Ampel-Aufbruch in der Naturschutzfinanzierung?

Ampel-Aufbruch in der Naturschutzfinanzierung?

Die kommende Ampel-Koalition scheint entschlossen zu sein, die jahrzehntelange Unterfinanzierung des Naturschutzes zu beenden, so lesen sich zumindest viele Passagen des vorgestellten Entwurfs für einen Koalitionsvertrag. Spannend ist die Frage, ob und wie sich die Ziele in den konkreten Haushaltsplanungen abbilden werden.

Schritt zurück: Warum braucht der Naturschutz eigentlich (mehr) Geld?

Zum einen muss investiert werden: Schutzgebiete brauchen Managementpläne, Infrastruktur und Besucherzentren, die Renaturierung von Flüssen benötigt Baumaßnahmen, ebenso die Wiedervernässung von Mooren. Zum anderen sind die meisten Naturschutzmaßnahmen keine Einmalaufgaben und sie brauchen daher eine solide dauerhafte Grundfinanzierung für Verwaltung und Betreuung bis hin zu regelmäßigem Monitoring. Vor allem aber, und das ist der größte Teil der benötigten Mittel, sollen diejenigen, die das entsprechende Land bewirtschaften, echte und einkommensrelevante Anreize dafür erhalten, dass sie Maßnahmen für die Artenvielfalt durchführen oder auf bestimmte Praktiken, wie den Einsatz von Pestiziden, verzichten. Dabei gilt, je weniger rechtlich (per Verbot oder Gebot) geregelt wird und je attraktiver die „natur-unfreundlichen“ Alternativen für die Bewirtschafter, desto mehr Geld müssen die Steuerzahler für Anreize und Kompensationen ausgeben. Sonst findet der Naturschutz nicht statt.

Wieviel Geld wird benötigt?

Vier Bereiche können unterschieden werden, die jeweils aus unterschiedlichen Finanzierungsquellen beglichen werden könnten.

  • Die seit Jahrzehnten unzureichend umgesetzten Verpflichtungen aus dem Naturschutzrecht – Schutz und Pflege von Natura-2000-Schutzgebieten und Maßnahmen um EU-rechtlich geschützte Arten in einen guten Erhaltungszustand zu bringen. Hierfür schätzen Bund und Länder einen Mindestbedarf von rund 1, 5 Mrd. Euro pro Jahr. Finanziert sind derzeit nur rund 600 Mio. Euro, vor allem aus Mitteln der EU-Agrarpolitik (60%), sowie den Haushalten von Bund und Ländern.
    Laut Schätzungen des NABU müssten statt der bisher geplanten Umschichtung von 8-15% der „Ersten Säule“ (pauschale Flächenprämien) 20% in die Zweite Säule transferiert werden. Ziel muss sein, dass in der Zweiten Säule eine Milliarde Euro für Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität zur Verfügung steht.
  • Flüsse, Wälder, das Grünland und unsere Meere sind durch jahrzehntelange Übernutzung in einem schlechten Zustand und verlieren zunehmend ihre Fähigkeit, für den Menschen wertvolle und nützliche Ökosystemleistungen zur Verfügung zu stellen (Schutz vor Extremwetter, Kohlenstoffspeicherung). Wie im EU Green Deal festgelegt, braucht es eine großangelegte Renaturierungsoffensive, die die Leistungsfähigkeit dieser Ökosysteme insbesondere für Klimaschutz und Artenvielfalt steigert. Hierzu gibt es derzeit keine belastbaren Kostenschätzungen, man kann aber sicher davon ausgehen, dass über die Jahre Investitionen in Milliardenhöhe notwendig sind.
  • Der notwendige Ausbau der erneuerbaren Energieträger und entsprechender Übertragungsnetze muss naturverträglich geplant werden. Dennoch wird er an vielen Stellen die ohnehin schon durch Landwirtschaft, Fischerei und Verkehrsinfrastruktur belasteten Tierarten treffen. Daher bedarf es gezielter Artenhilfsprogramme, die beispielsweise die Bestände von Greifvögeln und Fledermäusen so fördern und entwickeln, dass die Kollisionsrisiken mit Windkraftanlagen nicht bestandsgefährdende Auswirkungen haben. Schätzungen sind hier ebenfalls schwierig, man kann aber von mehreren Hundert Millionen Euro pro Jahr ausgehen.
  • Biodiversität kennt keine Grenzen, deshalb liegt es im ureigenen Interesse der EU und ihres reichsten Mitgliedsstaats, die ärmsten Länder der Welt im Naturschutz zu unterstützen. Die Bundesregierung hat hier bisher eine gute Rolle gespielt und trägt mit rund 800 Mio. Euro zu globalen Biodiversitätsmaßnahmen bei. Doch nach Ansicht der Umweltverbände müsste dies nun erheblich gesteigert werden, auf mindestens 2 Mrd. Euro jährlich.

Die wichtigste Maßnahme für die Naturschutzfinanzierung ist jedoch die Vermeidung von zusätzlichen Kosten: durch den Stopp umweltschädlicher Subventionen, durch globale Lieferketten, die frei von Naturzerstörung sind und durch eine Landnutzungspolitik, die naturverträglich ist. Im Folgenden soll aber nur darauf eingegangen werden, was die neue Ampelkoalition für die Mobilisierung von direkter Naturschutzfinanzierung verspricht.

Was verspricht die Ampel für die Naturschutzfinanzierung?

  • Mit Hilfe eines großen „Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz“, gespeist aus dem sogenannten Energie- und Klimafonds (EKF, der sich aus dem Emissionshandel und Bundeszuschüssen speist), soll laut Koalitionsvertrag in die Wiederherstellung geschädigter Moore, Wälder, Auen, Küsten und Meere investiert werden. Das hat das Zeug zu einem wirklichen Durchbruch. Welches Volumen das Programm haben wird, lässt sich nicht aus dem Koalitionsvertrag entnehmen – ebenso wenig, ob es lediglich bundesweite Großprojekte finanziert, oder auch Programme, in denen beispielsweise die Bundesländer eigene Projekte und Maßnahmen durchführen können. Letzteres wäre angesichts der bevorstehenden Aufgaben und der Verwaltungsherausforderung unbedingt zu bevorzugen, zumal damit auch viele „klassische Pflicht-Aufgaben“ des Naturschutzes abgedeckt werden könnten, weil diese sehr häufig auch klimawirksam sind.
  • Schon jetzt finanziert der Bund wichtige Leuchturm- und Pilotprojekte mit Programmen wie Chance.Natur (ca. 15 Mio. Euro/Jahr), dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt (ca. 30 Mio. Euro/Jahr) oder dem Förderprogramm Auen (10 Mio. Euro/Jahr). Es ist sehr zu begrüßen, dass die Ampel-Koalition durch Bündelung der Programme zu einem Bundesnaturschutzfonds die Effizienz verbessern will – und es ist sehr zu hoffen, dass damit insgesamt auch eine Aufstockung einhergeht – denn bei vielen Programmen ist die Nachfrage bisher deutlich höher als das Angebot.
  • Besonders wichtig ist es, dass die Ampelkoalition auch den Bundesländern zusätzliche Mittel für den Naturschutz verschaffen will. Die verfassungsrechtliche Zuständigkeit der Länder macht hier entweder eine Grundgesetzänderung oder die Definition einer Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe notwendig. Über die geplante Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) soll möglich werden, dass der Bund die Mittel von EU und Ländern ergänzt, gerade auch um attraktive Anreize für eine naturverträgliche Landwirtschaft zu schaffen. Der NABU fordert hier einen Sonderrahmenplan Naturschutz in Höhe von 500 Mio. Euro/Jahr.
  • Sehr vage bleibt der Koalitionsvertrag bei der bisher wichtigsten Finanzierungsquelle für den Naturschutz – der sogenannten „Zweiten Säule“ der EU-Agrarpolitik (GAP). Geplant ist die Anpassung der „Architektur“ der GAP spätestens zur Mitte der Legislaturperiode. Das Ende der pauschalen Flächensubventionen soll mit verstärkter Honorierung von Klima- und Umweltleistungen eingeleitet werden. (Mehr Informationen zu den Agrar-Themen im Koalitionsvertrag finden Sie hier.) Ähnlich im Wald: Statt Gießkannenförderung will man ein gezieltes Vergütungssystem für Waldbesitzer aufbauen, als Anreiz für eine klimagerechte Bewirtschaftung. Hier liegen große Potenziale – aber noch ist alles offen und der Koalitionsvertrag viel zu unkonkret.
  • Besonders vom Ausbau der erneuerbaren Energieträger betroffene Tierarten sollen mit eigenen Artenhilfsprogrammen gestärkt werden. Dies hat das Potenzial, zu einem echten Rettungsanker für windkraftsensible Vogel- und Fledermausarten zu werden, wenn die Erhaltungssituation der betroffenen Arten dadurch signifikant verbessert wird. Gut, dass die Ampel-Koalitionäre versichern, den europarechtlichen Rahmen einhalten zu wollen.
  • Schließlich wollen die Koalitionspartner auch die internationale Naturschutzfinanzierung „erheblich“ aufstocken, ob man sich dabei aber wieder an die Spitze der reichen Industrienationen stellen wird, bleibt bisher offen.

Fazit

Wenn den Worten des Koalitionsvertrags Taten in der konkreten Umsetzung folgen, dann sendet die neue Bundesregierung nicht nur ein Signal des Aufbruchs, sondern leitet im Naturschutz und dessen Finanzierung auch eine positive Kursänderung ein. Der NABU hat in den letzten Jahren im Einklang mit vielen anderen Verbänden und insbesondere der Wissenschaft einen Richtungswechsel gefordert.  Die Erwartungen an die künftige Umweltministerin Steffi Lemke, die in ihrer parlamentarischen Arbeit der letzten Jahre mehrfach ihre Kompetenzen im Natur- und Umweltschutz unter Beweis stellte, sind daher hoch. Die Tatsache, dass die Verabredungen im Koalitionsvertrag im parteiübergreifenden Konsens getroffen sind, lässt hoffen, dass sich dies auch im Politikalltag fortsetzen wird.

Es liegt hier viel Arbeit vor allen Beteiligten, die Chance auf eine echte Wende für die Biodiversität in Deutschland war jedoch nie größer. Es lohnt sich, die nächsten Schritte zu gehen!

4 Kommentare

Eckhardt Frömel

27.11.2021, 16:01

Hier wird nur Geld gefordert. Die Einstellung der Menschen zum Umweltschutz auch und besonders im eigenem Umfeld findet keine Berücksichtigung im Beitrag. Nur Milliarden machen das nicht.... Es braucht das Mitnehmen der Menschen. Hier muß die Politik Einfluss nehmen. Auch hier gilt nach meiner Überzeugung "" Geld alleine macht nicht glücklich"" Eckhardt Frömel

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Konstantin Kreiser

27.11.2021, 17:38

Hallo Herr Frömel, Sie haben natürlich völlig recht - Geld alleine reicht nicht, und die Einstellung von jeder und jedem von uns ist entscheidend. Aber ohne Geld geht es eben auch nicht, und es ist meiner Meinung nach die Aufgabe der Regierung, öffentliches Geld dort zur Verfügung zu stellen, wo es der Markt nicht regelt. So kann man von landwirtschaftlichen Betrieben derzeit nicht erwarten, bestimmte Naturschutzleistungen ohne zusätzliche Förderung zu erbringen. Ebenso kann man, abhängig vom Einkommen, von den "Konsument*innen" nicht wirklich verlangen 100% nachhaltig zu leben, solange sich die politischen Rahmenbedingungen nicht ändern. Daher ist uns das Programm der künftigen Bundesregierung so wichtig. Wir haben übrigens auch noch diverse andere Aspekte des Koalitionsvertrags bewertet (https://www.nabu.de/news/2021/november/30791.html)! Vielen Dank für Ihr Interesse!

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Peter Eisenberg

27.11.2021, 19:23

Im Wahlkampf ist es natürlich zum Gewinnen von Wählerstimmen nicht förderlich, von den Menschen Verzicht zu verlangen, aber eine gewählte Koalition und Regierung muss leider in Zukunft nicht nur verkünden, dass vieles, vor allem Energie, teurer wird, sondern auch darauf hinwirken, dass solche kontraproduktiven Aktivitäten wie Autorennen, Weltraumausflüge für Superreicehe, Kauf immer größerer Autos (auch E-Autos) durch deutlich höhere Besteuerung reduziert bis verhindert werden. Bei Umfragen sind die Bürger zu vielen Opfern bereit, aber in der Realität sieht es dann oft anders aus, und die Politik muss da Vorgaben machen.

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Elsa Schreder

28.11.2021, 08:48

Und Wölfe dürfen zur Freude der Jäger sogar rudelweise "entnommen " werden! Zur positiven Bewertung der Koalitionvereinbarungen ist es viel zu früh!

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