Naturschätze retten!

Naturschätze. Viele mögen damit spontan an all diejenigen Güter denken, die die Natur dem Menschen – vermeintlich kostenlos – zu Konsum und Vermarktung überlässt. Eine kleine Schatzsuche im Netz ist aufschlussreich. Da ist natürlich viel die Rede von Öl und Kohle als Schwarzem Gold, aber sehr viel auch vom Weißen, womit man je nach Weltgegend Baumwolle, Elfenbein, Angorawolle, Spargel, Coca, Schafskäse, Salz oder Porzellan anpreist. Wälder als Geldanlage, Biomasse als Energieträger aber auch Olivenöl, Hopfen, oder auch Golfplätze werden als das Grüne Gold gepriesen.

Uferschnepfe: Foto: Frank Derer

Feinschmecker und Lebensmittelindustrie kennen auch Rotes Gold: Safran, Kaviar, Paprika, Wein und Agar-Agar (aus Rotalgen gewonnenes Geliermittel). Ohne das Braune Gold (Rohr-)zucker, Kaffee oder Kakao will auch kaum jemand leben, für manche gehören dazu auch Zigarren und Whisky. Und schließlich natürlich Wasser – als der wohl vielleicht wertvollste Rohstoff der Zukunft, das Blaue Gold.

Wir im NABU kennen, schätzen und betonen immer wieder den unverzichtbaren (ökonomischen) Nutzen der Natur für den Menschen. Und wir sind zutiefst besorgt, dass unser Konsum- und Produktionsverhalten noch immer so tut, also gäbe es einen nahezu unerschöpflichen Vorrat an kostenlosen natürlichen Ressourcen.

Natur – ein Wert an sich

Unsere diese Woche startende NABU-Aktion „Naturschätze retten“ stellt jedoch einen ganz anderen Aspekt in den Vordergrund. Einen, der in der naturschutzpolitischen Debatte zunehmend in den Hintergrund zu treten scheint: den Wert der Natur an sich, mit ihrer bedrohten Schönheit, Vielfalt und Einzigartigkeit. Es gibt gute Gründe zu glauben, dass es für sehr viele Menschen gar nicht so sehr die sogenannten „Ökosystemdienstleistungen“ sind, die sie zum Naturschutz motivieren, sondern vor allem der Eigenwert von Tieren, Pflanzen und Landschaften. Sie wollen die Vielfalt der Natur an sich bewahren, und deren Genuss auch künftigen Generationen ermöglichen. Seien es die lichten Säulenhallen eines Buchenwalds im Frühling, die raffinierten Bauwerke des Bibers oder die ergreifenden Formationen gen Süden ziehender Gänse. Ich selbst erinnere mich noch an das große Glücksgefühl beim Beobachten der wilden Flüge der Kiebitze über dem Grünland, beim Antreffen einer Rebhuhnmutter mit ihren Küken am Feldrain.

Es ist ein großes Glück, dass sich visionäre Menschen in den 1970er Jahren aufgemacht haben, auf europäischer Ebene Arten und Lebensraumtypen unter Schutz zu stellen. Die EU-Vogelschutz und die Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Richtlinie haben die Chancen meiner Kinder deutlich erhöht, noch Kraniche und Fischotter in der Natur sehen zu können. Und es ist eine große Katastrophe, dass trotzdem die Bestände des Kiebitz in den letzten 25 Jahren um drei Viertel, die des Rebhuhns sogar um dramatische 93 Prozent eingebrochen sind. Man kann davon ausgehen, dass viele Vögel in weiten Teilen unserer Landschaft faktisch verhungern, da ihnen die intensive Landwirtschaft nicht genug Insekten und pflanzliche Kost übrig lässt, von mangelnden Lebensräumen ganz zu schweigen. Die rettende Wirkung der EU-Naturschutzrichtlinien, die langsam aber sicher dort greifen, wo man sie ernst nimmt, wird durch eine fehlgeleitete Agrarpolitik ausgebremst. Viele Naturschützer haben das Gefühl, einer dramatischen Verarmung unserer ländlichen Artenvielfalt ohnmächtig zusehen zu müssen.

 

Untere Havel: Foto: Klemens Karkow

Attacken auf den Naturschutz

Vor diesem Hintergrund macht die Absicht des (nicht mehr ganz) neuen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker fassungslos, wenn er nun ausgerechnet bei den EU-Naturschutzrichtlinien Bedarf für „Vereinfachung“ und „Modernisierung“ sieht, während ein echter „Fitness Check“ für die EU-Agrarpolitik kein Thema zu sein scheint. Schlimmer noch, die agrarindustrielle Lobby, die eben noch ihre üppigen Direktsubventionen in den politischen Verhandlungen mit dem Argument gerettet hat, man wolle sich verstärkt um Landschaft und Biodiversität kümmern, steht nun in der vordersten Front derer, die den europäischen Naturschutz demontieren wollen. Das haben wir inzwischen auch schriftlich.

Es kommt nun entscheidend darauf an, dass in den nächsten Wochen und Monaten genug Menschen dem Kommissionpräsidenten signalisieren, was sie von der EU erwarten: nämlich nichts weniger als die Rettung unserer verblieben Naturschätze. Wenn er dagegen bewusst deren Zerstörung in Kauf nehmen will, verspielt Juncker das große über viele Jahre aufgebaute Vertrauen der Naturfreunde in die Europäische Union.

Bitte begleiten und unterstützen Sie daher die NABU-Aktion „Naturschätze retten“ über die nächsten Wochen, sei es über unsere Website (www.NABU.de/naturschaetze), diesen Blog, einen neuen Twitter-Account (#naturschaetze) oder Facebook. Wir lassen uns eine Reihe von Möglichkeiten einfallen, wie Sie Herrn Juncker auf den Wert der Natur für die Europäerinnen und Europäer aufmerksam machen können.

2 Kommentare

Werner Spahn

18.05.2015, 13:40

Naturschutz ,Artenschutz, Umweltschutz intressiert die Politiker in Deutschland und in der EU einen Dreck. Für die zählt nur Machterhalt und Mammon, Mammon und noch mehr Mammon.

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Konstantin Kreiser

18.05.2015, 13:52

Hier kann man zum Glück doch ein paar Unterschiede feststellen: die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, und ihre Umweltministerkollegen in den deutschen Bundesländern haben sich eindeutig für die Erhaltung der EU-Naturschutzrichtlinien ausgesprochen! Dagegen stehen Aufrufe des Deutschen Bauernverbands, oder auch der Regierungen der Niederlande und Großbritanniens, die den Naturschutz schwächen wollen. Wer sich letztlich durchsetzt, hängt auch davon ab, wieviele Bürgerinnen und Bürger sich an der derzeitigen Befragung beteiligen. Da liegen wir bisher bei knapp 100.000, wir brauchen noch deutlich mehr: www.naturealert.eu! Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

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