Die Allerweichste mit dem schwarzen Körper
Niedrigwasser. Ich sitze unter meinem provisorischen Sonnensegel und blicke auf das Watt. Weit draußen auf der Sandbank und im Priel flimmern unter der Sonne unzählige schwarze Punkte. Sie sind nur zu erahnen, aber ich weiß, dass sie da sind. Bei der Springtidenzählung letzte Woche „zählte“ oder eher „rasterte“ ich rund 9.500 Individuen der Somateria mollissima, was in etwa bedeutet „die Allerweichste mit dem schwarzen Körper.“ Die meisten kennen sie jedoch unter der Bezeichnung „Eiderente“.
Ihren Namen trägt die Eiderente nicht ohne Grund, denn die Daunen ihres Gefieders sind ungewöhnlich weich und isolierend. Das hilft der Meeresente nicht nur bei den rauen Wetterbedingungen in ihrem Verbreitungsgebiet in der nördlichen Hemisphäre, sondern isoliert ebenfalls die Eier im Nest, welches die Eiderenten mit ihren Bauchdaunen auspolstern. Auch der Mensch hat schnell die isolierenden Eigenschaften der Eiderentendaune erkannt und für sich genutzt. Sie werden aus den Nestern gesammelt, gesäubert und als Füllmaterial für Decken und Kissen verwendet.
Wie die große Anzahl der Eiderenten auf Trischen vermuten lässt, handelt es sich bei den derzeit etwa 9.500 Individuen nicht um Brutvögel. Die Eiderenten stammen größtenteils aus der Ostsee und kommen ins Wattenmeer, um hier zu mausern. Sie führen eine sogenannte Vollmauser durch, erneuern also neben dem Körpergefieder auch ihr Großgefieder. Und so werden aus den herrlich gefärbten weiß-schwarzen Männchen mit grünem Nackenband, dunkel gefärbte Gesellen. Die Großgefiedermauser setzt nach der Mauser des Körpergefieders ein und umfasst Schwung- und Steuerfedern, weshalb die Eiderenten für einige Zeit flugunfähig sind. In dieser vulnerablen Lebensphase brauchen sie also einen möglichst ungestörten Ort mit ausreichenden Nahrungsgrundlagen.
Welche das sind, wird schnell bei einem Strandspaziergang klar. Neben den gemauserten Federn, zeugen nämlich auch Speiballen von ihrer Anwesenheit auf Trischen. Als Meeres- und Tauchenten findet die Eiderente ihre Nahrung am Meeresboden, meist in Form von Muscheln oder Krebstieren. Diese werden im Ganzen verschluckt und dann mithilfe ihres Muskelmagens geknackt. Damit das Knacken etwas einfacher geht, werden auch kleinere Steinchen mit aufgenommen. Der unverdauliche Rest, die Schale, wird nach oben gewürgt und findet sich in Form kleiner Bällchen am Strand wieder.
Ich mag die auf den ersten Blick etwas plump wirkenden Enten sehr gerne. Wie sie so über das Wasser dümpeln, mit einem „plop“ abtauchen oder sich gelegentlich aufrichten und ihre Flügel „ausschütteln“ geben sie für mich ein Bild der vollkommenen Gelassenheit ab. Aber am allerliebsten höre ich ihnen an windarmen Abenden zu, wenn ihr Ruf weit über das Wasser schallt und bis zu meiner Hütte getragen wird. Das „oua“ wirkt ungemein beruhigend auf mich und passt perfekt zu der gemütlich wirkenden Ente und der friedlichen Abendstimmung auf Trischen.
Ihre Melanie Theel