Auf Wiederlesen!
Liebe LeserInnen,
nun heißt es endgültig Abschied nehmen – dies ist mein letzter Eintrag auf dieser Seite. Er folgt den anderen so spät, weil ich Ihnen noch einige Zahlen schuldig bin: Die Anzahl der Brutvögel, die Zahl der beobachteten Vögel insgesamt und jene der in dieser Saison auf Trischen entdeckten Insektenarten.
Jede dieser Zahlen repräsentiert eine Summe an Erlebnissen, Gefühlen, Gedanken und Sinnesempfindungen, die durch die abstrakte Zusammensetzung einiger Ziffern nur sehr unzureichend zum Ausdruck gebracht werden kann. Und trotzdem spiegeln sie die überbordende Vielfalt und den Reichtum eines winzigen Stückchens unserer Erde wider. Für eine bestimmte Zeit durfte ich es durchwandeln. Und so wird das kurze Leben auf diesem kleinen Flecken wandernden Sandes eine Allegorie für etwas viel Größeres.
Fünfundzwanzig verschiedene Vogelarten haben während dieser Zeit auf Trischen ihre Jungen groß gezogen. 155 verschiedene Vogelarten haben auf ihr gerastet, sich geputzt, sich gejagt; haben die Insel hoch überflogen oder sind tot an ihr angespült worden. 209 verschiedene Arten Insekten und anderer wirbelloser Tiere habe ich bestimmen können (wobei die typischen Muscheln, Würmer etc. noch nicht einmal mitgezählt sind). Eine Raubfliege (Tolmerus cowini) ist sogar ein Erstnachweis für Schleswig-Holstein, eine Schlupfwespe (Fredegunda diluta) wurde hier erst zum dritten Mal in unserem Bundesland gefunden. Fast hundert dieser Arten aber sind Schmetterlinge.
Dieser Teil des Ökosystems hat mich besonders beeindruckt. Normalerweise sind Sandregenpfeifer und Zwergseeschwalbe die Repräsentanten des Lebensraumes Küste, der von menschlicher Nutzung ebenso bedroht ist wie durch Veränderungen, die der menschengemachte Klimawandel mit sich bringt. Auf Trischen entdeckte ich eine kleine Welt von vollkommen an das Leben in einem sehr rauhen, von Salz und schwerer Witterung geprägten Lebensraum aufs Feinste angepasster, hauchzarter Lebewesen. Für mindestens sechs dieser Schmetterlingsarten trägt Schleswig-Holstein eine bundesweite, für drei sogar eine internationale Erhaltungsverantwortung, weil sie fast nirgendwo anders mehr vorkommen. Etliche werden in der Roten Liste als gefährdet oder stark gefährdet geführt. Einige Käfer die ich fand, gelten sogar als vom Aussterben bedroht. Auf Trischen können sie überleben, weil kaum menschliche Tritte und erst recht keine schweren Fahrspuren den empfindlichen Lebensraum von Nahrungspflanzen und im Sande vergrabener Larven zerstören. Sie sind angewiesen auf immer wieder neu vom Meer geformte, dynamische Lebensräume. Dass diese Arten hier tatsächlich vorkommen beweist, dass das Motto des Nationalparks „Natur Natur sein lassen“ wirksam ist. Trischen dient damit übrigens auch als eine Art Referenzpunkt: So reich an Natur war unsere Welt einmal.
Und damit stellt sich unweigerlich die Frage, wie viel davon wir erhalten wollen oder noch können. Ich weiß, dass sich nicht jeder mit dem gleichen Feuereifer für millimetergroße, sandfarbene Schmetterlinge interessieren kann wie ich. Das ist völlig in Ordnung. Ich glaube aber, dass jedem Menschen von Beginn an eine Freude am Lebendigen und eine Neugier auf die wundersame Vielfalt, in die dieses Leben sich auffächert, innewohnt. Bewahren Sie sich diese Flamme bitte! Und versuchen Sie, sie weiterzurreichen an kommende Generationen.
In diesem Sinne werde ich nun aber auch meinen Abschied relativieren. Zum einen möchte ich – wie versprochen – nicht ganz mit dem Erzählen von Natur aufhören. Es ist mir auf Trischen ans Herz gewachsen. In Zusammenarbeit mit dem Naturfotografen Jan Sohler schreibe ich nun also als einer von zwei „Tintenvögeln“ auf der Website sepiaves.de auf, was sie uns erleben lässt. So viel sei schon einmal verraten: Die nächste Geschichte handelt von der Suche nach einer der seltensten Raubkatzen der Welt…kommen Sie mit?
Vor allem aber will ich nun auch das „Trischenfeuer“ weiterreichen. Denn meine Nachfolgerin steht schon in den Startlöchern. Ich bin unheimlich gespannt, was die Insel ihr schenken wird, und ich freue mich jetzt schon – diesmal als Leser – dem Trischenblog weiter treu zu bleiben zu dürfen.
Ihnen danke ich für die viele Aufmerksamkeit und eine unheimlich große Zahl sehr herzlicher Kommentare und Kontakte. Es berührt mich sehr, dass Trischen so viele Freunde gefunden hat.
Und nun aber: Bis ein Andermal. Bleiben Sie gesund. Und werden Sie nicht müde, für die Natur einzustehen. Sie wird es Ihnen danken.
Ihr
Till Holsten
Unten noch ein Bild meiner letzten Tage auf Trischen!