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Tschüss Trischen: Vom Abschied nehmen und ankommen auf dem Festland

Tschüss Trischen: Vom Abschied nehmen und ankommen auf dem Festland

Anfang Oktober hat das Landunter die Insel wieder verwandelt. Die Salzwiese, die über den Sommer hinter den Dünen hoch und dicht gewachsen war, liegt nun flach am Boden. Große Sandflächen sind wieder sichtbar – fast wie im März, als ich hier ankam. Auch die Vogelarten, die mich damals begrüßten, sind zurück: die ersten Ringelgänse sind wieder da und Rotdrosseln ziehen über die Insel. In diesem Moment wurde mir klar: Der Kreis hat sich geschlossen. Das Bild ist rund – und es ist Zeit zu gehen.

Hütte und Insel nach dem Landunter Anfang Oktober

Das Wetter spielte mit und erlaubte den spätestmöglichen Umzugstermin: Den 15. Oktober. Vor genau einer Woche also kam Axel mit meinen Umzugshelfer:innen. Nach einem grauen Morgen mit Nieselregen zeigte sich sogar noch die Sonne. Wir konnten meine sieben Sachen ohne Probleme zum Boot bringen, die Hütte verriegeln – und ich hatte Zeit, mich in Ruhe zu verabschieden. Auf der Rückfahrt saß ich draußen und blickte zurück, bis auch die letzte Silhouette von Trischen am Horizont verschwunden war.

Das Ankommen auf dem Festland war weniger spektakulär, als ich es mir vorgestellt hatte. Und doch gab es viele kleine Freuden: eine ausgedehnte heiße Dusche, das Wiedersehen mit Familie und Freunden. Auf der Fahrt zurück nach Freiburg bewunderte ich ununterbrochen die leuchtende Laubfärbung der Bäume. Die alltäglichen Rufe von Spatzen und Meisen – auf Trischen nicht zu hören – erzeugten ein wohliges Gefühl von Zuhause in mir.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Leser:innen bedanken: fürs Mitlesen, für die vielen netten, mitfiebernden und lobenden Nachrichten im Gästebuch und für die Wertschätzung meiner Arbeit. Es hat mir große Freude gemacht, euch ein Stück weit mit auf die Insel zu nehmen und meine Erlebnisse zu teilen.

Dies ist mein letzter Blogartikel – aber am kommenden Sonntag, den 26.10., wird es noch einen kleinen Vortrag über Trischen im Deichhaus in Nordermeldorf geben. Außerdem entsteht dank eines engagierten Filmteams ein Dokumentarfilm über die Insel. Mehr Infos zum Projekt und Crowdfunding findet ihr hier: Meerland – der Film und https://www.instagram.com/meerland.film/

Im kommenden Jahr wird euch mein Nachfolger David von seinen Erlebnissen auf Trischen berichten. Ich bin genauso gespannt wie ihr – und wünsche ihm eine wunderschöne Zeit auf der Insel!

 

Eure Naturschutzwartin 2025
Mareike Espenschied

Ein Hauch von Spätsommer

Ein Hauch von Spätsommer

Es ist Anfang August – die Zeit vergeht wie im Flug. Trotz vieler Regentage liegt der Spätsommer spürbar in der Luft. Das markante Rufen der Rotschenkel ist inzwischen dem gleichmäßigen Zirpen der Heuschrecken gewichen. Die Jungmöwen, die wir vor ein paar Wochen beringt haben, sitzen nun unter den anderen Möwen am Strand. Nur ihr dunkelgraues Federkleid verrät, dass sie erst vor ein paar Monaten aus einem Ei geschlüpft sind. Es ist schön zu sehen, dass es doch einige der Küken geschafft haben groß zu werden.

Auch die nordischen Brutvögel kehren zurück. Tausende Alpenstrandläufer und Knutts sind wieder im Wattenmeer angekommen. Manche von ihnen werden den ganzen Herbst und Winter hier verbringen – andere fressen sich auf dem reich gedeckten Tisch der Wattflächen ausreichend Fettreserven für den Weiterflug an.

Noch viel überwältigender sind die Zahlen der Brandgänse und Eiderenten, die sich zurzeit auf und um Trischen aufhalten. Zehntausende sind hier, um ihr Federkleid zu erneuern. Dieser Prozess wird mausern genannt. Brandgänse und Eiderenten vollziehen eine sogenannte Vollmauser. Dabei wechseln sie all ihre Federn in einem Zeitraum von wenigen Wochen, einschließlich der Schwungfedern, was bedeutet, dass sie mehrere Wochen lang flugunfähig sind. Gerade in dieser störungsempfindlichen Phase brauchen sie viel Ruhe und ausreichend Nahrung, was sie hier um Trischen vorfinden.

Auch die Salzwiesen zeigen sich von ihrer schönsten Seite: Der Strandflieder steht in voller Blüte und taucht ganze Flächen in ein sanftes Lila. Mein aus Treibholz gebautes „Lockgebüsch“, vom Hüttenfenster aus gut sichtbar, wird inzwischen wieder regelmäßiger von Singvögeln aufgesucht. Besonders der Fitis macht derzeit häufig Halt – mal nur für eine Nacht, manchmal auch für mehrere Tage. Die Überwinterungsgebiete des Fitis liegen südlich der Sahara. Um diese Strecke zu bewältigen, ist der 8 Gramm schwere Vogel mit etwas längeren Flügeln als seine Schwesternart, der Zilpzalp, ausgestattet und verlässt seine Brutgebiete auch früher.

Zu Hochwasser sitze ich momentan am liebsten an der Südspitze, gut versteckt in den Dünen. Von dort aus lassen sich die rastenden Watvögel besonders gut beobachten. Ich konnte schon einige beringte Individuen ablesen – und auch ein paar besondere Gäste entdecken: Ein Sumpfläufer war dabei, und sogar einen ungewöhnlich weißen Austernfischer konnte ich entdecken.

Es ist schön sich wieder freier auf der Insel bewegen zu können, durch die Salzwiesen zu streifen und sich auch mal irgendwo in die Dünen zu setzten,ohne einer Schar an warnenden Brutvögeln über sich zu haben.

 

Bis bald,
Eure Naturschutzwartin 2025
Mareike Espenschied

 

Die Hälfte um, die Hälfte vor mir – Gedanken zur Halbzeit auf Trischen

Die Hälfte um, die Hälfte vor mir – Gedanken zur Halbzeit auf Trischen

Der Juli ist da – und damit ist für mich schon die Hälfte meines Aufenthalts hier auf Trischen um. Die Zeit rast, und doch fühlt es sich an, als würde sie hier in einem ganz eigenen Takt vergehen. Ich möchte jeden Moment aufsaugen und speichern, weil ich weiß, dass ich nur einmal Naturschutzwartin auf Trischen sein werde und diese Zeit begrenzt ist.

In meinem Blogbeitrag Alltag auf Trischen habe ich schon davon gesprochen, dass es für mich ungewohnt ist, so lange ununterbrochen an einem Ort zu bleiben. Nun bin ich schon über drei Monate hier – ein Vierteljahr! Das klingt lang, aber tatsächlich ist die Zeit unglaublich schnell vergangen.

Das liegt vielleicht daran, dass das Zeitgefühl hier anders ist. Mein Alltag auf Trischen ist nicht so schnelllebig wie auf dem Festland. Die Tage vergehen langsamer, und gleichzeitig erlebe ich die Zeit intensiver. Wahrscheinlich, weil ich weniger Reizen ausgesetzt bin, aber auch weil ich aufmerksamer über die Insel gehe als durch den gewöhnlichen Alltag.

Wenn ich morgens aufstehe, schnappe ich mir meist als erstes das Spektiv und verschaffe mir vom Umlauf der Hütte aus einen Überblick: Wer ist da? Wer nicht? Hat sich etwas verändert? Vor einigen Wochen beispielsweise verhielten sich die Vögel plötzlich merkwürdig. Statt auf ihren Nestern saßen sie aufgeregt auf den Wattflächen. Nur deshalb entdeckte ich schließlich das Nutria, ein aus Südamerika stammendes Nagetier, welches sich auch am und im Wattenmeer wohlfühlt.

So bekomme ich hier jede Veränderung mit: welche Vogelarten im Jahresverlauf kommen und gehen, welche bleiben, was gerade blüht, wie sich die Dünen und der Strand nach einem Sturm verändern. Das alles beobachte und dokumentiere ich und ich könnte es nicht so genau und akribisch tun, wenn ich nicht die ganze Zeit vor Ort wäre.

Seit ein paar Tagen sind wieder einige hundert Alpenstrandläufer da, zurück aus ihren arktischen Brutgebieten. Die Nonnengänse führen ihren Nachwuchs und tausende Eiderenten und Brandgänse versammeln sich zur Mauser rund um die Insel. Es ist schön, den Jahresverlauf Trischens so hautnah mitzuerleben.

Nönnengänse mit Nachwuchs, im Hintergrund mausernde Eiderenten

Ich bin hier vom Traveler zum Patchworker geworden, wie Arnulf Conradi die zwei Typen von Vogelbeobachter*innen in seinem Buch Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung beschreibt. Der Traveler (dt. Reisender) ist auf der ganzen Welt unterwegs, um an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Landschaften neue Vogelarten zu beobachten und seine Life-list zu verlängern. Der Patchworker bleibt stets am selben Ort und beobachtet die Vögel auf seinem Patch (dt. Stelle, Flecken). Nach meiner Zeit hier werde ich wohl wieder eher zum Traveler werden, aber ich kann von mir sagen, dass ich die Vorzüge eines Patchworker-Daseins kennen und schätzen gelernt habe.

Zum Wohl! – Mit der Insel auf die gemeinsame Zeit anstoßen 🙂

Doch das gute an der Halbzeit ist, dass nochmal genauso viel Zeit, spannende Erlebnisse und stille Glücksmomente vor mir liegen. Auf eine wundervolle 2. Hälfte als Naturschutzwartin auf Trischen!

 

Eure

Mareike Espenschied

 

Buchtipp: Conradi, A., Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung, Verlag Antje Kunstmann, ISBN 978-3-95614-289-5

 

Alltag auf Trischen: Ein Tag im Leben einer Naturschutzwartin

Alltag auf Trischen: Ein Tag im Leben einer Naturschutzwartin

In den letzten Tagen standen einige dringende Aufgaben an, deshalb hat sich dieser Blogeintrag etwas verzögert. Jetzt aber ist wieder etwas mehr Luft und Muße da.

Normalerweise fällt mir im Laufe der Woche etwas ein, was ich euch von meinem Inselalltag berichten möchte. Diesmal ist mir das schwerer gefallen – vielleicht auch ein Grund warum ihr diesmal länger auf den nächsten Blogartikel warten musstet. Doch Inselalltag ist das Stichwort, denn oft werde ich gefragt: „Wie sieht eigentlich dein Tagesablauf auf Trischen aus?“  Deshalb gebe ich euch heute einen Einblick in meinen Alltag auf der Insel:

 

Heute klingelt kein Wecker, aber ich wache trotzdem früh auf. Die ersten Sonnenstrahlen fallen in die Hütte. Die pfeifenden Rotschenkel und  die kreischenden Möwen und Seeschwalben machen mir deutlich: Zeit aufzustehen!

Nach dem Frühstück checke ich das Wetter und meine E-Mails: Eine Essensbestellung muss bestätigt werden, eine Anfrage für ein Zeitungsinterview trudelt ein und ein Termin für die Löfflerberingung will koordiniert werden.

In zwei Stunden ist Niedrigwasser – ein guter Zeitpunkt mich auf den Weg zur Löfflerkolonie zu machen. Hier müssen die SD-Karten der Wildtierkameras und ggf. Akkus ausgetauscht werden. Der Weg Richtung Norden der Insel führt mich an viel angespültem Müll vorbei, sowie an einer toten Eiderente. Ich dokumentiere jeden Vogelfund: Art, Fundort, Zustand – alles notiere ich in meinem Notizbuch.

An der Löfflerkolonie angekommen ziehe ich vorsorglich meine Kapuze über den Kopf: Möwen kreisen kreischend über mir und lassen mich mit der ein oder anderen Kotattacke wissen, was sie von meinem Besuch halten (ein Glück treffen sie nicht besonders gut). Die Löffler sind scheuer, sie fliegen auf die nahegelegenen Wattflächen und warten bis der Spuk vorüber ist. Auf dem Weg zur Kolonie muss ich aufpassen, dass ich keine Herings- und Silbermöweneier zertrete. Die beiden Arten zählen zu den häufigsten Brutvögeln auf Trischen und ihre Brutplätze sind über die gesamte Insel verteilt. Bei meinem konzentrierten Blick auf den Boden entdecke ich auch die ersten Möwenküken des Jahres, die wegen meiner Anwesenheit ganz ruhig am Boden sitzen und sich auf ihre Tarnung verlassen.

Ich will die Störung so kurz wie möglich halten und beeile mich: SD-Karten tauschen, Akkus wechseln, Kameras umstellen und gut positionieren. Während meiner Arbeit scheuche ich eine weibliche Brandgans neben mir im hohen Gras auf. Diesen Brutplatz erfasse ich noch schnell mit Artangabe und GPS-Koordinaten auf einer digitalen Karte auf meinem Smartphone. Geschafft! Schnell raus aus der Salzwiese zurück an den Strand.

Links: Möwenküken Rechts: Löfflernest mit Wildtierkamera im Hintergrund

An der Nordspitze gönne ich mir eine kleine Pause. Seehunde mit frisch geborenen Jungen liegen entspannt am Strand – sie stört meine Anwesenheit kaum. Auf dem Rückweg erfreue ich mich am blühenden Meersenf und einem vorbeiflatternden Tagpfauenauge – auch sie landen in meinem Notizbuch.

Zurück an der Hütte  bekomme ich Hunger und koche mir ein leckeres Mittagessen. Für heute ist eine Gemüsepfanne mit Feta und Nudeln geplant. Da ich meine Lebensmittel eine Woche vorher ordern muss, steht der Speiseplan schon früh fest. Das nimmt mir dann die Entscheidung ab, wenn ich hungrig nach Hause komme, denn die Zutaten sind alle da – eigentlich ganz praktisch. Da es draußen zu nieseln anfängt, fällt ein Mittagessen in der Sonne, vor der Hütte aus und ich nehme meine Mahlzeit drinnen ein. Hier kann ich immerhin durchs Fenster über die Insel und das Watt blicken.

Nachmittags übertrage ich meine Notizen in die Datentabellen und erledige Hausarbeiten: abspülen, Wasserkanister holen und den nicht zu vermeidenden Sandeintrag vom Hüttenboden auffegen. Das Waschen verschiebe ich mal wieder – Wäsche von Hand zu waschen ist wirklich aufwendig und anstrengend und das Ergebnis in Relation zum Aufwand eher mittelmäßig.

Schreibtischarbeit auf Trischen

Die Tage hier, ähneln sich, doch während ich auf der Insel unterwegs bin begegnen mir immer wieder Überraschungen und ich kann mich auf meinen Entdeckungstouren treiben lassen.

Natürlich bin ich es auch einfach nicht gewohnt so lange Zeit an ein und demselben Ort zu verbringen. Der Inselaufenthalt entschleunigt mein Leben. Die viele Zeit, die ich hier plötzlich habe, kann ich mit dem Füllen für das sonst wenig Zeit bleibt: lesen, lange Briefe schreiben, ausführlich mit alten Freunden und Freundinnen telefonieren, sogar meine Aquarellfarben habe ich seit Jahren mal wieder in die Hand genommen.

Ich habe Glück: Abends klart es auf und der Wind legt sich. Das verspricht einen schönen Sonnenuntergang. Ich setzte mich auf den Hüttenumlauf, gönne mir ein Glas Wein und lasse den Tag revue passieren – und freue mich schon auf morgen.

Egal wie viele Sonnenuntergänge ich hier schon erlebt habe – sie werden einfach nicht langweilig.

Denn morgen ist Samstag, da kommt Axel mit der Luise und bringt meine Lebensmittelbestellung, Trinkwasser, Post – und das wichtigste: Gesellschafft! Ich sehe die Luise schon von weitem auf die Insel zusteuern und mache mich dann auf den Weg zum Anlandungsplatz an der Südspitze. Dort angekommen gibt es, je nach Tageszeit, ein leckeres Frühstück, heißen Kaffee oder ein kühles Bier. Wir tauschen Neuigkeiten aus, beschweren uns über das Wetter und ich freue mich über die vielen Seemannsgeschichten die Axel zu erzählen weiß.

Der samstägliche Besuch von Axel ist mir zu einem liebgewonnenen Ritual geworden und strukturiert meine Wochen hier auf Trischen. Und das anschließende Wasserkanister zur Hütte transportieren nehme ich dafür gerne in kauf.

Links: Die Luise Rechts: Mein Handkarren mit Wasserkanistern und Lebensmitteln

Morgen steht die Anbringung eines Datenempfängers für besenderte Zwergseeschwalben auf dem Plan, der heute mit der Post kam, mal sehen welche Überraschungen mich morgen auf dem Weg erwarten.

 

Bis bald,

Eure Naturschutzwartin 2025
Mareike Espenschied

 

 

Ein unbedachter Schritt – oder: Die (unfreiwillige) Trischen-Taufe

Ein unbedachter Schritt – oder: Die (unfreiwillige) Trischen-Taufe

Es gibt diese Situationen im Leben, in denen man sich ärgert, dass man vor einer Sekunde nicht erst 3 Sekunden nachgedacht hat – gestern war genau so ein Moment. Aber von Anfang an: