Rastlos und gesellig: Sanderlinge
Beim heutigen Wetter fühlt man sich in den Herbst versetzt und mag kaum glauben, dass es erst Anfang Juni ist. Doch um den Sturm soll es erst morgen gehen. Jetzt möchte ich ein paar Tage zurück gehen, als das Wetter noch sommerlich warm war. Denn Ende Mai/Anfang Juni ist es auch für die letzten verbliebenen Wintergäste im Wattenmeer Zeit, in ihre Brutgebiete aufzubrechen. Dazu gehören Knutts, Sandregenpfeifer, Alpenstrandläufer und andere. Auf Trischen sind besonders die Sanderlinge (Calidris alba) zu nennen, welche hier mit bis zu 3.000 Tieren einen bedeutenden Teil des im Wattenmeer rastenden Bestandes ausmachen. Diese haben das gute Wetter am letzten Wochenende für ihre lange Reise nach Norden genutzt.
Die staren-großen Sanderlinge sieht man im Winter oft in kleineren Trupps am Strand nach Nahrung suchen, indem sie flink an der Wasserkante auf- und ablaufen. Sie sind dann noch im Schlichtkleid in unscheinbarem Weiß, Grau und Schwarz. Im Englischen tragen sie deshalb auch den Spitznamen „tidal clockwork mouse“, also in etwa eine aufziehbare Spielzeugmaus der Gezeitenlinie.
So war es auch hier. Als ich vor nun zweieinhalb Monaten hier auf der Insel ankam, waren auch schon einige Sanderlinge da. „Schon“, weil nur ein Teil der Sanderlinge im Wattenmeer überwintert. Ein großer Teil zieht weiter nach Südwesten bis an die Küsten West-Afrikas, teilweise bis nach Namibia.
Im April und Mai wurden die Trupps immer größer bis schließlich große Schwärme bei Hochwasser über den Strand wogten. Denn die Überwinterer aus dem Süden kommen ins Wattenmeer und legen einen letzten Zwischenstopp ein, um sich noch mal Fett für die letzte Etappe in die Brutgebiete anzufressen. Gleichzeitig mausern sie aus dem Schlicht- ins Prachtkleid und so konnte ich hier sehr schön die Verwandlung der grauen in rostrote „Mäuse“ verfolgen.
Wenn sie dann genug gefressen haben, werden sie immer unruhiger. Denn auch sie wollen möglichst schnell mit der Brut anfangen. Schließlich war es am vergangenen Wochenende soweit: Die Bäuche scheinen voll gewesen zu sein und das Wetter scheint gepasst zu haben. So sind sie bei Sonnenuntergang in laut zwitschernden Trupps von ungefähr hundert Tieren nach Nordnordwest aufgebrochen. Doch schon bald wird es ein Wiedersehen geben. Bereits im Juli kommen die ersten zurück.