax“ angedacht, welche in den künftigen Haushalt fließen sollen und eine positive Lenkwirkung entfalten können.

Auch gab es Verbesserungen bei der 2. Säule der GAP, welche momentan in Deutschland den Großteil der Naturschutzförderung trägt. Nachdem die Kommission 2018 massive Kürzungen von bis zu 28% vorgeschlagen hatte, liegt das künftige Budget nun nur noch 6-9% unter dem gegenwärtigen Niveau. Die genauen Kürzungen unterscheiden sich zudem zwischen den Mitgliedstaaten, wobei Deutschland etwas besser wegkommt.

Hier hören die positiven Nachrichten leider auf. Die EU Kommission hatte in ihrem Haushaltsvorschlag von 2018 zumindest zarte Modernisierungsversuche gestartet, um zukunftsweisende Programme wie Horizon (Forschung), Erasmus (Jugendaustausch) und LIFE finanziell besser auszustatten. Vor allem bei den bei der Forschung wurde nun kräftig gekürzt, u.a. um die traditionalen Bereiche wie die Agrarpolitik und allen vorran die flächenbezogenen Direktzahlungen zu schützen. Gerade diese gelten jedoch als ineffizient und von zweifelhaftem gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Grund für diese Kürzungen war die Forderung der Gruppe der „sparsammen Vier“ (Österreich, Schweden, Dänemark und Niederlande) nach einem kleineren, moderneren EU Haushalt. Die Kürzungen trafen am Ende jedoch gerade die modernen Bereiche des Haushaltes, Kürzungen beim Agrarhaushalt wären ,it anderen Mitgliedstaaten wie Frankreich nicht machbar gewesen. Das Gipfelergebnis ist deswegen mitnichten ein Grund sich auf die Schulter zu klopfen, den von einer Modernisierung kann keine Rede sein.

Auch die Erhöhung des Klimaschutzzieles könnte sich noch als Luftnummer entpuppen. So verharren die Regierungschefs auf der Annahme, dass 40% der GAP-Gelder zum Klimaschutz beitragen. Diese Zahl wurde von Experten immer wieder als überhöht kritisiert (siehe hier), macht es den Mitgliedstaaten aber sehr einfach Klimaschutzausgaben nachzuweisen, ohne wirkliche Veränderungen anstoßen zu müssen. Auch fehlen Garantien, dass die übrigen 70% nicht am Ende in klimaschädliche Projekte fließen und so die Bemühungen konterkarieren.

Naturschutz geht fast leer aus

Noch schlechter sieht die finanzielle Situation für den Naturschutz aus. Bereits seit Langem kritisieren Experten dessen eklatante Unterfinanzierung, in Deutschland fehlen etwa 900 Mio.€ im Jahr, um das EU Naturschutzrecht zu implementieren. Die jüngst von der EU Kommission vorgeschlagene Biodiversitätsstrategie für 2030 sah deshalb vor, dass der künftige Haushalt 20 Mrd.€ pro Jahr mobilisieren sollte (siehe hier), um u.a. die Umsetzung von Natura 2000 zu finanzieren. Davon findet sich in dem Verhandlungsergebnis nichts wieder. Einzig im Zusammenhang mit dem LIFE Programm wird der Naturschutz als Ziel genannt. Dieses macht trotz großer Erfolge jedoch gerade mal 0,7% des EU Haushaltes aus, zu wenig, um auf dem gesamten Kontinent großflächige Änderungen zu erreichen.

Auch auf der Ebene der einzelnen Programme gab es keine Verbesserungen. Vor allem bei der GAP fehlen nach wie vor konkrete Vorgaben für die Mitgliedstaaten, in den Schutz der Biodiversität zu investieren. Der NABU hatte gefordert, 15 Mrd.€ innerhalb der GAP pro Jahr für den Schutz der Biodiversität zweckzubinden. Diese Entscheidung wurde nun vertagt auf die Gesetzgebungsverfahren zu den einzelnen Verordnungen, welche noch immer andauern.

„Next Generation EU“ verpasst Zielgruppe

Es war das erklärte Ziel von EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, den Wiederaufbau der EU nach Covid-19 grün zu gestalten. Die mobilisierten Hilfen zusätzlich zum regulären Haushalt in Höhe von 750 Mrd. € sollten in keinem Fall den Status-Quo fördern, sondern den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft vorantreiben.

Die Legislativvorschläge der EU Kommission konnten sich daran nur bedingt messen (siehe hier). Auf dem Gipfel ging es nun v.a. darum ob die Gelder in Form von Krediten oder Zuschüssen fließen sollten und ob einzelne Mitgliedstaaten ein Vetorecht bei der Auszahlung der Gelder an andere Staaten bekommen.

Politik für die kommenden Generationen sieht anders aus. Forderungen von Umwelt-NGOs und einer Petition von 1,3 Mio. Bürgern, die Gelder nur für eine grüne Transformation auszugeben, spielten dagegen kaum eine Rolle. Weder eine mögliche Negativliste, um auszuschließen, dass etwa fossile Energieträger unterstützt werden, griffen die Verhandler auf, noch konkrete grüne Kriterien für die Vergabe der Gelder.

Letzte Station EU Parlament

Noch muss das EU Parlament diesem Kompromiss zustimmen. Bereits kurz nach dem Ende des Gipfels, zeigten sich mehrere Abgeordnete enttäuscht über das Ergebnis (siehe hier). Angesichts der deutlich divergierenden Parlamentsposition ist das kein Wunder. So hatten die Abgeordneten noch im Frühjahr ihre Forderung nach einem höheren EU Budget, mehr Investitionen in Forschung und Klimaschutz sowie einer besseren Naturschutzfinanzierung bekräftigt. Auch die Beteiligung des Parlaments bei der Auszahlung der Gelder aus dem Wiederaufbauprogramm dürfte in den nun folgenden Verhandlungen eine Priorität sein.

Inwieweit das Parlament seinen Einfluss nutzen kann wird sich zeigen. Fraglich ist, ob die Abgeordneten bereit sind ihre Drohung durchzuziehen und den Deal unter Umständen platzen zu lassen. Dies würde den Prozess deutlich zurückwerfen, aber das Parlament sollte sich trotzdem nicht unter Druck setzen lassen und für Verbesserungen in diesem Paket kämpfen.

Bei den Gesetzgebungsverfahren zu den einzelnen Programmen im Haushalt und beim Wiederaufbauprogramm hat das Parlament zudem volle Mitsprache und muss diese nun nutzen. Während der Haushalt vorschreibt wieviel Geld in einzelne Programme fließt, wird dann entschieden, für was das Geld konkret ausgegeben werden soll. Bei der GAP steht diese Richtungsentscheidung etwa im Herbst an und das Parlament muss durchsetzen, dass die Agrarförderung künftig vorallem jene Landwirte belohnt, die mehr tun für den Umweltschutz, anstatt das Geld weiter bedingungslos mit der Gießkanne zu verteilen.

1 Kommentar

Cornelia Marcus

25.07.2020, 20:44

.....auch in Frankreich wollen die Bürger umweltverträgliche bzw. -fördernde Agrarpolitik mit Erhalt von Arbeitsplätzen in den kleinbäuerlichen Betrieben ...also keine Subventionen an die boden-, klima-,gesundheitsschädliche(etc.) Agrarindustrie mehr ! Keine Gelder nach Flächen ,sondern nur für entsprechend umwelt-/ tier- und menschenfreundliche zukunftsfähige Agrarpolitik .......keine Gelder für Chemie-und Industriekonzerne auch im Bereich Medizin (z.B. interessengeleitete destruktive und undemokratische Corona-Panik-Politik , Digitalisierungs-Hype ohne Folgenabschätzung - keine weitere Strahlenbelastung und Bürgerentmündigung durch 5 G /KI etc.) und Verkehr (nur sinnvolle öffentliche Verkehrsnetze, Radverkehr und Elektoverkehr mit Erneuerbaren Energien fördern, Flächenversieglung für Straßen stoppen, stattdessen Naturschutzflächen (-Verbindungen/-netze) massiv erweitern ).....wesentliche Themen: Klima- und Ressourcenschutz sofort, wirksame Kapital-, Vermögens- und Transaktions- Besteuerung, sowie allgemeine Haftung nach dem Verursacherprinzip, Förderung von Bürgerbeteiligung , Transparenz und sozialem Ausgleich , starke Strafsanktionen und Gesetze gegen korrupte politische und wirtschaftliche Akteure... ...

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