Besuch auf der Hope Farm – Naturwiederherstellung seit 25 Jahren
Die Hope Farm der britischen Naturschutzorganisation RSPB (Royal Society for the Protection of Birds) ist ein bemerkenswerter Ort. Seit dem Jahr 2000 wird auf rund 180 Hektar nahe Cambridge eine Form der Landwirtschaft erprobt, die Natur, Umwelt und Klima schont – und dabei gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich ist.
Als der Betrieb 1999 übernommen wurde, war er Teil einer konventionellen Fruchtfolge, die klar auf maximalen Ertrag ausgerichtet war: Weizen – Weizen – Raps. In den ersten Jahren hielt RSPB an dieser Fruchtfolge fest, konzentrierte sich jedoch parallel auf die Verbesserung der Lebensbedingungen für Vögel und Insekten. Der Fokus lag auf den sogenannten „Big Three“:
- Nistmöglichkeiten
- Nahrung im Sommer für Küken und Altvögel
- Nahrung und Habitat im Winter
Maßnahmen auf der Hope Farm
Zunächst wurden bestehende Lebensräume wie Hecken und Feldgehölze gezielt aufgewertet – etwa durch die Implementierung eines dreijährigen Schnittzyklus, der sowohl Frühjahrsblüte als auch Fruchtreichtum im Herbst ermöglicht. Zusätzlich schuf man neue Lebensräume: Alle Felder erhielten Rand- und Pufferstreifen, von denen mindestens zwei Prozent mit samenreichen Wildpflanzen eingesät wurden – als Nahrungsquelle und Rückzugsort im Winter. Weitere zwei Prozent wurden mit blütenreichen Mischungen versehen und dienten als Habitat in der Sommerzeit. Da natürliche Feuchtlebensräume fehlten, legte man zusätzlich Teiche an. Finanziert werden die Maßnahmen durch die Beantragung von zur Verfügung stehenden staatlichen Förderungen.
Bild1: NABU/ Zur Habitataufwertung wurden Hecken gepflegt und Randstreifen angelegt.
Die Ergebnisse dieses Ansatzes – auf 10 % der Betriebsfläche – sprechen für sich:
- Bereits nach sechs Jahren hatte sich die Feldvogelpopulation verdoppelt; bis 2022 stieg sie um 170 %.
- Bei den Schmetterlingen zeigte sich die Veränderung deutlich langsamer – doch bis 2022 vervierfachte sich ihre Zahl.
- Die Wintervogelzahlen nahmen stark zu.
- Auf der Hope Farm leben elfmal mehr Hummeln als auf angrenzendem Ackerland.
- Die Erträge und das Betriebseinkommen blieben – mit wenigen Ausnahmen durch Extremwetterjahre – wirtschaftlich stabil.
Aufwertung der Ackerflächen durch regenerative Praktiken
Seit 2016 ergänzt ein weiterer Schritt den Ansatz: Auf den übrigen 90 % der Ackerflächewerden Methoden der regenerativen Landwirtschaft angewendet– mit dem Ziel, die Bodengesundheit zu verbessern und die Abhängigkeit von externen Inputs zu veringern. Dazu wird auf Winterzwischenfrüchte, Mischkulturen, eine ausgeweitete Fruchtfolge mit sieben Kulturen und der weitgehende Verzicht auf wendende Bodenbearbeitung gesetzt. So soll Humus aufgebaut und die biologische Vielfalt im Boden wiederhergestellt werden. Seit 2018 verzichtet die Farm vollständig auf Insektizide. Der Einsatz anderer chemischer Pflanzenschutzmittel, darunter auch Glyphosat, sowie mineralischer Dünger wird kontinuierlich reduziert. Stattdessen wurde die Düngung mit Kompost intensiviert und die Integration von Weidetieren zur Regeneration der Böden.
Bild2: NABU/ Zur Regeneration der Böden werden diese für ein paar Jahre mit Schafen beweidet.
Im Winter 2021 wurde ein Agroforstsystem mit Obst- und Nussbäumen etabliert, das in rund 15 Jahren zur Einkommenssicherung beitragen soll. Unterdessen profitiert das umliegenden Ackerland von zahlreichen Vorzügen, die durch Bäume auf dem Acker geschaffen werden.
Darüber hinaus wurden auf der Hope Farm in den letzten 20 Jahren zahlreiche wissenschaftliche Studien durchgeführt. Heute ist der Betrieb ein beliebtes Besuchsziel für unterschiedliche Zielgruppen – von Politiker*innen über Schulklassen bis zu Landwirt*innen. Darüber hinaus ist die Hope Farm Mitglied des nature-friendly-farming-network, welches konventionelle Betriebe zusammenbringt, die ihren Beitrag zur Verbesserung der Situation der Landwirtschaft leisten wollen.
Was zeigt uns die Hope Farm?
- Mindestens 10 % hochwertige Lebensräume auf dem Betrieb reichen, um den Negativtrend der Artenvielfalt umzukehren – ganz ohne Veränderung der übrigen landwirtschaftlichen Praxis. Eigene Studien zeigen: Bereits ab sieben Prozent Lebensraum beginnt sich der Trend zu stabilisieren, darüber hinaus kommt es zu einer Wiederherstellung der Biodiversität.
- Regenerative Praktiken auf der restlichen Fläche verbessern die Bodenfruchtbarkeit und durch die Reduktion externer Inputs bei nahezu gleichbleibenden Erträgen auch das Betriebseinkommen nachhaltig.
- Beides zusammen – Lebensräume und regenerative Praktiken – ermöglichen einen wirtschaftlich erfolgreichen Betrieb, der heute wie morgen zur Ernährungssicherheit beiträgt.
Was können wir daraus lernen?
In Zeiten multipler Krisen geraten Natur- und Klimaschutz in der Landwirtschaft zunehmend aus dem Blickfeld der Politik. Internationale Herausforderungen dienen aktuell als Vorwand, am Status quo festzuhalten. Landwirtschaft soll „einfach produzieren“ – ohne zusätzliche „Belastungen“.
Doch diese Argumentation ist nicht haltbar. Eine aktuelle Studie des Joint Research Centers (JRC) zeigt deutlich, dass die EU ihre selbst gesteckten Biodiversitätsziele für 2030 krachend verfehlen wird. Die Hope Farm aber beweist, dass es auch anders geht: Sie ist ein Vorbild dafür, wie landwirtschaftliche Transformation hin zu nachhaltiger Nutzung der Agrarökosysteme konkret aussehen kann. Naturwiederherstellung auf dem Acker ist machbar!
Die EU hat jetzt die Möglichkeit, mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Umsetzung des Naturwiederherstellungsgesetzes einen neuen Weg einzuschlagen – hin zu einer echten, langfristig tragfähigen Ernährungssicherheit, die nicht auf chemischen Mittel, mineralische Dünger oder ökonomische Abhängigkeiten angewiesen ist.
Die Hope Farm ist definitiv einen Besuch wert – und macht ihrem Namen alle Ehre.
1 Kommentar
Joerg L. Neumann
28.06.2025, 15:18Mit derart einfachen und wenig kostenden Maßnahmen so viel zu erreichen, das müsste doch allgemein zu vermitteln sein!
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