Wie geht ein umweltfreundlicher BREXIT?

Wie geht ein umweltfreundlicher BREXIT?

In der Berichterstattung über die schleppenden Brexit-Verhandlungen geht es bisher meist um Finanzen, Bürgerrechte und irgendwann auch um Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem wohl künftigen „Drittland“ Großbritannien. Was der Brexit für Natur, Umwelt und Klimaschutz bedeuten könnte, bleibt meist unbeachtet. Damit befasste sich heute eine von der Europäischen Bewegung Deutschlands, dem NABU und der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) organisierte Veranstaltung in Berlin. RSPB ist mit über 1,2 Millionen Mitgliedern der größte Umweltverband Europas und der britische Partner des NABU im NGO-Netzwerk von BirdLife International.

Der Direktor des RSPB, Mike Clarke, stellte dar, was beide Seiten in den Verhandlungen beachten müssen, damit Umwelt und Natur keinen Schaden nehmen. NABU und RSPB veröffentlichten ihre Forderungen in einem kurzen Briefing (PDF-download deutsch /englisch). Diese richten sich unter anderem an die Parteien, die derzeit den Koalitionsvertrag für die neue Bundesregierung aushandeln. Deutschland spielt eine entscheidende Rolle in den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU.

NABU-Forderungen an einen umweltfreundlichen Brexit

  • Sollte Großbritannien nach dem EU-Austritt seine Umwelt- und Naturschutzgesetze schwächen, beispielsweise bei dem Versuch eine Wirtschaftskrise auszugleichen oder multinationale Unternehmen anzulocken, besteht zunächst eine große direkte Gefahr. Die Natur kennt keine Grenzen: Zugvögel und wandernde Meerestiere sind die besten Beispiele dafür. Wenn in Großbritannien Jagd- und Fischereibestimmungen oder die Standards für Schutzgebiete gesenkt werden, ist der europäische Erhaltungszustand vieler Arten und Lebensraumtypen in Gefahr. Aber auch die Verschmutzung von Luft und Meeren überschreitet Grenzen und muss, wie auch die Klimapolitik ambitioniert und kooperativ angegangen werden.
  • Eine Standardabsenkung im Vereinigten Königreich würde aber auch die EU treffen. Würden sich beispielsweise englische Seehäfen nicht mehr an Naturschutzauflagen halten müssen, hätten Hamburg oder Antwerpen Wettbewerbsnachteile. Das EU-Naturschutzrecht ist kürzlich von alle EU-Staatenfür zweckmäßig und dringend notwendig erklärt worden. Die aktuellen Zahlen zum Insektensterben oder die Debatte um Glyphosat sind ein weiterer Beleg dafür, dass die EU ihre Standards in Zukunft eher verschärfen werden (müssen). Es ist im Interesse der EU, dass Großbritannien kein Umweltdumping betreibt.
  • Um Schäden für die Umwelt und gleichzeitig die Wirtschaft zu vermeiden, ist also eine Vereinbarung notwendig, die gleiche Standards auf beiden Seiten des Ärmelkanals garantiert. Dies muss einen Mechanismus einschließen, der auch eine künftige Erhöhung von Standards berücksichtigt – ob beim Klimaschutz, wo Großbritannien vielleicht vorangehen will oder im Bereich Landwirtschaft, wo früher oder später schärfere Auflagen in der EU kommen werden.
  • Zudem ist es wichtig zu erkennen, dass „Standards“ nicht einfach nur Gesetze und Grenzwerte sind, die auf dem Papier stehen. Die EU besitzt unter anderem mit dem Lissabon-Vertrag eine Art „Grundgesetzt“ mit wichtigen Prinzipien für die Anwendung und Interpretation von EU-Gesetzen, wie dem extrem wichtigen Vorsorgeprinzip („precautionary principle“) oder dem Verursacherprinzip („polluter pays“). Diese nutzen Behörden und Gerichte häufig in Entscheidungen über Einzelfälle. Da Großbritannien keine vergleichbare „Verfassung“ besitzt muss ein anderer Weg gefunden werden, um diese Prinzipien festzuschreiben.
  • Schließlich sind Standards und Prinzipien ihr Papier nur wert, wenn sie auch von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern eingeklagt werden können. Die EU hat hierfür in den letzten Jahrzehnten ein weltweit vorbildliches (wenn auch nicht perfektes) System von Aufsicht und Kontrolle durch die Europäische Kommission und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) geschaffen, die als „Hüter der Verträge“ jedem Bürger für Beschwerden offen stehen. In Deutschland, Großbritannien und den anderen EU-Staaten wären viele Umweltgesetze kaum umgesetzt worden, hätte es nicht Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission oder sogar Urteile des EuGH gegeben. Etwas vergleichbares existiert in Großbritannien nicht mehr, wenn es die EU verlässt. Sollte kein vergleichbar wirksamer Ersatz geschaffen werden, so muss man selbst dann von extrem unterschiedlichen Standards und somit auch Wettbewerbsnachteilen (siehe oben) sprechen wenn es auf dem Papier nach Äquivalenz aussieht. Ebenso wichtig ist es übrigens, die verschiedenen Verpflichtungen zu Transparenz und Berichterstattung zu übertragen, die bei den verschiedenen Umweltgesetzen eingeführt wurden. Hier könnte die Europäische Umweltagentur in Kopenhagen eine wichtige Rolle spielen.

Die Aufforderung gerade an die neue Bundesregierung, an die EU-Verhandler und an die britische Regierung lautet also: In den zu schließenden Vereinbarungen mit dem Vereinigten Königreich muss die Wahrung von Umweltstandards, einschließlich grundlegender Prinzipien und Klagerechten, festgeschrieben und institutionelle geregelt werden! Andernfalls droht großer Schaden für Umwelt und Wettbewerb – diesseits und jenseits des Ärmelkanals.

Der RSPB hat mit weiteren britischen Umweltorganisationen eine Studie in Auftrag gegeben um diese Thematik näher zu beleuchten und mögliche Lösungen zu suchen – sie kann hier in englischer Sprache eingesehen werden.

Foto: EU, 2016

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