Ein Blick über den Tellerrand: Agroforst in England

Wie Großbritannien Agroforstsysteme fördert – und was Deutschland daraus lernen kann. 

Während in Deutschland Agroforstsysteme noch weitgehend als Nischenlösung gelten, zeigen Beispiele aus England, wie politische Rahmenbedingungen, wissenschaftliche Begleitung und praktische Erfahrungen auf landwirtschaftlichen Betrieben erfolgreich zusammenspielen können – und geben wertvolle Impulse für eine klimaresiliente und biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft. 

Was ist Agroforst:

Die Idee: Bäume in Streifenform in die Landwirtschaft integrieren. Dabei kann ein Agroforstsystem auf dem Acker oder im Grünland umgesetzt werden. 

Agroforst – das Multitalent:

Mehr Bäume in der Landschaft bedeuten auch mehr Lebensräume für eine Vielzahl an Arten, Schutz des Bodens vor Erosion, eine Zunahme der CO₂-Speicherung, die Möglichkeit, Wasser in der Landschaft zu halten, Schatten für weidende Tiere und nicht zuletzt eine zusätzliche Einnahmequelle für die Landwirtschaft – durch das Holz und/oder die Früchte der gepflanzten Bäume. 

Ein Blick auf die Insel:

In England gibt es bereits ein nationales Ziel für Agroforst innerhalb der Klimaschutzgesetzgebung: Agroforst soll auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche etabliert werden, denn Sträucherund Bäume speichern Kohlenstoff. Ein ambitioniertes Ziel, für das im neuen Agrarfördersystem ein Programm mit attraktiven Prämien geschaffen wurde. Es bleibt abzuwarten, inwiefern dies ausreicht, um das Ziel zu erreichen. 

Doch wie sieht es auf den Betrieben aus, die Agroforst schon seit vielen Jahren etabliert haben? Ein Besuch auf der Wakelyns Farm gibt spannende Einblicke in eines der ältesten Agroforstsysteme Europas. Bereits 1992 wurde hier auf rund 22 Hektar ein vielfältiges und durchdachtes Agroforstsystem etabliert – mit dem Ziel, einen möglichst produktiven Betrieb zu schaffen, der ohne externe Betriebsmittel auskommt. 

Dafür wurden vier unterschiedliche Agroforstsysteme angelegt: schnell wachsende Energiehölzer wie Weide und Hasel, Obst- und Nussbäume sowie einheimische Bäume zur Produktion von hochwertigem Stammholz. In den Zwischenräumen der Baumreihen wird eine ökologische Fruchtfolge praktiziert, in der unter anderem Weizen, Hanf und Linsen angebaut werden. 

Von Beginn an wurde Wakelyns wissenschaftlich begleitet, insbesondere durch das Organic Research Centre. Im Rahmen des europaweiten Forschungsprojekts AGROMIX konnte belegt werden, dass die Biodiversität auf Wakelyns deutlich höher ist als in der umliegenden Agrarlandschaft. Besonders auffällig war die Vielzahl an Bestäubern, die in den Agroforstsystemen vorkommen – ihre Zahl lag um ein Vielfaches über dem Durchschnitt. 

Auch viele Vogelarten profitieren von Agroforstsystemen. Untersuchungen zeigten, dass die Anzahl der Vögel in diesen Systemen deutlich höher ist. Vor allem sogenannte Generalisten – also Arten mit breiten Lebensraumanforderungen – finden hier gute Bedingungen. Offenland- und Grünlandarten hingegen sind seltener vertreten. Dies unterstreicht, wie wichtig eine sorgfältige naturschutzfachliche Planung und die Einbettung solcher Systeme in die umgebende Landschaft sind. 

Heute ist Wakelyns ein Ort, der verschiedene Projekte und Unternehmen verbindet, die die Produkte des Agroforstsystems verarbeiten und regional vermarkten. 

Lernort:

Zudem ist Wakelyns ein Ort der Inspiration für interessierte Landwirtinnen und Landwirte. In verschiedenen Formaten wird das Wissen aus über 30 Jahren Agroforst weitergegeben. Ein wertvoller Beitrag, denn gerade das Erleben eines etablierten Systems und der Austausch darüber kann bei der Entscheidung und Planung enorm helfen. 

Ein Beispiel hierfür ist die nur 30 Minuten von Wakelyns entfernte Maple Farm Kelsale – ein ökologischer Betrieb mit Ackerbau, Hühnerhaltung und Market Garden. 

Der Betriebsleiter Mike Mallet berichtet, wie er unter anderem durch den Austausch mit Wakelyns zu dem Entschluss gekommen ist, Agroforst in seinem Betrieb zu integrieren. Vor ca. zehn Jahren wurde das erste System gepflanzt. Es unterscheidet sich deutlich von dem auf Wakelyns: Mike hat breitere Reihen von 30 Metern gewählt. Dies erlaubt ihm, mit all seinen Maschinen zwischen den Baumreihen zu arbeiten und bietet zugleich ausreichend Platz für die Hühnermobile, die wöchentlich versetzt werden. So wird der Bewuchs erhalten und den Hühnern stets frisches Futter geboten. 

Die Fruchtfolge ist – neben der Integration der Bäume – auch auf dem Acker geprägt von Mischkulturen. So wird Roggen grundsätzlich im Gemenge mit Wicke angebaut, Ackerbohnen mit Gerste. Beim Weizenanbau setzt Mike auf Populationssorten: verschiedene Weizensorten werden gemeinsam angebaut. Die Idee dahinter: Die spezifischen Eigenschaften der einzelnen Sorten garantieren eine konstante Qualität und einen stabilen Ertrag – auch unter wechselnden Umweltbedingungen. Manche Sorten sind widerstandsfähiger gegen Schädlinge, andere unterdrücken Beikräuter, wieder andere liefern stabilen Ertrag. 

Was können wir lernen?

Für jedes Agroforstsystem gibt es den richtigen Zeitpunkt und den richtigen Ort. Jeder Betrieb muss sich überlegen, was zu den betrieblichen Abläufen und der angestrebten Wertschöpfung, den Standortbedingungen und zur umliegenden Landschaft passt. Dafür sind Erfahrungen von anderen Betrieben und aus der Wissenschaft wertvoll – und es braucht Räume, in denen dieses Wissen weitergegeben werden kann. Zusätzlich kann eine attraktive Förderung den Einstieg und die Beibehaltung erleichtern, denn je nach System wird erst nach einigen Jahren eine Nutzung möglich sein. 

Für Deutschland lohnt sich ein Blick in unsere Nachbarländer. Denn auch auf staatlicher Ebene können wir von ihren Erfahrungen profitieren, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine nachhaltige Landwirtschaft ermöglichen. Insbesondere vor dem Hintergrund nationaler Ziele zur Kohlenstoffspeicherung, sollte auch Deutschland den Ausbau von Agroforstsystemen mehr ins Visier der Klimaschutzgesetzgebung nehmen. 

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