Bergfest auf Trischen
Moin liebe Blogleser:innen,
heute ist für mich Halbzeit auf Trischen. Ich nehme mir den Tag zum Anlass, die vergangenen Wochen und Monate Revue passieren zu lassen, die erste Hälfte zu feiern und mich auf die zweite einzustimmen. Heute Abend werde ich mir ausnahmsweise einen Rum genehmigen und ein bisschen feiern, die richtige Playlist dafür habe ich in der letzten Zeit mit der Hilfe von Freund:innen erstellt, Lieder über Inseln, Seevögel und das Alleinsein. „La Isla Bonita“ von Madonna – ein sehr passender Hit, „Island In The Sun“ von Weezer – bei aktuellem Sturm und Regen etwas absurd, und „Wolter“ von Turbostaat – schon lange mein Lieblingslied und tatsächlich eine Hymne an Trischen und den Vogelwart. Dazu habe ich noch 50 weitere Titel, die Feier kann kommen. Hier im Blog möchte ich heute über meine bisherigen Highlight-Beobachtungen und meinen bisher schönsten Tag berichten.
Als Vogelwart auf Trischen ist es schwierig, schönen Beobachtungen aus dem Weg zu gehen. Auch wenn man nicht aktiv beobachtet, wird man immer wieder von spannendem Verhalten der Vögel, großen Schwärmen oder seltenen Arten überrascht, oft passiert das ganz zufällig und manchmal auch einfach beim Blick aus dem Fenster. Ein paar dieser Beobachtungen werde ich wohl niemals vergessen.
Die erste Beobachtung von der ich erzählen möchte, waren zwei Rothalsgänse. Anfang Mai war ich für die Brutvogelkartierung vor Sonnenaufgang aufgestanden, die zweite Begehung über die gesamte Insel stand an. Den ganzen Morgen über flogen große Schwärme von Weißwangengänsen in Richtung Norden oder Nordosten, der Massenzug in die nördlicheren Brutgebiete hatte eingesetzt. Jeder Schwarm, der nah genug war, wurde von mir mit dem Fernglas durchgeschaut, in der Hoffnung, vielleicht andere Gänsearten zu entdecken, die sich den Weißwangengänsen angeschlossen haben könnten. Nach etwa drei Stunden wurde ich belohnt, meine Kartierung war fast abgeschlossen, als ich in der Nähe der Hütte in der Düne stand und einen Schwarm der direkt über mir flog kontrollierte. In der Formation der Weißwangengänse flogen zwei kleinere Gänse mir roten Hälsen. Die Rothalsgans ist eine meiner absoluten Lieblingsarten, ein wunderschöner Vogel, und wird auf Trischen sehr selten beobachtet. Ich war ziemlich überwältigt und musste mich erstmal eine Weile in der Düne hinsetzen.
Etwa eine Woche später war ich gerade auf dem Rückweg zu meinem Heim, als sich bei meiner Annäherung ein Vogel aus der Deckung der Hütte erhob, eine falkenartige Gestalt, sehr dunkel und mit weißen Flecken in den Flügeln. Die Nachsuche am Strand bestätigte meinen ersten Verdacht, es war ein männlicher Ziegenmelker, der sich am Strand aus kurzer Distanz sehr schön beobachten ließ. Abends sah ich den Vogel noch einmal unter der Hütte. Ebenfalls eine faszinierende Art, die nachtaktiven Vögel sind nicht leicht zu entdecken. Von meinen Vorgänger:innen wusste ich schon, dass die Art immer mal wieder an der Hütte vorbeischaut und ich hatte dann ja auch Glück.
Anfang Juni gab es dann nochmal ein Highlight: Beim Ablesen von farbberingten Knutts an der Südspitze fiel mir ein merkwürdiger Vogel am Strand auf, ein Blick durchs Spektiv machte mir klar, dass es eine Raubmöwe war. Durch vorsichtiges Annähern kam ich auf wenige Meter an den Vogel heran und konnte lange Zeit Auge in Auge mit einer Spatelraubmöwe am Strand verbringen. Raubmöwen kommen normalerweise auf hoher See vor und sind selten an Land zu beobachten. Ich hatte zuvor noch nie eine Spatelraubmöwe gesehen und war dementsprechend sehr glücklich.
Der bisher schönste Tag für mich auf Trischen war der 9. Mai. In der Salzwiese fand ich das Gelege einer Spießente, ein sehr seltener Fund. Anschließend hatte ich die oben beschriebene Beobachtung der Rothalsgänse. Und am Nachmittag wurde Trischen von der Wanderratte befreit, eine riesige Erleichterung. Das Ganze konnte ich auch noch in bester Gesellschaft der beiden Biologen, die wegen der Ratte auf der Insel waren, genießen. Was will ein Vogelwart mehr?
Ich freue mich auf viele weitere schöne Momente und Beobachtungen auf der Insel. Meine Ankunft hier kommt mir vor als wäre sie ewig her, es ist schön zu wissen, dass noch genausoviel Zeit vor mir liegt.
Feierliche Grüße,
Jakob