Wie rettet die Ampel die Natur? Hoffnungsschimmer, Fragezeichen und einzelne unschöne Schatten

Wie rettet die Ampel die Natur? Hoffnungsschimmer, Fragezeichen und einzelne unschöne Schatten

Die drängendste Frage zuerst: Ist der Koalitionsvertrag aus Naturschutzsicht ein Erfolg? Die Antwort: es kommt darauf an… Denn es ist zweifellos eine gewisse Ambition sicht- und spürbar, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und die Wunden der Natur zu heilen. Das ließ das Sondierungspapier nicht unbedingt vermuten, ebenso wenig die – zugegebenermaßen sehr spärlichen – Wasserstandsmeldungen aus den Verhandlungen selbst. Diese Ambition steht und fällt aber a) mit der ausreichenden Finanzierung und b) der konkreten Ausgestaltung – hier werden die nächsten Monate zeigen, ob der vorgezeichnete Weg auch konsequent beschritten werden kann, denn föderalismustypisch müssen hier maßgeblich auch die Länder mitziehen. Und leider gibt es auch einige herbe Enttäuschungen, z.B. im Gewässerbereich.

Lasst uns mit dem Positiven beginnen: Im Vertragstext finden sich viele vom NABU und weiteren Verbänden geforderte Zielsetzungen zur Stärkung des Naturschutzes:

Ein ausgeweitetes Engagement Deutschlands auf globaler Ebene, auch finanzieller Art, und ein Bekenntnis zum Ziel der EU, 30% der Land- und Meerfläche unter Schutz zu stellen, sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen für die anstehende Weltnaturkonferenz in Kunming im kommenden Frühjahr und die deutsche Präsidentschaft der G7 im Jahr 2022.

Ein Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz für umfassende Renaturierungen kohlenstoffreicher Ökosysteme und ein Bundesnaturschutzfonds für weitere Naturschutzmaßnahmen könnten der Motor sein, um von der unzureichenden Symptombekämpfung weg und zu einer umfassenderen Wiederherstellung von Ökosystemen zu kommen; neben einer ausreichenden Finanzierung – die formulierte Finanzierung aus dem Energie- und Klimafonds lässt hier einiges erwarten – wird es aber auch darum gehen, dieses Geld „in die Fläche“ zu bekommen. Reine Projektfinanzierung wird dafür nicht ausreichen, es muss dafür auch personelle Kapazitäten geben, die die ausgereichten Mittel auch umsetzen können.

Mit dem Bekenntnis zu einer Moorschutzstrategie und einem Aktionsplan Schutzgebiete finden sich zudem gleich zwei Vorhaben ausdem Koalitionsvertrag der Vorgängerregierung wieder, die diese bisher nur unzureichend bzw unvollständig umgesetzt hatte. Mit einem verbesserten Management der Schutzgebiete würde die neue Regierung an einem neuralgischen Punkt bisherigen Naturschutzhandelns ansetzen, nämlich bei tatsächlichen Verbesserungen in den Schutzgebieten, die nicht nur auf dem Papier stattfinden. Dafür braucht der Bund aber die Bundesländer und es wird spannend sein zu sehen, wie der Bund diese konkret unterstützen will. Und dass der Moorschutz verstärkt in den Fokus rückt ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit angesichts der Potenziale dieser Ökosysteme für die Biologische Vielfalt, den Klimaschutz und die Klimaanpassung – die Vorgängerregierung hatte sich hier gleichwohl zwischen den Ressorts Umwelt und Landwirtschaft aufgerieben und eine einheitliche Linie vermissen lassen.

Ebenfalls von den Verbänden gefordert und nun aufgenommen: ein Privatisierungsstopp für bundeseigene Flächen und eine Erweiterung der Kulisse des Nationalen Naturerbes (NNE) – hier bleiben jedoch Fragezeichen: Denn es muss ein sofortiges Verkaufsmoratorium geben, damit alle für den Naturschutz geeigneten Flächen auch tatsächlich verfügbar bleiben und nicht schleichend veräußert werden. Die vorgesehenen Verpachtungen dieser Flächen dürfen zudem nur dann erfolgen, wenn sie den im Koav-Text genannten Zielen auch entsprechen. Das Bekenntnis zu einer schnellen Übertragung weiter Flächen in das Nationale Naturerbe ist zu begrüßen, leider fehlen hier aber konkrete Zahlen: mit der Übertragung der bereits gesetzlich verankerten 8.000 ha muss jetzt umgehend begonnen und die gesetzlichen Voraussetzungen für die verbleibenden Flächen zügig geschaffen werden -> es fehlen noch rund 19.000 Hektar!

Und last but not least, da von herausragender Bedeutung für die Integration des Biodiversitätsschutzes in andere Politikbereiche: Es soll eine Weiterentwicklung der nationalen Biodiversitätsstrategie mit höherer Verbindlichkeit erfolgen, unterlegt mit Aktionsplänen – auch dies eine Forderung der Verbände. Hier kommt es nun darauf an, die Ziele und Maßnahmen in der Folge so auszugestalten, dass Fehlentwicklungen rechtzeitig erkannt und korrigierende Maßnahmen auf dem Weg zur Zielerreichung eingeleitet werden. Ob dies gelingt, steht und fällt mit dem Grad der festzulegenden Verbindlichkeit.

Im Ansatz gut, aber nicht hinreichend konkret sind der Insekten- und der Bodenschutz abgebildet worden:

Der Pestizideinsatz soll deutlich verringert werden, um Insekten besser zu schützen – eine Nationale Reduktionsstrategie sucht man aber vergebens, ebenso wie eine konkrete Zielgröße dafür, was „deutlich“ eigentlich genau bedeutet. Dabei hat die „Farm-to-Fork“-Strategie der EU dies mit minus 50% bis zum Jahr 2030 eigentlich längst vorgegeben, was sich mit den Forderungen des NABU deckt. Weitere, bisher nicht umgesetzte Elemente für einen verbesserten Insektenschutz wie den Refugialflächenansatz sucht man vergebens. Mehr zur Bewertung des Themas Landwirtschaft findet sich hier.

Endmoränenlandschaft bei Grumsin. Foto: NABU/Klemens Karkow

Beim Bodenschutz gibt es – neben einer begrüßenswerten Absage an den „Betonpragraphen“ 13b des Baugesetzbuches – immerhin ein klares Bekenntnis zu einer Bodenrichtlinie der EU und einer Aktualisierung des Bodenschutzgesetzes. Die skizzierten Ansätze zur Reduzierung des Flächenverbrauchs auf 30ha/Tag bleiben hingegen äußerst vage. So ist zwar eine Novellierung des Baugesetzbuches vorgesehen, hier fehlt aber der Aspekt des Flächensparens in der Begründung. Ein im Sinne der Nachhaltigkeit mittelfristig notwendiges Netto-Null-Ziel fehlt zudem, ebenso konkrete Instrumente wie ein Flächenspargesetz oder verbindliche Flächensparziele auf dem Weg dorthin.

Enttäuschend aus Naturschutzsicht ist leider der Gewässerschutz weggekommen:

Dass die EG-Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden muss, ist auch ohne den Koalitionsvertrag klar gewesen. Es bleibt jedoch völlig unklar, wie die Länder bei deren Umsetzung so unterstützt werden sollen, dass die allgemein propagierte „1:1-Umsetzung“ von Unionsrecht auch tatsächlich erfolgt – spätestens mit dem Zieljahr 2027 drohen hier weitere Vertragsverletzungsverfahren!

Die Nationale Wasserstrategie kann sicherlich ein hilfreiches Werkzeug für ein integriertes Wassermanagement im Lichte der Folgen des Klimawandels werden. Sie wurde allerdings bereits von der Vorgängerregierung initiiert und liegt im Entwurf vor. Weitere zielführende Hervorhebungen wie die Rolle des natürlichen Landschaftswasserhaushaltes fehlen leider.

Elbtalauen. Foto: Jens G. Kube

Das allgemeine Bekenntnis zum Naturerbe an Oder und Elbe ist enttäuschend weich und kraftlos formuliert: hier hätte es einer konkreten Ablehnung von weiteren Ausbauplänen und ein starkes Bekenntnis des Bundes zu seiner Vorbildrolle beim Erhalt lebendiger Flüsse in Deutschland bedurft – das Blaue Band als hart erkämpfte Errungenschaft früher Legislaturen lässt grüßen! Apropos Blaues Band: Zwar wurde die Absicht formuliert, die Kompetenzen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) im Bereich Klimaschutz und -anpassung zu stärken, nicht aber jene im Bereich der Ökologie – und das trotz der in der letzten Legislatur erweiterten Zuständigkeiten der WSV bei der Umsetzung von Gewässerschutzmaßnahmen.

Und noch mehr vertane Chancen: während die Koalitionäre beim Klimaschutz klar auf naturbasierte Lösungen setzen, fehlen die Leistungen natürlicher Ökosysteme im Kapitel zur Klimaanpassung leider völlig – als würden intakte Auen, gesunde Wälder und urbanes Grün nicht maßgeblich zur Reduzierung der schädlichen Auswirkungen des Klimawandels beitragen.

In den nächsten Wochen und Monaten wird es nun darauf ankommen, die konkrete Umsetzung der vereinbarten Schritte im Blick zu behalten. Denn die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt: auf dem Papier glänzendes kann zu Staub zerfallen, wenn der Nachdruck bei der Umsetzung fehlt – und vermeintlich vertane Chancen können wieder aufleben, wenn verbliebene Leerstellen auf dem Papier in der Praxis doch noch mit konkreten Handlungen gefüllt werden.

 

Startbild: Wachholderheide – NABU/Ralf Koch

1 Kommentar

Volker Osdoba

26.11.2021, 13:33

Den Bericht finde ich sehr gut gemacht. Er zeigt Defizite deutlich auf. Die Grünen sind insgesamt enttäuschend und künftig leider kaum mehr wählbar.

Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte bleibe höflich.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht und Pflichtfelder sind markiert.