NABU-Agrar-Blog: Ampel und Landwirtschaft – da könnte was gehen!

25.11.2021. Vorbei die wochenlange Ungewissheit, wie es weitergeht mit der Agrarpolitik in Deutschland: Die Ampelparteien legen mit ihrem Koalitionsvertrag Ansatzpunkte für echte Veränderungen wie den Umbau der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vor, bleiben in vielen Punkten jedoch vage. Hoffnung auf neuen Schwung macht vor allem die Ressortaufteilung: Umwelt, Landwirtschaft und Klimaschutz werden künftig von Minister*innen derselben Partei geführt. Die traditionelle Blockade zwischen Umwelt- und Landwirtschaft könnte sich vielleicht in Luft auflösen. Grund zur Euphorie? Nicht ganz. Fragezeichen bleiben bei der Finanzierung.

Bis zur Halbzeit der Legislatur will die neue Bundesregierung eine Evaluierung und Anpassung der laufenden GAP-Umsetzung in Deutschland vornehmen. Gleichzeitig will sie ein Konzept vorlegen, wie die Flächenprämien ab 2027 durch die Honorierung von Klima- und Umweltleistungen ersetzt werden können – eine zentrale Forderung des NABU. Essenziell wichtig: Es reicht nicht aus, in Deutschland das Ende der Direktzahlungen zu beschließen – dazu braucht es Mehrheiten auf EU-Ebene. Die Bundesregierung darf, anders als dies in der Vergangenheit der Fall war, in Brüssel nicht mehr auf die Bremse treten, sondern muss eine Vorreiterrolle einnehmen. Dies könnte durch die Ressortaufteilung begünstigt werden.

Finanzierung der Transformation bleibt spannend

Vorschläge für die Transformation der Landwirtschaft bzw. den Umbau der Tierhaltung liegen mit den Ergebnissen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) bzw. der Borchert-Kommission auf dem Tisch. Der Koalitionsvertrag nimmt auf diese Papiere jedoch keinen expliziten Bezug und ignoriert wesentliche Empfehlungen. Beispielsweise werden die Finanzierungsvorschläge, wie Mehrwertsteueränderungen oder eine EEG-ähnliche Umlage, nicht aufgegriffen. Stattdessen stehen private Finanzierungsmodelle im Vordergrund.

Man will insgesamt mehr Mittel mobilisieren und umschichten, um Betrieben Anreize für naturverträgliches Wirtschaften und Naturschutzmaßnahmen zu geben. So sollen die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) finanziell besser ausgestattet und die Mittel für die Vertragsnaturschutzprogramme der Länder erhöht werden. Dies begrüßt der NABU ausdrücklich. Mit konkreten Zahlen sind diese Vorhaben jedoch noch nicht unterlegt. Das Thema der Finanzierung bleibt also spannend. (Hier eine ausführliche Analyse zum Thema Naturschutzfinanzierung im Koalitionsvertrag.)

Foto: NABU/Paul Möller

Viel Spielraum für die Ausgestaltung

Ähnlich verhält es sich mit den Zielen und Strategien auf EU-Ebene, wie dem Green Deal oder den daraus resultierenden Farm-to-Fork- und Biodiversitätsstrategien, die keine Erwähnung finden. So besteht offenbar noch keine Einigung darüber, wie das EU-Ziel erreicht werden soll, mindestens zehn Prozent Rückzugsräume für die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu schaffen. Der geplante Umbau der GAP hingegen könnte Spielräume für Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität auf landwirtschaftlichen Flächen bieten.

Der Pestizideinsatz soll deutlich verringert werden, um Insekten besser zu schützen – eine nationale Reduktionsstrategie sucht man aber vergebens. Auch hier keine Spur von einem Bekenntnis zur Farm-to-Fork-Strategie der EU, die das Ziel hat, das Risiko durch Pflanzenschutzmittel bis 2030 (basierend auf der Gesamttoxizität pro Fläche) zu halbieren. Gleiches gilt für weitere Elemente eines verbesserten Insektenschutzes wie den Refugialflächenansatz. Glyphosat hingegen soll bis Ende 2023 vom Markt genommen werden. Zu diesem Zeitpunkt endet auch die aktuelle Zulassung.

Schwammig auch die Ausführungen zum Abbau der Tierbestände. Immerhin soll sich die Entwicklung der Tierbestände an der Fläche orientieren und mit den Zielen des Klima-, Gewässer- und Emissionsschutzes in Einklang gebracht werden.

Ganz konkret und ambitioniert: 30 Prozent Ökolandbau bis 2030

30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche sollen in Deutschland bis 2030 ökologisch bewirtschaftet werden. Damit wird das Ziel der EU sogar um fünf Prozent überboten. Eine sehr ambitionierte Aufgabe, sind aktuell nur rund zehn Prozent der Agrarflächen “bio”. Sinnvoll sind daher auch die begleitenden Maßnahmen zur Förderung der gesamten Bio-Wertschöpfungsketten sowie die Erhöhung der Forschungsgelder für die ökologische Landwirtschaft.

Foto: Klemens Karkow

Unter dem Stichwort „Bodenpolitik“ nennt der Vertrag die künftige Verpachtung der staatlichen BVVG-Flächen im Sinne des Klima- und Artenschutzes bzw. für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Dass die neue Regierung diesen Hebel für eine nachhaltigere Landbewirtschaftung vorsieht, ist auch wegen der Symbolwirkung grundsätzlich positiv zu bewerten.

Darüber hinaus will die künftige Bundesregierung sich aktiv auf EU-Ebene bei der Ausgestaltung der EU-Bodenrichtlinie sowie der Rahmenbedingungen für CO2-Zertifikate in der Landwirtschaft einbringen. Dies ist zu begrüßen. Hier kommt es jedoch auf die Programmierung an. Die Mindeststandards für Zertifikate, besonders im Ackerbau, sollten hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.

Auch die NABU-Forderung nach regionalen Agrar-Naturschutzkooperativen greifen die Ampel-Parteien in dem Koalitionsvertrag auf. Dafür soll die rechtliche Grundlage geschaffen werden. Auch hier wäre noch Platz für weitere Ausführungen. Dafür gibt es viel Gestaltungsspielraum für das künftige Landwirtschaftsministerium. An die Arbeit!

Der NABU-Agrar-Blog

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2 Kommentare

Martin Kaiser

26.11.2021, 06:05

Der Koaltionsvertrag nennt explizit „das niederländische Modell“, das andere Verteilungsstrukturen jenseits der trägen Landwirtschaftskammern vorsieht.Hier scheint ein Hebel auf, das überkommene System zu reformieren, Der Widerstand der Landwirtschaftskammern wird groß sein.

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Martin Kaiser

26.11.2021, 06:15

Niederländisches Modell: https://www.bauerwilli.com/gelungener-naturschutz-das-hollaendische-modell/ https://www.government.nl/binaries/government/documents/policy-notes/2018/11/19/strategiepapier-ministerium-fur-landwirtschaft-natur-und-lebensmittelqualitat/Strategiepapiers+Ministerium+für+Landwirtschaft+Natur+und+Lebensmittelqualität.pdf

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