Heiße Phase fürs EU Nature Restoration Law

Gesetz zur Natur-Wiederherstellung unter Beschuss

Liebe Leserinnen und Leser, Naturschutzinteressierte, EU-Recht-Fans,

am 23. Juni 2022 habe ich den Kommissionsvorschlag für die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (EU Nature Restoration Law) hier im Blog vorgestellt. Heute möchte ich Euch ein Update zum EU-Gesetzgebungsverfahren geben. Dieses hat inzwischen ordentlich Fahrt aufgenommen, sowohl im Europäischen Parlament als auch im Umweltrat. Auch verschiedene andere Akteure beschäftigen sich mit dem Gesetzesvorhaben, und wollen es teils komplett torpedieren. Umweltverbände und andere Akteure fahren deswegen ihre Öffentlichkeitsarbeit hoch, um über die Vorzüge des Gesetzes aufzuklären. Resiliente Ökosysteme helfe uns nämlich im Kampf gegen die Natur- und Klimakrise, sind Grundlage für Ernährungssicherheit und vieles mehr!

1. Viel technische Arbeit im Europäischen Parlament

Anfangs war das Dossier eine ganze Weile blockiert, da der Agrarausschuss unter Vorsitz des deutschen CDU-Abgeordneten Norbert Lins und der Fischereiausschuss versuchte, die Kompetenz an sich zu reißen. Das zuständige Entscheidungsgremium, die Konferenz der Ausschussvorsitzenden, entschied dann, dass der Umweltausschuss federführend ist, der Agrar- und Fischereiausschuss aber bei für sie relevante Artikel eine erweiterte Mitentscheidungsbefugnis (Regel 57+ der Prozessordnung des Parlaments) bekommen. Dies betrifft für den Agrarausschuss vor allem die Artikel 9 und 10, und für den Fischereiausschuss den Artikel 5 des Nature Restoration Law.

Im Umweltausschuss bekam der spanische Sozialdemokrat César Luena die Berichterstattung. Schattenberichterstatter*innen sind für die Grünen die deutsche Abgeordnete Jutta Paulus, für die Konservativen die deutsche Abgeordnete Christine Schneider. Auch im Agrarausschuss finden sich gleich zwei deutsche Abgeordnete als Schattenberichterstatterinnen, und zwar für die Sozialdemokraten die Agrarexpertin Maria Noichl, und für die Grünen die Waldexpertin Anna Deparnay-Grunenberg (Näheres dazu auf der entsprechenden Parlaments-Webseite).

Der Berichterstatter César Luena stellte den Entwurf seines Berichtes am 12. Januar im Umweltausschuss vor (siehe hierzu auch meinen Twitter-Thread, der Bericht selbst ist auf der oben genannten Parlaments-Webseite zu finden). Der Bericht bildet unserer Auswertung nach eine solide Grundlage, die den Kommissionsentwurf teils nachschärft, leider aber nicht alle grundlegenden Lücken angeht (beispielsweise wird das Wiederherstellungsziel für Flüsse in Art. 7 Abs. 2 des Nature Restoration Law nicht runtergebrochen auf einzelne Mitgliedstaaten. Siehe auch die Kurz-Analyse unserer EU-Dachverbände).

Anschließend verfassten andere Parlamentarier ihre Änderungsanträge zu dem Gesetzesentwurf. Allein im Umweltausschuss wurden 2345 Änderungsanträge eingereicht. In zahlreichen technischen Treffen versuchen nun die Schattenberichterstatter*innen, Kompromisse zu finden. Die Abstimmung im Umweltausschuss war zunächst für Mai angedacht, wurde auf Wunsch des Agrarausschusses verschoben. Sie soll nun, wenn es dabei bleibt, am 5. Juni erfolgen. Die Plenarabstimmung könnte im Anschluss daran zwischen dem 10. und 13. Juli in Straßburg stattfinden.

Tweet der EVP vom 7. März, der darauf abzielt,  Umweltgesetze auszusetzen.

Nun geht es vor allem darum, politische Mehrheiten für den Entwurf von César Luena zu finden, bzw. zu verhindern, dass das Parlament hinter den Vorschlag der EU-Kommission zurückfällt. Die Abstimmung im Umweltausschuss ist dabei vermutlich etwas weniger problematisch als die Plenarabstimmung, aber auch hier sind bisher keine progressiven Mehrheiten sicher.

  • Zwar dürften im Umweltausschuss die meisten Sozialdemokraten und Grüne sowie wohl auch Linke den Berichterstatter unterstützen. Doch dies reicht noch nicht für eine Mehrheit.
  • Die konservative Europäische Volkspartei hat – durch den Koordinator im Umweltausschuss, Peter Liese, angekündigt, den Kommissionsvorschlag so abzulehnen. Verstärkt wird die Blockadehaltung noch durch den deren Vorsitzenden Manfred Weber, der dabei ist, die Parteienfamilie nach rechts zu rücken. Offenbar befindet man sich dort bereits im Vorwahlkampf, und meint, gegen jegliches Umweltrecht schießen zu wollen, mit fragwürdigen Argumenten (siehe beispielsweise diesen Tweet der EVP gegen die durch das Nature Restoration Law gestärkten Landschaftselemente, die für resiliente Agrarökosysteme, ergo für Ernährungssicherheit, dringend benötigt werden).
  • Mit entscheidend ist also, wie sich die Liberalen positionieren. Die FDP innerhalb dieser Parteienfamilie ist diesbezüglich wenig hilfreich.

Im Agrar- und Fischereiausschuss sind die Herausforderungen noch größer, dort möchten manche Abgeordnete den Kommissionsvorschlag gleich gänzlich zurückweisen.

2. Wenig Ambition im EU-Umweltrat

Auch im Rat der Umweltminister*innen der EU schreitet die Arbeit voran. Nachdem es beim Umweltrat am 20. Dezember eine kurze Aussprache durch die Minister*innen selbst gab (siehe hierzu unsere Pressemitteilung), erfolgt die Textarbeit nun ganz überwiegend durch die Fachebene der Ministerien, unterstützt durch die Attachées der Ständigen Vertretungen in Brüssel, in der sogenannten Ratsarbeitsgruppe Umwelt. Zwar herrscht dabei – anders als im Agrarrat bezüglich des parallel vorgestellten Verordnungsentwurfs zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden – keine Totalblockade. Gleichwohl findet sich – ausgenommen vielleicht Luxemburg – kein Mitgliedstaat, der den Kommissionsvorschlag ohne Abschwächung unterstützt oder gar pro Umwelt nachbessern möchte. Dies zumindest ist der Eindruck, den man nach Gesprächen mit Vertreter*innen der Mitgliedstaaten bekommt. Die Verhandlungen im Rat finden leider hinter geschlossener Tür statt, sind also nicht sonderlich transparent.

Auch Deutschland ist dabei kein Vorreiter, selbst wenn es offenbar zu der Gruppe der etwas ambitionierteren Mitgliedstaaten gehört. Eine nun erfolgte Positionierung der Bundesregierung zur Wiederherstellungsverordnung sieht bezüglich bestimmter wichtiger Regelungen des Nature Restoration Law teils weiter Klärungsbedarf, ohne auf von Umweltverbänden aufgezeigte Lücken des Gesetzes einzugehen. Im Dezember hatten wir appelliert, insbesondere die übergeordnete Zielbestimmung in Art. 1 Abs. 2 klarer für Mitgliedstaaten zu fassen, das Verhältnis zur Gemeinsamen Fischereipolitik in Art. 5 zu klären, das Ziel für Flüsse in Art. 7 rechtsverbindlicher zu gestalten, und beim Moorschutz in Art. 9 des Nature Restoration Law nachzubessern.

Dem Zeitplan der jetzt amtierenden Schwedischen Ratspräsidentschaft nach soll die Positionierung (Allgemeine Ausrichtung) beim Umweltrat am 20. Juni erfolgen. Trilog-Treffen könnten sodann im zweiten Halbjahr unter Spanischer Ratspräsidentschaft stattfinden.

3. Zivilgesellschaft intensiviert #RestoreNature-Kampagne

Auch jenseits der EU-Institutionen steigt das Interesse an dem Nature Restoration Law. Beispielsweise fand am 8. Februar in der Hessischen Landesvertretung in Brüssel eine interessante Abendveranstaltung zur Fluss-Renaturierung statt. Zunächst ging es dort um das LIFE-Projekt Living Lahn. Die anschließende Podiumsdiskussion, in der ich für den NABU mit den Schattenberichterstatterinnen Christine Schneider und Jutta Paulus diskutieren durfte, widmete sich dann aber dem Nature Restoration Law.

Weniger konstruktiv zeigen sich in Deutschland Bundesrats-Anträge und zuletzt vor allem ein Bundestags-Antrag der CDU/CSU, der für ein Verschieben des Gesetzgebungsverfahrens plädierte. Dieses Ansinnen ist toxisch, denn wenn das Gesetz nicht mehr bis März vom jetzigen Parlament behandelt wird, fällt es der Diskontinuität zum Opfer. Auch die Argumentation ist eher populistisch denn tragfähig, schließlich wartet die Natur- und Klimakrise nicht, Ernährungssicherheit wird nur durch gesunde Böden gewährleistet, und schon zeitlich dauert es selbst nach Beratung des Gestzes noch, bis dieses in Kraft tritt und durch einen nationalen Renaturierungsplan näher umgesetzt werden kann.

Move4Nature Aktion am 15.06.2022 vor der EU-Kommission, Foto: WWF.

Umweltverbände und ihre Mitglieder möchten deswegen ihre Öffentlichkeitsarbeit zum Nature Restoration Law intensivieren. Unter dem bereits während der öffentlichen Konsultation zum Gesetzesvorhaben genutzten Label #RestoreNature veröffentlichen sie heute einen von mehr als 150 Verbänden unterstützten gemeinsamen Appell an Politiker*innen im Europäischen Parlament und in den Mitgliedstaaten, sich für ein ambitioniertes Gesetz stark zu machen (dieser wird hier veröffentlicht). Hieran anknüpfend sollen alsbald bis zur Abstimmung im Umweltausschuss und Umweltrat weitere Aktionen folgen, online und offline.

Meine abschließende Bitte an Sie ist daher: folgen Sie uns hier und auf den sozialen Medien und verfolgen Sie das Thema weiter. Helfen Sie mit, gegen Falschargumente vorzugehen und auf die Vorzüge des Nature Restoration Law hinzuweisen (gute Argumente für die Wiederherstellung der Natur, etwa bezüglich Ernährungssicherheit, ökonomischen Vorteilen etc. finden sich auch in einer Serie von acht Briefings des Thinktank IEEP). Machen Sie das Thema öffentlich, und sprechen Sie Politiker*innen an, sich für ein ambitioniertes EU-Gesetz einzusetzen. Vielen Dank!

Raphael Weyland
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3 Kommentare

Matthias Luy, LBV

22.03.2023, 14:32

Danke, Raphael, für den guten Überblick, die präzise Analyse und die Aktionen des NABU, um die restoration law doch zu einem guten Abschluss zu bringen!

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Annette Blasel

18.04.2023, 20:52

Das Taktieren der Politiker ist für den Bürger nicht durchschaubar. Dabei geht es um unsere Ressourcen und die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Ich bin so dankbar, dass es beim NABU Menschen gibt, die die Kraft und Zähigkeit haben "dranzubleiben" , um das Machtgerangel zu verstehen und kommentieren zu können. Ich wünsche mir dazu eine Presse, die wertorientiert immer wieder darüber berichtet und es schafft den Bürgern die Augen zu öffnen. Übrigens: Wie ist der derzeitige Stand im Kampf um das Verbot von Glyphosat?

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Maximilian Wulfheide

04.05.2023, 17:11

Liebe Anette, bis Ende des Jahres will die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) entscheiden, ob die Zulassung von Glyphosat verlängert wird oder nicht. Auf nationaler Ebene soll laut Koalitionsvertrag jedoch selbst bei einer Zulassung seitens der EFSA Glyphosat ab 2024 verboten werden. Ob dies dann letzten Endes wirklich passiert ist jedoch nicht 100 % sicher, da Pflanzenschutzmittel-Hersteller gegen ein Verbot klagen könnten, so wie es neulich in Luxemburg der Fall war.

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