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Angekommen!

Endlich! Diese Zeilen schreibe ich Ihnen von einer kleinen Holzbank an der Vogelwärterhütte. Die Sonne sinkt langsam gen Horizont, und nachdem ich sie mittags bereits im T-Shirt genießen konnte, habe ich mir jetzt doch einen dicken Pullover übergezogen. Ich sitze an der Westseite der Hütte, das Fernglas liegt neben mir, und wenn ich auch schreibe, habe ich doch immer ein Ohr im Wind:

Aus den noch braunen Salzwiesen rundherum piepst es etwas atemlos und hastig „fiist, psst, zit zit“ – das sind die kleinen Wiesenpieper, die klingen, als würden sie sich „nur noch eben ganz schnell ganz ganz dringend etwas erzählen“ wollen, bevor der Tag zu Ende geht. Ein paar hundert Meter weiter, direkt hinter der Dünenkante zum Strand, rollt der seltsame, gutturale und irgendwie urtümliche Ruf der Ringelgänse, die sich vor dem baldigen Abflug vielleicht schon von ihrer Heimat im arktischen Norden erzählen.  Hoch in der Luft stehen noch die scharfen Rufe einiger Sturmmöwen. Und in den Prielen locken die Strahlen der Abendsonne den Großen Brachvögeln einen letzten melodiösen Triller aus der Kehle. Es ist wunderschön.

Seit vorgestern bin ich nun auf Trischen. Die Überfahrt gelang morgens um 11:00 Uhr bei fast spiegelglatter See. Zwar stand die Küste noch etwas im Dunst, aber der Himmel war schon klar und lichtblau. Als wir nach knapp drei Stunden den ersten Fuß an Land setzten, war die Sonne voll durchgebrochen und präsentierte uns den von Muschelschill über und über bedeckten Strand in diesem reinen, harten Weiß, das richtig blenden kann und ja wirklich aus einer Mischung von Licht und Kalk gemacht ist. Es ist den Nordseestränden so eigen!

Aber die Idylle täuscht leicht darüber hinweg, dass hier bis vor kurzem noch ein ganz anderer Geist regierte. Es müssen wirklich unglaubliche Gewalten gewirkt haben während der Sturmfluten der letzten Wochen: Die Treppe zur Hütte ist abgebrochen, und mit ihr hat das Meer das gesamte im Zwischendeck unter dem Hüttenboden gelagerte Brennholz genommen. Und meine Vorgängerin Anne hatte so fleißig gesägt für Wärme in der Hütte… Wie hoch das Wasser gestiegen ist, sieht man an den Treibselresten, die am Turm im Norden in über vier Metern Höhe hängen, Sie sehen es im Bild. Frieren muss ich übrigens nicht, denn neben dem Ofen lagern noch einige Briketts, und etwas Treibholz habe ich auch schon gesammelt. In die Hütte gelange ich zunächst einmal über eine gut abgesicherte Leiter. An diese Stelle gehört natürlich noch ein großes Dankeschön an meine Umzugshelfer Anne, Karsten und Axel – danke, dass Ihr das möglich macht!

Ich habe Ihnen ein paar Impressionen zusammengestellt, damit Sie sich ein Bild von der Insel zu Jahresbeginn machen können. Vergleichen Sie es vielleicht später einmal mit weiteren Aufnahmen aus dem Jahresverlauf. Zu den Vögeln erzähle ich im nächsten Beitrag mehr, denn aus der Natur gibt es ein paar gute Nachrichten. Aber davon demnächst!

Bis dahin,

Ihr Till Holsten

 

Stadtgeflüster

Liebe Leserin, lieber Leser!

Vor meinem Fenster ruft ein Dompfaff. Es ist schon sonnig heute in Hamburg, und manchmal kitzelt die Frühmärzsonne für einen Moment seine Federn. Dann scheint er sich an etwas zu erinnern: Es mischt sich, ganz eben nur, ein Seufzen und Schnaufen in sein ohnehin schon sehr zurückhaltendes „djüü“, und es wirkt ein bisschen, als wenn er nach den Silben eines vergessenen Liedes sucht.

Gerade sitze ich an meinem Schreibtisch und friere etwas am offenen Fenster. Aber ich lasse es noch einen Moment geöffnet, denn bisweilen mischt sich in das laute Treiben der Kinder auf dem Spielplatz vor meiner Wohnung und das Klackern der Tastatur schon der vorsichtige Versuch eines Vogels, der nach den richtigen Worten für den kommenden Frühling sucht. Und mir scheint, wir haben etwas gemeinsam.

Dem Dompfaff begegnen Sie am besten vor der Tür. Oder in der einschlägigen Bestimmungsliteratur. Mir begegnen Sie hier. Im kommenden Sommer darf ich mit Ihnen teilen, was ich auf der Nordseeinsel Trischen erlebe.

Wenn man Wildnis daran bemisst, wie viele Menschen sich an einem Ort aufhalten, ist Trischen einer der wildesten Orte Mitteleuropas. Hier trotzen Möwen dem Sturm, hier brüten weitgereiste Seeschwalben und Watvögel, hier formen Wind und See ein Stückchen Land, kaum größer als ein kleines Stadtviertel, ohne dass Deiche, Poller und Grenzen ihnen Einhalt gebieten. Ein einziger Mensch sieht zu. Ich habe das große Glück, dieser Mensch zu sein. Nun gehört Glück bekanntlich zu den Dingen, die sich vermehren, wenn man sie teilt. Und deshalb möchte ich Sie einladen, durch meine Augen zu sehen, durch meine Ohren zu hören und durch meine Worte vielleicht ein klein wenig zu fühlen, was diese – wie wir sehen werden, relative – Wildnis ausmacht, bis mich Mitte Oktober das Boot von Axel Rohwedder wieder ans Festland bringt.

Meine Daseinsberechtigung in diesem empfindlichen Stück Natur besteht übrigens in Nichts weiter, als sie zu beobachten und zu dokumentieren – und damit vielleicht ein Stück zum Verständnis der Prozesse, die ihr innewohnen und denen sie ausgesetzt ist, beizutragen. Mir liegt das schon deshalb am Herzen, weil dem eine gewisse biographische Tradition zugrunde liegt. Ich habe 2006/2007 meinen Zivildienst im NABU-Naturzentrum Katinger Watt abgeleistet und bin nach dem Studium prompt zu meiner alten Liebe zurückgekehrt, um für ein weitere Sommersaison die Brutvögel am Eidersperrwerk zu erfassen.  Nach fünf Jahren, die ich als Arzt und Wissenschaftler an einer großen Universitätsklinik gearbeitet habe, ruft mich nun wieder die Küste. Mein Leben spielt sich also ohnehin irgendwo zwischen Mikroskop und Fernglas ab.

Sie werden also dabei sein, wenn ich Vögel zähle, die Insel vermesse, wenn ich Wasser und Nahrung vom Boot geliefert bekomme, in die Welt der Nachtfalter eintauche und in der Salzwiese Pflanzen bestimme. Sie werden tosenden Sturm erleben und Sommerhitze, das erste Ei eines Rotschenkels im Frühling und die letzte Feldlerche auf dem Herbstzug, bevor ich die Insel im Oktober wieder verlasse. Und vielleicht werden Sie auch den einen oder anderen einsamen Abend in der Hütte mit mir verbringen. Sie sind deshalb herzlich eingeladen, mir im Kommentarfeld des Blogs zu schreiben: Teilen Sie auch Ihre Naturerlebnisse mit mir! Ich bin gespannt darauf, was Sie dieses Jahr erleben und hoffe, dass Sie mich auf ein paar Schritte am Spülsaum und den einen oder anderen Vogelkiek begleiten werden.

Inzwischen dämmert es. Der Dompfaff hat sich wohl noch einmal zurückgezogen um sich zu überlegen, wie sein Lied weitergeht. Ich bin froh, einige Silben gefunden zu haben. Wir beide haben noch etwas Zeit. Mitte März geht es dann los. Ich steige auf die Planken. Und mein Dompfaff hält die Stellung in Hamburg.

Bis dahin bleibe ich Ihr

Till Holsten

Land unter

Bei 1,5 Meter mehr angesagtem Wasser als normal, würde ich nun doch mal von einem richtigen Land unter sprechen.

Arbeiten an der Trischen-Hütte

So wie Wind und Wasser an Trischen nagen, nagen sie auch an der Trischen-Hütte. In diesem Jahr standen wieder etwas größere Ausbesserungsarbeiten an.

Wattkartierung 2019 – Hinein ins Getümmel!

Wattkartierungsausrüstung (Foto: A. de Walmont)

Der „Lebensraum auf den zweiten Blick“ wurde kartiert! Auf viele Menschen wirkt das Wattenmeer wie eine trostlose, schlickige Wüste. Das ist  es aber nicht!  Ganz im Gegenteil. Das Watt ist eines der biologisch produktivsten Ökosysteme. Hier wimmelt es nur so von Lebewesen!