Naturschutz braucht die Grundeigentümer

Es ist eine Binsenweisheit, dass Naturschutz nur mit den Menschen und nicht gegen sie gelingen kann. Wir brauchen breit angelegte Bündnisse, wenn wir die existenziellen Bedrohungen der Natur- und Klimakrise abwenden und einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise schaffen wollen. Die Rahmenbedingungen für individuelles Verhalten insbesondere in der Landnutzung sind durch die Politik und durch Ordnungsrecht zu gestalten. Dies reicht aber nicht aus, denn nicht jede aus Naturschutzsicht gewünschte Landnutzung kann durch Regulierung oder Zwang erreicht werden.

Es bedarf ergänzend freiwilliger, kooperativer Ansätze und entsprechender Anreize, wenn private Grundeigentümer und Flächenbewirtschafter sich aktiv für den Schutz und die Wiederherstellung von Natur auf ihren Flächen einsetzen sollen. Die Umsetzung von EU-Biodiversitäts- und Klimapolitik hängt daher in erheblichem Maße von der freiwilligen Beteiligung des Privatsektors an flächenbezogenen Naturschutzmaßnahmen und der Bewirtschaftung von Natur in privatem Grundeigentum ab.

Dies ist der Kern des aus dem englischsprachigen Raum stammenden Konzepts des „private land conservation“, den man etwa mit „nicht-hoheitlichem Naturschutz“ übersetzen kann: freiwillige Aktivitäten von Einzelpersonen, Gruppen oder nichtstaatlichen Organisationen mit dem Ziel, Grundstücke (oder Teile davon) langfristig dem Schutz und/oder der Wiederherstellung von Lebensräumen, Arten oder Ökosystemfunktionen und -leistungen zu widmen, und zwar über das Maß hinaus, das der Staat gesetzlich vorschreibt. Diese Aktivitäten ergänzen den hoheitlichen flächengebundenen Naturschutz, der durch Ordnungsrecht, die Ausweisung von Schutzgebieten oder durch Flächennutzungsplanung umgesetzt wird. In Nordamerika ist „private land conservation“ seit Jahrzehnten die dominierende Form des Naturschutzes: Die mittels freiwilliger Vereinbarungen, wie die Grundbucheintragung von Dienstbarkeiten, in den USA geschützte Fläche übersteigt mit rund 25 Mio. Hektar bereits die aller US-amerikanischen Nationalparks zusammen.

Wie nun aber könnte „private land conservation“ in Europa aussehen? Dies zu erforschen war eines der Ziele im LIFE-Projekt „Development of a European Private Land Conservation Network“. Gemeinsam mit 10 Partnern im europäischen Ausland erprobte der NABU in den letzten vier Jahren diverse Ansätze, wie „private land conservation“ hierzulande verbreitet und unterstützt werden könnte. Die Ergebnisse des Projekts wurden in zwei Veranstaltungen vorgestellt, einer öffentlichen online-Konferenz im Dezember 2021 zusammen mit dem International Land Conservation Network und einem internen Treffen mit der EU-Kommission, den EU-Mitgliedstaaten und europäischen Interessenverbänden Anfang 2022.

Eines wurde bereits vor der Projektumsetzung deutlich: viele der in anderen Regionen der Welt bereits etablierten Ansätze stecken in Europa – trotz interessanter Beispiele in einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten wie z.B. Finnland, Belgien, Frankreich und Spanien – noch in den Kinderschuhen. Es fehlen unter anderem an Rechtssicherheit für die entsprechenden Instrumente sowie verlässliche finanzielle Anreize über die traditionelle Agrarförderung hinaus. Insofern besteht für „private land conservation“ in Europa großes Potenzial, es braucht aber auch einen langen Atem. Ohne einen fortwährenden Wissensaustausch und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Akteure, insbesondere zwischen Naturschutzverbänden und Interessenverbänden von Grundeigentümern und Landnutzern auf europäischer Ebene (v.a. der European Landowners Organization – ELO) wird es nicht gehen.

Das zweite wesentliche Ziel des Projekts bestand daher darin, ein dauerhaftes europäisches Netzwerk von Naturschutzverbänden zu entwickeln, die mit privaten Grundeigentümern zusammenarbeiten. Dieses Netzwerk wurde formal etabliert, indem sein Sekretariat bei Eurosite, einem der europäischen Dachverbände des NABU, angesiedelt wurde. Und für Kontinuität in der Netzwerkarbeit ist auch gesorgt. Schon im Dezember 2020 begann ein Nachfolgeprojekt zum weiteren Aufbau des neuen Netzwerks: „European Networks for Private Land Conservation“ (LIFE ENPLC). In diesem Projekt arbeiten NABU und Eurosite erstmals mit der ELO zusammen.

Somit nimmt der NABU eine tragende Rolle beim Aufbau des European Land Conservation Network ein und positioniert sich bei diesem Thema auf europäischer Ebene als einer der primären Ansprechpartner gegenüber den Europäischen Institutionen und Interessenverbänden. Es ist zu hoffen, dass dadurch das zunehmende Interesse politischer Entscheidungsträger an kooperativen Umsetzungsmöglichkeiten in der Biodiversitätspolitik genutzt und für den Naturschutz zusätzliche Perspektiven und Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen werden können.

Ob „private land conservation“ in Europa sein Potenzial ausschöpfen wird, ist in erster Linie eine politische Entscheidung. Die Schaffung günstiger Bedingungen zur Erreichung dieses Ziels ist eine politische Aufgabe. Die Ausweitung des Ansatzes wird jedoch nicht möglich sein, ohne auch die Zusammenarbeit und das Vertrauen zwischen privaten Grundeigentümern und Naturschutzverbänden zu fördern. Dies kann nur gedeihen, wenn neue Allianzen und Partnerschaften gebildet werden. Deren Aufbau erfordert nicht nur politische Unterstützung, sondern auch einen Kulturwandel – von Antagonismus zu Zusammenarbeit, von Wettbewerb zu Vertrauen.

Dr. Tilmann Disselhoff

4 Kommentare

Angelika Heitmann

04.03.2022, 18:20

Es ist wirklich sehr wichtig, wie im Artikel beschrieben, private Grundseigentümer in den Naturschutz / den Schutz der Biodiversität einzubeziehen und dafür zu begeistern. Dies geht u.E. nicht nur über eine finanzielle Förderung, sondern auch durch das Schaffen einer individuellen Überzeugung, hier für das Wohlergehen von Flora und Fauna etwas beizutragen und dafür verantwortlich zu sein. Wir kümmern uns als Eigentümer schon seit einigen Jahren um eine alte Streuobstwiese und ein Waldstück im Sinne des Naturschutzes. Dies jedoch nicht, weil wir eine finanzielle Förderung erwarten, sondern, weil wir der festen Überzeugung sind, dass nur aktives Handeln die Reste der "Natur" noch erhalten kann. Es ist einfach der Versuch neben dem Beitritt zu Naturschutzorganisationen einen eigenen aktiven Beitrag dafür zu leisten, mit Pflanzen und Tieren rücksichtsvoll umzugehen und nicht nur die menschlichen Nutzungsinteressen in den Vordergrund zu stellen. Das führt dann manchmal zu wirklich frustrierenden aber auch individuell sehr beglückenden Momenten. Es sollte alles dafür unternommen werden, dass mehr Menschen für diesen Schutzgedanken begeistert werden und diesen in Abstimmung mit dem Naturschutz praktisch umsetzen. Insbesondere sollten die staatlichen Stellen als große Waldbesitzer hier eine - leider oft fehlende - Vorbildfunktion für die Wälder wahrnehmen.

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Helmuth Meixner

05.03.2022, 08:14

Das GRUNDSTÜCK gehört ALLEN und nennt sich ERDE! Deshalb sind ALLE VERANTWIRTLICH!

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Susanne Wangert

05.03.2022, 12:24

Für Eigentümer*innen und Verpächter*innen landwirtschaftlicher Flächen gibt es von der NABU Stiftung Nationales Naturerbe das Beratungsangebot FAIRPACHTEN. Privateigentümer*innen, Kirchen und Kommunen können sich hier dazu beraten lassen, wie Naturschutz in landwirtschaftlichen Pachtverträgen vereinbart werden kann.

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Dr. Tilmann Disselhoff

11.03.2022, 10:39

Vielen Dank für den Hinweis - vollkommen richtig! Hier gibt es weitere Informationen zum Projekt: https://www.fairpachten.org/.

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