Konstantin Kreiser Beiträge

COP-Corner: Traurige Zwischenbilanz für die Artenvielfalt

COP-Corner: Traurige Zwischenbilanz für die Artenvielfalt

Konstantin Kreiser ist Teil der Delegation von BirdLife International auf der UN-Biodiversitätskonferenz im mexikanischen Cancún. Für den NABU berichtet er vor und hinter den Kulissen über die zweiwöchige 13.Vertragsstaatenkonferenz (COP13) der UN-Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD).

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Freude über die EU in Cancún. Foto: BirdLife

Die Nachricht, dass die EU ihre Naturschutzgesetze nicht schwächen, sondern besser umsetzen will, hat hier in Cancún große Euphorie ausgelöst. Die Verhandler der EU-Staaten und der EU-Kommission haben sich darüber genauso gefreut, wie wir NGO-Vertreter. Die Entscheidung ist auch weltweit ein ganz wichtiges Signal. Hätte Europa auf halben Weg der globalen 2020-Strategie zur Rettung der Biologischen Vielfalt plötzlich den Rückwärtsgang eingelegt, hätte man auch keine Fortschritte in den anderen Teilen der Welt verlangen dürfen.

img-20161207-wa0003Denn es sieht insgesamt schon schlimm genug aus, was die Fortschritte der 196 Vertragsstaaten angeht. Bis 2020 sollen sie zwanzig Einzelziele, die sogenannten Aichi-Targets „abarbeiten“. Diese reichen vom Abbau naturschädlicher Subventionen, über die Ausweisung von Schutzgebieten bis zu besserer Umweltbildung. Zur Halbzeit der Dekade hat eine Gruppe von Umweltverbänden nun eine vereinfachte Zusammenfassung des aktuellen Stands veröffentlich, darunter unser Dachverband BirdLife International und der WWF.

#NatureAlert erfolgreich: EU-Naturschutzrichtlinien bleiben

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EU-Kommission gibt Pläne zur Änderung des Naturschutzrechts auf

Soeben erreicht uns die Nachricht, dass die Europäische Kommission beschlossen hat, die EU-Naturschutzrichtlinien in ihrer jetzigen Form beizubehalten (Pressemitteilung der EU-Kommission). Jean-Claude Juncker hat damit sein Vorhaben aufgegeben, die EU-Vogelschutz- und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zu „verschmelzen und zu modernisieren“.

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Man kann dies durchaus einen historischen Erfolg nennen. Erstmals in der Geschichte der EU war versucht worden, bestehende Umweltstandards zurückzudrehen – unter dem Deckmantel der „Entbürokratisierung“ und in der Zuversicht, dass der Naturschutz keine starke Stimme in der Gesellschaft hat.

Karmenu Vellas Kommentar zur Debatte der Kommissare (auch HIER):

„Our European Commission ‚fitness check‘ has recognised that the European Birds and Habitats Directives remain relevant and fit for purpose. They will not be ‚opened‘. The Juncker Commission continues to look to connect in meaningful ways with European citizens. Protecting and investing more in nature is essential as so many depend on it also economically – It  is literally a grassroots approach. Our focus will now be on making sure that they are implemented in the most effective and efficient way to realise their full potential for nature, people and the economy. I am delighted that we have delivered on an essential part of the mandate given to me by President Juncker“.

Update: Am 16.12. veröffentlichte die EU-Kommission ihr „Staff Working Document“ (KOM-Arbeitspapier) – download HIER (Englisch).

Wir wollen eine EU mit starken Umweltstandards

Der NABU, unser Dachverband BirdLife, viele weitere Verbände, Unternehmen, Institutionen aus ganz Europa und nicht zuletzt über 500.000 Bürgerinnen und Bürger, die sich aktiv zu Wort gemeldet haben, haben das Gegenteil bewiesen. Wir wollen eine EU, die mit starken Umweltstandards weltweit vorangeht.

COP-Corner: Mexiko verdreifacht Schutzgebietsfläche

COP-Corner: Mexiko verdreifacht Schutzgebietsfläche

Konstantin Kreiser ist Teil der Delegation von BirdLife International auf der UN-Biodiversitätskonferenz im mexikanischen Cancún. Für den NABU berichtet er vor und hinter den Kulissen über die zweiwöchige 13.Vertragsstaatenkonferenz (COP13) der UN-Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD).

Man kann sich schlimmere Montagmorgen vorstellen, gerade im Dezember: Nach einen Frühstück mit frischen Ananas, Melonen und Mangos geht es auf einem von Palmen und bunten Fahnen gesäumten Weg zur Arbeit. Nun gut, einige Polizei-Checkpoints, ein heftiger heiß-feuchter Wind und das übliche logistische Chaos am Anfang einer großen Konferenz mit über 190 Regierungen und mehr als 5000 Teilnehmern gehören auch zu meinem ersten Tag auf der COP13.

Die „Moon Palace Arena“ – eines der großen Konferenzgebäude. Foto: K. Kreiser

Mexiko verdreifacht seine Schutzgebietsfläche

Nach dem leider eher inhaltsarmen „High-Level Segment“ der Minister und einer endlosen Reihen von Eröffnungsreden am Wochenende ging die Arbeit heute richtig los. Nun ja, fast. Denn es galt erst einmal eine Reihe weiterer Eröffnungsreden im Plenum zu überstehen. Neben Vertretern aller möglichen UN-Organisationen und zivilgesellschaftlicher Gruppen kamen vor allem die Gastgeber zu Wort, ganz besonders der Präsident Mexikos, Enrique Peña Nieto. Normalerweise ist schon das Kommen eines Staatschefs ein Ereignis für so eine Konferenz, aber heute war es auch seine Rede selbst.

Fit, fair, nachhaltig: Eine neue Agrarpolitik ist möglich

Der NABU hat in in Berlin eine Studie vorgestellt, die zeigt, wie die gegenwärtig größtenteils umweltschädlich und ineffizient verteilten EU-Agrarsubventionen sinnvoll neu verteilt werden könnten. Dazu ist jedoch der politische Wille zu einem drastischen Umsteuern notwendig.
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Sechzig Milliarden Euro, das ist in etwa die Summe, die alljährlich aus dem EU-Haushalt in die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) fließt. Zum Vergleich: das Austauschprogramm ERASMUS+ erhält zwei Milliarden Euro, das Umweltförderprogramm LIFE nicht einmal eine halbe Milliarde. Die EU-Forschungsförderung (HORIZON 2020) erhält mit etwa elf Milliarden Euro immerhin sieben Prozent des EU-Haushalts – die Agrarpolitik jedoch vierzig Prozent.

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Übermäßiger Pestizideinsatz ist auch die Folge einer falschen Agrarpolitik. Foto: Arndt Mueller

Die GAP – ein finanzpolitisches Debakel

Diese Sonderbehandlung der Landwirtschaft geht auf die Gründerzeit der EU zurück, als es um die Sicherstellung der Ernährung im Nachkriegseuropa ging. Danach wandelten sich die vorgebrachten Rechtfertigungen für die Subventionen immer wieder. Dabei standen wechselweise (oder auch gleichzeitig) die Einkommen der Landwirte, die Bedürfnisse der Verbraucher oder der Zustand der Umwelt im Fokus.

Doch auch nach Jahrzehnten und vielen Reformrunden scheint keine dieser Herausforderungen zufriedenstellend gelöst und nahezu einhellige Unzufriedenheit mit der GAP zu herrschen. Die Lage vieler Betriebe ist dramatisch und die Produktion der meisten Nahrungsmittel alles andere als nachhaltig. In Zeiten von Brexit und Eurokrise werden auch die Finanzminister zunehmend ungeduldig mit der GAP. Die jüngsten Daten zur Rolle der Landwirtschaft für den Artenschwund, die Belastung des Grundwassers und die Klimabilanz wären schon Anlass zum Handeln, wenn der Sektor nicht subventioniert wäre.

Bundesregierung gegen Fitness-Check der EU-Agrarpolitik

frisch aus unserer Presseabteilung:

Berlin/Brüssel – Der NABU spricht sich für eine Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik aus und begrüßt Bestrebungen auf EU-Ebene, die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) auf den Prüfstand zu stellen. Vor diesem Hintergrund kritisiert der Verband die mangelnde Unterstützung der Bundesregierung für einen solchen „Fitness-Check“ auf EU-Ebene.

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Die EU subventioniert Agrarfläche unabhängig von der Art der Bewirtschaftung. Foto: Arndt Müller.

„Die EU-Agrarpolitik verbraucht mit über 60 Milliarden Euro pro Jahr fast 40 Prozent des EU-Haushalts, versagt aber auf der ganzen Linie. Der jetzige Fördermechanismus liefert weder wesentliche Verbesserungen für den Klima-, Umwelt- und Tierschutz, noch für Verbraucher und Landwirte. Ein Fitness-Check, wie ihn das EU-Naturschutzrecht gerade erfolgreich durchlaufen hat, würde die GAP auf Herz und Nieren prüfen. Wer sich dem verweigert, verliert seine Glaubwürdigkeit – gerade gegenüber den Steuerzahlern“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Das vom Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans geleitete Gremium zur besseren Rechtssetzung, die sogenannte REFIT-Plattform, hat sich am Mittwoch zu einem möglichen „Fitness-Check-Verfahren“ für die GAP geäußert. Diesen Vorschlag hatte der NABU-Dachverband EEB (Europäisches Umweltbüro) eingebracht. Die in der Plattform vertretenen europäischen Wirtschafts-, Umwelt-, und Sozialverbände, Gewerkschaften und andere Interessengruppen sprachen sich klar für eine solche Evaluierung aus, ebenso die Vertreter einiger EU-Staaten. Die meisten Regierungsvertreter votierten jedoch dagegen, darunter nach NABU-Informationen auch die Bundesregierung. Sie wird in der REFIT-Plattform formell durch das Bundeswirtschaftsministerium vertreten. Hier der Beschluss der Plattform mit Begründung zum Download.

Der NABU fordert Kommissionspräsident Juncker und seinen Vize Timmermans auf, jetzt den Fitness Check auch für die EU-Agrarpolitik einzuleiten: „Dies ist ein Lackmus-Test für die EU. Wenn es die Kommission ernst meint mit einer effektiveren, effizienteren und bürgernäheren Gesetzgebung, dann sollte sie auf die Forderung von Wirtschaft und Zivilgesellschaft hören. Angesichts der Vertrauenskrise der EU muss sie gerade jetzt zeigen, dass sie sich nicht wie die Mehrzahl der Regierungen von einflussreichen Lobbyisten beeindrucken lässt, die ihre Subventionen behalten wollen“, so Tschimpke. Der NABU fordert seit langem eine grundlegende Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik und wird dazu Anfang November in Berlin und Brüssel Vorschläge vorstellen.

Bereits im März hatte der NABU einen Brief von 115 europäischen Organisationen an Juncker gezeichnet, in dem ein Fitness Check für die Agrarpolitik gefordert wird.

Umweltverbände fordern Einrichtung eines EU-Naturschutzfonds

Frisch aus der NABU-Pressestelle:

15.September 2016 – Anlässlich des 33. Deutschen Naturschutztages in Magdeburg veröffentlichen die Umweltverbände NABU, BUND, DNR und WWF und der Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN) einen Forderungskatalog an Länder, Bund und EU zur vollständigen Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien. Insbesondere schlagen die Verbände die Schaffung eines eigenen EU-Naturschutzfonds vor, mit dem Schutz- und Pflegemaßnahmen in den über 27.000 europäischen Natura-2000-Gebieten, Artenhilfsprogramme und weitere Maßnahmen für die biologische Vielfalt umgesetzt werden können.

Eine Neuausrichtung der EU-Finanzierung für den Naturschutz ist notwendig, weil „der derzeit verfolgte ‚integrierte Ansatz‘ der EU-Naturschutzförderung, bei dem die Mitgliedstaaten aus verschiedenen EU-Fonds die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen sollen, gescheitert ist“, so die einhellige Meinung der fünf Verbände in ihrem Forderungspapier. Nach Schätzungen der EU-Kommission wurden in der Förderperiode 2007 bis 2013 lediglich 20 Prozent der Natura-2000-Kosten, die auf sechs bis zehn Milliarden Euro geschätzt werden, mit EU-Mitteln aus den Bereichen Landwirtschaft, Regionalförderung oder Fischerei gedeckt. Da auch in den nächsten Jahren keine Verbesserung in Sicht ist, fordern die Umweltverbände zu Beginn der Debatte über die nächste EU-Haushaltsperiode 2021-2027 neue Wege zu gehen und verbindliche Mittel für den Naturschutz festzuschreiben.

Tarbeker Moor Foto: NABU/Jens Kube

Tarbeker Moor Foto: NABU/Jens Kube

Die Verbände fordern, dass die EU jährlich mindestens 12 bis 15 Milliarden Euro für den Naturschutz bereitstellt. Dies entspricht im Umfang etwa den sogenannten „Greening-Zahlungen“ aus der ersten Säule der EU-Agrarpolitik, die durch gezielte Landbewirtschaftungsmethoden den Klima- und Umweltschutz fördern sollen, nach Ansicht der Verbände jedoch weitgehend wirkungslos für die Umwelt bleiben. Unter dem neuen System könnten beispielsweise die Naturschutzleistungen von Landwirten, die Naturschutzmaßnahmen umsetzen, gezielter und besser honoriert werden.

Darüber hinaus verlangen die Umweltverbände von der EU-Kommission eine sofortige Entscheidung zur Beibehaltung der EU-Naturschutzrichtlinien. Der sogenannte Fitness-Check der EU-Naturschutzrichtlinien ergab, dass dieser Rechtsrahmen effektiv, effizient und modern ist (NABU-Übersetzung der Schlussfolgerungen hier zum Download). Dennoch schiebt die Kommission eine Entscheidung über den Fortbestand der Richtlinien „auf die lange Bank“.

BREAKING NEWS: EU-Kommission veröffentlicht Fitness-Check-Studie

Heute hat die Europäische Kommission Einsicht in eine seit März zurückgehaltene Expertenstudie über die EU-Naturschutzrichtlinien gewährt. Sie gab damit einem Antrag des WWF statt und reagierte auf wochenlangen Druck der Naturschutzverbände, die Ergebnisse endlich zu veröffentlichen. Die Studie kann hier im PDF-Format heruntergeladen (Englisch) werden. Eine deutsche Übersetzung des zusammenden Kapitels der Studie finden Sie hier.
Ein Entwurf der Studie von Januar 2016 war bereits am 15.6. an die Presse geleakt worden. In den nächsten Tagen werden wir analysieren, was sich zwischen Entwurf und Endversion eventuell durch politische Einflussnahme noch geändert hat. Die Studie beschreibt die Ergebnisse einer über ein Jahr währenden europaweiten Untersuchung zur „Fitness“ des EU-Naturschutzrechts.FCstudycoverfinal

Umweltminister protestieren mit…

Das Thema steht nicht auf der Tagesordnung des heutigen Umweltrates, und doch diskutieren die EU-Umweltminister gerade genau das (live-stream). Und einige opferten sogar einen Teil ihrer Mittagspause um mit uns vor dem Gebäude gegen die Blockade des Kommissionspräsidenten Juncker zu protestieren. Die deutsche Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter vetrat die Umweltministerin in Luxemburg und äußerte sich in einem kurzen Interview.

 

Hier die Bilder der Parlamentarischen Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter, der französischen Umweltministerin Ségolène Royal, der luxembourgischen Ministerin Carole Dieschbourg und ihrer Kollegen aus Estland und Griechenland.

NatureLeaks: Auch EU-Umweltminister verärgert über Kommission

Heute versammeln sich die Umweltminister zu ihren vierteljährlichen Ratstreffen in Luxemburg. Obwohl die vorsitzenden Niederländer das Thema EU-Naturschutzrichtlinien wieder von der Tagesordnung genommen haben – nachdem klar geworden war, dass die EU-Kommission nicht rechtzeitig ihre Evaluierung der Richtlinien vorlegen würde – erwarten wir, dass das Thema zur Sprache kommt. Die deutsche Umweltstaatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter hat bei der Ankunft heute morgen bereits gesagt, dass sie öffentlich Klartext gegenüber dem ebenfalls anwesenden EU-Umweltkommissar Vella reden will.

Schon im Dezember hatten die Minister die Kommission aufgerufen, sich auf Umsetzung statt Änderung der Richtlinien zu konzentrieren. Seit Januar liegt das eindeutige Votum der Experten vor, im Februar stimmte das EU-Parlament fast einstimmig ab – alles spricht dafür, endlich wieder an die Arbeit zu gehen, den Rechtsrahmen beizubehalten und wieder Naturschutz zu machen. Aber jetzt haben wir Juni und seit bald 1000 Tagen stehen die Naturschutzrichtlinien auf dem Prüfstand. Die große Frage ist, was oder vielmehr WER sägt immer noch an unseren Naturschutzgesetzen?

Der NABU ist vor Ort in Luxemburg und berichtet über Twitter (@NABU_biodiv, #NatureAlert). Die Sitzung lässt sich teilweise auch im Internet verfolgen, vermutlich wird es gegen 15:30 Uhr besonders interessant.

BundesumweltministerinBarabara Hendricks initiiert Allianz gegen die Öffnung der EU-Naturschutzrichtlinien ()

Bundesumweltministerin Barabara Hendricks initiierte schon 2015 eine Allianz gegen die Öffnung der EU-Naturschutzrichtlinien (Foto: EU)

NatureLeaks: Frans Timmermans in Bedrängnis

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Erster Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, gestern im Umweltausschuss des Europaparlaments (EP-Videostream).

Bei der gestrigen Sitzung des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments musste sich der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, für die Naturschutzblockade im eigenen Haus rechtfertigen. Heftig angegriffen von Vertretern fast aller Parteien, bekräftigte er seinen „pragmatischen Ansatz“, keine Änderungen an Gesetzen vornehmen zu wollen, die funktionieren. Gleichzeitig solle man aber grundsätzlich verbessern, was man verbessern könne. Ebenso wenig legte er sich fest, wann die Kommission die Entscheidung über die Zukunft der EU-Naturschutzrichtlinien treffen würde. Man wolle aber dann gleichzeitig Vorschläge machen, wie der Artenschwund dringend gestoppt werden könnte. Die EU-Abgeordneten wären dann die ersten, die davon erfahren würden.

Es war nicht zu erwarten, dass sich der Vizepräsident, der mächtigste Mann neben Juncker, festlegen würde. Die durchgesickerte Evaluierungsstudie, die beweist, das das Expertenvotum zur „Fitness“ der Richtlinien bereits im Januar sehr klar war, brachte ihn jedoch deutlich in die Defensive. Dazu die einstimmige Aufforderungen, die Entscheidung zum Erhalt der Richtlinien nicht länger zu verzögern – aus nahezu allen politischen Lagern, unter anderem von den Abgeordneten Peter Liese (CDU), Matthias Groote (SPD), Gerben-Jan Gerbrandy (Liberale, Niederlande), Mark Demesmaeker (Konservative, Belgien), Margret Auken (Grüne, Dänemark) und Katerina Konecna (Linke, Tschechien). Einzelne Redner empörten sich auch darüber, dass die Kommission die Flüchtlingskrise oder das britische Referndum als Ausrede für die Verzögerung nutze. Im Gegenteil: jeder Eindruck, die Kommission entscheide nicht transparent, zeichne ein fatales Bild für die Bürger. Die Debatte lässt sich auch in deutscher Übersetzung hier ansehen (Startzeitpunkt einstellen auf 17 Uhr).

Wer ist der Strippenzieher im Hintergrund?

Insgesamt blieb der Eindruck, dass der niederländische, sozialdemokratische Vizepräsident, der neben „besserer Rechtssetzung“ auch für Nachhaltigkeit zuständig ist, sich sehr unwohl fühlt in einer Lage, für die er nicht direkt verantwortlich ist. Es verdichten sich die Hinweise, dass einflussreiche (wiederum wohl von Lobbyisten beeinflusste) Strippenzieher im direkten Umfeld von Jean-Claude Juncker für die Blockade verantwortlich sind, die der Kommission jetzt viel öffentlichen Schaden einbringt. Vermutlich können jetzt nur Interventionen wichtiger EU-Regierungschefs und des Parlamentspräsidenten Martin Schulz helfen, diese Blockade zu lösen. Und dazu hilft nur weiterer öffentlicher Druck. Wir rufen deswegen auch auf zur Teilnahme an der derzeitigen Online-Kampagne der Kollegen vom WWF und des BUND. Diese hat unseren „NABU/BirdLife-Thunderclap“ Ende Mai abgelöst.

Nächste wichtige Termine: Am 20. Juni erwarten wir von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks klare Worte im EU-Umweltrat in Luxemburg. Und am Tag drauf wird sich Umweltkommissar Karmenu Vella im Europaparlament erklären müssen. Vielleicht die Gelegenheit für ihn, doch die Beibehaltung der EU-Naturschutzrichtlinien zu verkünden?

UPDATE: Das Niederländische Parlament hat am heutigen Donnerstag die sofortige Veröffentlichung der Fitness-Check-Ergebnisse verlangt (Original des soeben verabschiedeten Antrags hier).