COP-Corner: Die Bilanz. Und die Arbeit beginnt…
Konstantin Kreiser war Teil der Delegation von BirdLife International auf der UN-Biodiversitätskonferenz im mexikanischen Cancún. Für den NABU berichtete er vor und hinter den Kulissen über die zweiwöchige 13. Vertragsstaatenkonferenz (COP13) der UN-Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD).
Am frühen Sonntag Morgen ging um 5 Uhr früh Ortszeit die COP13 in Cancún zu Ende. Zu der Zeit befand ich mich bereits im Sinkflug über dem neblig-kalten Mitteleuropa (genauso wie ein Teil der deutschen Regierungsdelegation sowie sehr viele gut erholte und gebräunte Urlauber, die die letzten zwei Wochen sicher anders verbracht haben als wir…).
Es war noch die ganze Nacht über das Budget der CBD verhandelt worden (für Deutschland als wichtigen Geldgeber von großen Interesse), das Plenum wurde immer wieder vertagt und konnte erst um 4:50 Uhr, als ein Kompromiss gefunden war, zusammentreten. Um 5:03 Uhr beschloss der Umweltminister Mexikos die COP13 mit einem Hammerschlag. Doch die eigentliche Arbeit beginnt jetzt erst.
Von Paris bis Cancún: die UN-Umweltabkommen funktionieren!
Noch in Cancún hatten sich die Umweltverbände schnell verständigt, wie sie die Ergebnisse dieser COP in der Öffentlichkeit kommentieren würden. Große Einigkeit herrschte darin, dass diese Konferenz eine ganze Reihe wichtiger, wenn auch auf den ersten Blick eher unspektakulärer, „Pflöcke“ für den Schutz der Biodiversität eingeschlagen hat. Unspektakulär zum Teil, weil die Thematik komplex und somit das Medieninteresse gering war.
Unspektakulär aber auch, weil es in einigen Bereichen überraschend wenig Widerstand und schnelle Einigungen gegeben hat. Klar ist aber auch: Die Hausaufgaben, mit denen die Regierungen zurückkehren, sind enorm – und der „Countdown 2020“ tickte auch während der Konferenz weiter. Zudem besteht leider wenig Grund zu der Annahme, dass die COP-Ergebnisse die nationale Politik der Vertragsstaaten so umkrempeln werden, wie es notwendig wäre, um bis zum Ende des Jahrzehnts eine Trendwende beim Artensterben zu erreichen. Dennoch: Die „CBD lebt“, die Tatsache, dass sich 196 Regierungen auf 37 teils hart umkämpfte COP-Beschlüsse einstimmig verständigt haben, macht Mut für den Naturschutz. Viele hatten die sogenannten „multilateralen Umweltabkommen“ der UN ja spätestens nach dem Klimadesaster von Koppenhagen am Ende gesehen.
Zehn Erkenntnisse aus der COP13
Der NABU hatte im Vorfeld einige Forderungen an die COP13 aufgestellt. Wie sieht es nun nach Abschluss der Verhandlungen aus? Eine gute Gesamtzusammenfassung der COP bietet zunächst das „Earth Negotiation Bulletins (ENB)“ hier. Alle finalen Beschlüsse finden sich demnächst hier.
Im folgenden meine „TOP-10“-Erkenntnisse aus Cancún (Hinweis: Da Deutsch keine UN-Sprache ist, weisen die meisten Links auf englischsprachige Dokumente hin):
- Die Fortschritte der Staaten bei der Erreichung der 2020-Ziele für Erhalt und Wiederherstellung der Biodiversität sind erschreckend gering. Zu diese Erkenntnis kommt unsere Analyse, die wir mit BirdLife und weiteren Verbänden in Cancún vorgestellt haben.
- Trotz einer eher unkonkreten Cancún-Erklärung der Minister zur Bedeutung der Integration der Belange der Biologischen Vielfalt in andere Politikbereiche (sog. „Mainstreaming„) gibt der COP13-Beschluss zum gleichen Thema einiges her. Die Staaten verpflichten sich u.a. ihre Agrarpolitik mit ihren Naturschutzielen in Einklang zu bringen, schädliche Subventionen zu reformieren, illegalen Holzeinschlag und -handel zu bekämpfen sowie bei der Festlegung von Fischereiquoten das Vorsorgeprinzip zu beachten. Der Versuch, den Begriff der „Ökologischen Intensivierung“ in die CBD einzuführen, scheiterte zum Glück, was auch ein Verdienst des NABU war. Gleichzeitig gelang es, den Ökolandbau als eine wichtige Strategie für die Biologische Vielfalt zu bennen. Rückenwind bekamen auch die Initiativen zum Schutz von bestäubenden Insekten – was insbesondere die Pestizidindustrie mit Argwohn beobachtete. Insgesamt also gute Vorlagen für die anstehende Reform der EU-Agrarpolitik, an der wir sich der NABU intensiv beteiligen wird (zum Beispiel am 21. Januar in Berlin).
- Fortschritte gibt es auch beim Ausbau eines globalen Schutzgebietsnetzes. Während der COP beschloss die Europäische Union endgültig, ihr erfolgreiches Natura-2000-Netzwerk beizubehalten und besser umzusetzen. Gleichzeitig verdreifachte Mexiko seine Schutzgebietsfläche. Und die Staatengemeinschaft bekräftigte erstmals, die bedeutende Rolle der „Key Biodiversity Areas (KBAs)“, ein Konzept von Schattenlisten, an denen auch der NABU über seinen Dachverband BirdLife beteiligt ist.
- Der internationale Meeresschutz geht langsam aber sicher voran. Trotz hochkomplexer diplomatischer Verwicklungen einigt sich die Staatengemeinschaft auf weitere Schritte bei der Identifizierung von wichtigen Meeresgebieten (EBSAs) und setzt 74 weitere Gebiete auf die Liste. Außerdem verabschiedet die COP einen freiwilligen spezifischen Aktionsplan für die Biodiversität in Kaltwasserregionen, sowie Beschlüsse zur marinen Raumplanung, zu Unterwasserlärm und zur Reduzierung von Müll im Meer.
- Dass Klima- und Biodiversitätsschutz untrennbar miteinander verbunden sind, machte diese COP sehr deutlich, keines funktioniert ohne das andere und beides ist gleich wichtig für die Zukunft der Menschheit. Die CBD-Vertragsstaaten unterstrichen in einem Beschluss zum Klimawandel die Notwendigkeit, alle Klimaschutz- und -Anpassungsmaßnahmen auf ihre Naturverträglichkeit zu prüfen. Ganz besonders gilt dies für großmaßstäbige Eingriffe in die Ökosysteme, wie das sogenannte Geo-Engeneering.
- Die COP13 verabschiedete einen kurzfristigen Aktionsplan für die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme. Dieser wird den Regierungen und anderen Organsationen dabei helfen, ihre entsprechenden Aktivitäten zu beschleunigen und auszuweiten, zum Beispiel im Bereich des Waldschutzes.
- Finanzierung: Nachdem bereits auf den letzten beiden COPs vereinbart worden war, die Naturschutzhilfen für die ärmeren Länder zu verdoppeln, wurden in Cancún die vielen säumigen Geber daran erinnert, ihr Vesprechen auch einzuhalten. Gleichzeitig müssten dringen die umweltschädlichen Subventionen abgeschafft werden. Auf der COP13 wurde besonders hart um Gelder und deren Verwendung im Bereich des „Kapazitätsaufbaus“ gerungen. Denn ohne entsprechendes Wissen und Personal in Behörden und Verbänden sind viele Entwicklngsländer gar nicht in der Lage die zur Verfügung gestellten Projektmittel abzurufen.
- Gemischte Bewertungen sind aus dem heiß umkämpften Bereich der „Synthetischen Biologie“ zu vermelden. Zwar scheint sich die CBD ihres Anspruchs bewusst zu sein, die einzige Regulierungsinstanzt für diese neuen Technologien zu sein, die Beschlüsse sind jedoch nicht den Risiken und vor allem dem Tempo dieser Entwicklungen angemessen. Eine gute Zusammenfassung bietet die Heinrich-Böll-Stiftung hier.
- Insgesamt macht die COP13 Mut für den globalen Naturschutz – jedoch mit einer ganz wichtigen Einschränkung: Es waren fast nur die Umweltministerien, die hier verhandelten. Immer wenn es kritisch wurde, hieß es, man müsse „die Hauptstädte“ konsultieren. Und dabei zeigte sich: die eigentliche Macht liegt woanders. Der eigentliche Test für die Regierungen steht nun zuhause an: Nur wenn es zum Beispiel gelingt, die Landwirtschaftsministerien und die Regierungschefs von der Notwendigkeit einer naturverträglichen Agrar- und Subventionspolitik zu überzeugen, hat die CBD Erfolg. Da können wir in Deutschland gleich mit anfangen.
- Und schließlich zeigte die COP13 wieder ganz klar den Einfluss, den wir Umweltverbände auf die Entscheidungen der Politik nehmen können, solange wir uns verbünden (zum Beispiel in unserem BirdLife-Netzwerk, dass zu den ganz großen „Playern“ auf der globalen Naturschutzbühne zählt) und wenn wir sachlich-konstruktiv argumentieren. Die Vorstellung der wissenschaftlich weithin anerkannten Roten Liste auf dieser COP war wieder ein Beispiel hierfür.
Meine Good COPs des Tages (und eigentlich der ganzen COP)
… war übrigens die Jungenddelegation des Global Youth Biodiversity Networks (GYBN), wesentlich unterstützt und ursprünglich auch gegründen von der NABU-Jugendorganisation, der Naturschutzjugend (NAJU). Seit 2010 sind sie ein fester Bestandteil der COPs: eine wachsende Zahl Jugendlicher aus der ganzen Welt, die aktiv die Verhandlungen begleiten, eigene Statements machen und „side-events“ organisieren. Das Abschlussplenum bereicherten sie sogar mit einer Gesangseinlage.
Hiermit endet unsere Berichterstattung von der COP13. Der NABU wünscht Frohe Weihnachten und einen guten Start in das neue Jahr, dass viele spannende Herausforderungen für den Naturschutz bietet. Bleiben Sie unserem Blog treu!
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