Wirbelt die EU die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) durcheinander? Ein Blick auf anstehende Reformen
Die vier großen Umwelt- und Naturschutzorganisationen auf EU-Ebene (WWF, Birdlife, EEB, Greenpeace) haben am 26. Mai ein Positionspapier für einen Politikwechsel in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU veröffentlicht. Darin stehen sie gemeinsam für einen politischen Wandel hin zu einer Gemeinsamen Agrar-, Ernährungs- und Landbewirtschaftungspolitik, die den Wandel hin zu einer naturverträglichen Landwirtschaft ebnen soll. Die Zukunft der GAP nach 2027 wird aktuell im Rahmen der Haushaltsverhandlungen für den nächsten EU-Haushalt, dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), diskutiert. Nach bisherigem Kenntnisstand plant die Europäische Kommission einen neuen Ansatz in der Budgetverteilung: Das könnte auch die GAP stark betreffen.
Nach Aussagen der Europäischen Kommission soll der nächste Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) der EU für den Zeitraum 2028 bis 2034 sich auf drei Hauptprinzipien konzentrieren:
- Vereinfachung,
- Leistungsorientierung
- und Fokussierung auf die Erreichung europäischer politischer Ziele.
Dabei soll die Anzahl bisheriger Fördertöpfe reduziert, überlappende Ziele zusammengeführt und der Zugang zu den Mitteln vereinfacht werden. Konkret schwebt der Kommission vor, im Ping-Pong mit den Mitgliedstaaten 27 nationale Ausgabepläne zu erstellen sowie einen Wettbewerbsfonds zu schaffen.
In diese nationalen Ausgabepläne soll laut Kommission auch die Agrarpolitik integriert werden gemeinsam mit den Töpfen für Kohäsion und Regionalentwicklung, während der Mittelabfluss sich an dem Erreichen von vorab vorgelegten Zielen und Zwischenzielen orientieren soll. Die Umweltverbände begrüßen eine solche Ausrichtung und fordern diese auch für die Gemeinsame Agrar-, Ernährungs- und Landbewirtschaftungspolitik. In Zeiten begrenzter Ressourcen und wachsender Herausforderungen ist es entscheidend, dass gemeinschaftliche Mittel effektiv mit größtmöglichem Nutzen für Natur und Gesellschaft eingesetzt werden.
Die grundsätzliche Neuausrichtung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) sowie der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hin zu einer stärkeren Leistungsorientierung und zur Erreichung europäischer Ziele wird auch aus Sicht des NABU grundsätzlich begrüßt. Dabei darf jedoch die realpolitische Gemengelage nicht außer Acht gelassen werden: In der Europäischen Kommission, im Rat und im Parlament werden Natur- und Klimaschutzthemen derzeit klar nachrangig behandelt. Es ist daher zu befürchten, dass sie auch im Rahmen einer Neuausrichtung des MFR kaum Berücksichtigung finden werden.
Bisherige GAP hat für Klima und Umwelt wenig erreicht
Die derzeitige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nimmt nahezu ein Drittel des EU-Haushalts ein und hat in der Vergangenheit bei der Erreichung ihrer Ziele, insbesondere im Bereich Klima und Umwelt, nur geringe Fortschritte erzielt. In einigen Fällen werden sogar immer noch umweltschädliche Maßnahmen unterstützt, die der Zielerreichung entgegenwirken. Ein „Weiter so“ würde weder den landwirtschaftlichen Betrieben noch der Natur zugutekommen.
Dennoch fordern landwirtschaftliche Interessenvertretungen sowie die Agrarminister*innen der Mitgliedstaaten vehement den Erhalt eines eigenständigen Agrarbudgets im MFR. Angesichts knapper werdender EU-Mittel und veränderter Prioritätensetzungen stellt sich die zentrale Frage, wo innerhalb dieses Budgets künftig gekürzt wird. Denn dass es weniger Geld geben wird, davon ist auszugehen.
Ein besonders besorgniserregendes Szenario wäre, dass die pauschalen Flächenprämien der ersten Säule unangetastet blieben, während die zweite Säule – mit ihren gezielten Fördermaßnahmen für Umwelt- und Klimaschutz – gekürzt oder gar gestrichen würde. Das würde den eingeschlagenen Kurs vollständig konterkarieren und den Anspruch einer leistungsorientierten Agrarpolitik ad absurdum führen. Zur Erreichung der europäischen Umwelt- und Klimaziele ist ein, an konkreten Leistungen ausgerichtetes, Agrarbudget unerlässlich.
Hier ist die Europäische Kommission gefordert, klare und ambitionierte Budgetvorgaben für die Honorierung von Natur- und Klimaschutz zu machen.
Aus Sicht des NABU sind folgende Punkte zentral bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik im neuen mehrjährigen Finanzrahmen:
Dezidierte Naturschutzfinanzierung: Durch ein dezidiertes Ausgabeziel und eine festgelegte Untergrenze im Gesamtbudget der Nationalen Ausgabepläne für Naturschutz und Wiederherstellung wird der Beitrag der Landwirtschaft zur Umsetzung internationaler und europäischer Verpflichtungen und zur Bewältigung der ökologischen Herausforderungen honoriert. Birdlife, EEB, WWF und Greenpeace fordern, dass ein Budget von mindestens 35 Milliarden Euro jährlich für den Schutz und die Wiederherstellung der Natur bereitgestellt werden muss. (Zum Vergleich: Aktuell beträgt das jährliche EU-Agrarbudget etwa 58 Milliarden Euro.)
Leistungsorientierung: EU-Gelder sollen nur ausgezahlt werden, wenn messbare soziale und ökologische Ziele und Zwischenziele erreicht werden, die mittels klarer Indikatoren überprüft werden können. EU-Gelder sollten nicht, wie bisher, an pauschale Kriterien wie Flächengröße gebunden sein. Eine effektive Agrarumweltpolitik erfordert klare Mindeststandards, flexible Programme, langfristige Vertragslaufzeiten sowie ein wirksames Monitoring und eine laufende Evaluierung.
Implementierung der EU-Umweltgesetzgebung: Die Ausschüttung von Fördermitteln im Agrarbereich sollte nur unter der Bedingung erfolgen, dass EU-Umweltgesetzgebung in den jeweiligen Mitgliedstaaten vollständig und wirksam umgesetzt wurde.
Leistungsrahmenwerk:
Alle gemeinsamen EU-Ausgaben sollten durch ein starkes, leistungsorientiertes Rahmenwerk gesteuert werden, das auf ambitionierten Wirkungsindikatoren basiert. Diese Indikatoren müssten regelmäßig – idealerweise jährlich – überwacht werden, um die Erreichung definierter Meilensteine und Ziele zu überprüfen.
Die Verknüpfung der Mittelvergabe mit konkreten Leistungen würde nicht nur die Umsetzung und Durchsetzung der Umweltgesetzgebung stärken – wie es in der Agrarvision der Europäischen Kommission vorgesehen ist – sondern gleichzeitig auch den Mitgliedstaaten mehr Freiraum und Flexibilität bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen einräumen.
Einheitliche europäische Umweltindikatoren, die in festen Zeitabständen erhoben werden, würden eine objektive Bewertung der Wirksamkeit einzelner Maßnahmen ermöglichen. Bleiben messbare Verbesserungen aus, müssten die betreffenden Mitgliedstaaten ihre Strategien überarbeiten und nachbessern, um weiterhin Anspruch auf EU-Fördermittel zu behalten.
Konditionalitäten: Für alle Mitgliedstaaten müssen einheitliche Bedingungen festgelegt werden, die gleiche Ausgangsbedingungen schaffen und die Annäherung nationaler Politik an gemeinsame europäische Ziele unterstützen. Die Konditionalitäten sollten ambitioniert und einfach aufgebaut sein, europaweit einheitlich gelten und über nationale Gesetzgebung hinausgehen. Dabei sollten einheitliche Regelungen zum qualitativem und quantitativem Grünlandschutz, zu Landschaftselementen, zum Schutz von Mooren und Feuchtgebieten und zur Fruchtfolge eingeführt werden.
Schädliche Subventionen abschaffen: Dieses im Rahmen der Haushaltsreform eine zentrale Rolle einnehmende„Do no signifikant harm“ – Prinzip zur Vermeidung von schädlichen Subventionen – muss in der Agrarförderung echte Wirkung entfalten. Der Zustand der Natur in den Agrarlandschaften wird weiterhin schlechter. Immer noch werden in der EU zu viele Fördermittel in eine Art der Landwirtschaft gesteckt, die nicht naturverträglich ist. Das muss aufhören. Wir können nicht auf der einen Seite industrielle Landwirtschaft fördern und dann mit „grünen“ Förderprogrammen versuchen die Auswirkungen auszugleichen. Jeder ausgezahlte Euro muss einen positiven Impact auf Natur-, Umwelt-, Klima- und Tierschutz haben. Birdlife, EEB, WWF und Greenpeace fordern eine Ausschlussliste, die Praktiken festlegt, welche nicht mehr gefördert werden sollten.
Zielgerichtete Investitionen: Die Umweltverbände fordern, dass alle Investitionen im Rahmen der neuen Agrarpolitik gezielt den Übergang zu einer nachhaltigen, resilienten Landwirtschaft auf Basis agrarökologischer Prinzipien unterstützen müssen. Ziel soll es sein, landwirtschaftliche Betriebe dadurch widerstandsfähiger gegenüber Klima- und Marktrisiken zu machen und ihre langfristige Existenz zu sichern. Gefördert werden sollen insbesondere Maßnahmen zur ökologischen Infrastruktur auf Betrieben (zum Beispiel Hecken, Teiche, Blühflächen), zum Ausbau erneuerbarer Energien (ohne Flächenumwandlung), zur Ressourceneffizienz und zum Einsatz moderner, umweltschonender Technik.
NABU-Fazit: Flexibilisierung/Vereinfachung und keine Deregulierung
Die von den Umweltverbänden vorgeschlagene Neuausrichtung der Agrarpolitik verfolgt das ambitionierte Ziel, ein krisenfestes, ökologisch tragfähiges und sozial gerechtes Agrarsystem zu schaffen. Sie soll Landwirt*innen gezielte Unterstützung bieten, um ihre Betriebe zukunftsfähig und nachhaltig umzustrukturieren – im Einklang mit Umweltanforderungen und wirtschaftlicher Tragfähigkeit.
Zugleich zielt das Konzept darauf ab, die gesellschaftliche Akzeptanz für Agrarfördermittel zu stärken, indem es Transparenz, gerechte Verteilung der Gelder und Wirksamkeit in den Mittelpunkt stellt.
Die laufende Reform des EU-Haushalts ist von einem starken Bestreben nach Vereinfachung geprägt. Dabei muss jedoch klar sein: Vereinfachung und Flexibilisierung dürfen nicht zu Lasten bestehender Umweltstandards gehen. Zwar bietet die Reform grundsätzlich Chancen für den Natur- und Klimaschutz – zugleich besteht jedoch das ernstzunehmende Risiko, dass genau diese Standards geschwächt oder abgebaut werden.
Besonders im aktuellen Kontext der GAP-Vereinfachung zeigt sich bereits, wie Umweltanforderungen unter Druck geraten. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, würde die Reform des EU-Haushalts – einschließlich der Gemeinsamen Agrar-, Ernährungs- und Landbewirtschaftungspolitik – mehr Schaden anrichten als Nutzen.
Deutschland setzt sich derzeit auf europäischer Ebene für ein agrarpolitisches „Weiter so“ ein. Für eine zukunftsfähige, nachhaltige Landwirtschaft braucht es jedoch einen klaren Kurswechsel.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Europäische Kommission wird ihren Vorschlag zum MFR und zur GAP Mitte Juli veröffentlichen. Der NABU wird sich zusammen mit den Dachorganisationen auf EU-Ebene für ein festes Naturschutz- und Biodiversitätsbudget und für eine echten Politikwechsel, der sich auf die Erreichung der europäischen Ziele ausrichtet, einsetzen.
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2 Kommentare
Dr. Thilo Papp
08.06.2025, 11:13Was ist aus der Absicht geworden, dass alle Bauern 5% ihres Grundes für Naturschutzmaßnamen zur Verfügung stellen? Kann meinen eigenen Text kaum lesen. Viel zu blass !!!
AntwortenLaura Henningson
13.06.2025, 11:26Lieber Thilo, die Regelung 4 Prozent (nicht 5) der Ackerfläche als Brache (GLÖZ 8) bereit zu stellen, wurde im letzten Jahr abgeschafft. Hier haben wir darüber berichtet: https://blogs.nabu.de/naturschaetze-retten/wegfall-der-brache-studie-belegt-rueckschritt-fuer-den-naturschutz/ Viele Grüße Laura
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