NABU-GAP-Ticker: Halbzeit beim Trilog in Brüssel?

Brüssel, 3.02.2021. In unserem letzten Eintrag (siehe hier) haben wir über die Staffelstabübergabe von der deutschen zur portugiesischen EU Ratspräsidentschaft und die Auswirkung auf den GAP-Trilog berichtet. Inzwischen ist der erste Trilog unter neuer Führung über die Bühne gegangen. Während des letzten Agrarrates bekräftigte die portugiesische Agrarministerin zudem den Wunsch, die Verhandlungen bis April zum Abschluss zu bringen. Somit befinden wir uns theoretisch an der Halbzeitmarke dieses Marathons. Grund genug eine erste Bilanz über diese und auch die vorherigen Verhandlungsrunden zu ziehen.

Verschiedene Akteure hatten sich jüngst kritisch zum bisherigen Verhandlungsstand geäußert. Unter anderem der EU Kommissar für den „Green Deal“ Frans Timmermans zeigte sich in einem Webinar jüngst enttäuscht und sprach davon, dass die Parlamentsposition nun das bestmögliche Szenario wäre. Angesichts unserer negativen Bewertung desselben (siehe hier) im Oktober sind das keine besonders hoffnungsvollen Aussichten. Auch die Schattenberichterstatter des Europaparlaments für die S&D Gruppe und sowie die Grünen, Maria Noichl und Martin Häusling zeigten sich ernüchtert und warfen dem Verhandlungsführer Peter Jahr (CDU) vor, die Position des Parlaments gegenüber dem Rat schlecht zu vertreten.

Wo gab es eine Einigung?

Immerhin beim Thema Transparenz haben sich die Dinge leicht zum Positiven verändert. Während von der deutschen Ratspräsidentschaft nur wenig Informationen nach außen drangen, wurden unter den Portugiesen gleich zwei der sgn. „4-Spalten“-Dokument ins Internet gestellt (siehe hier und hier). Diese geben ein gutes Bild der bisherigen Verhandlungsergebnisse.

Konditionalität

Im Zusammenhang mit der grünen Architektur gab es unter anderem zur Konditionalität einige Fortschritte, wenn gleich noch keinen finalen Durchbruch. So wurde der Vorschlag des Parlaments einkassiert, den Mitgliedstaaten zu verbieten, zusätzliche Standards innerhalb der Konditionalität einzuführen. In wie weit diese Möglichkeit in der Praxis genutzt würde, steht auf einem anderen Blatt, aber aus Umweltsicht ist dies ein gutes Ergebnis.

Bei den einzelnen Standards einigten sich die Verhandler darauf den Grünlandschutz wie bisher beizubehalten (d.h. max. 5% Grünlandverlust), aber von nun an 2018 als Basisjahr zu verwenden. Beim Schutz von Grünland in Natura 2000 Gebieten konnte sich der Rat durchsetzen. Der Umbruch und das Pflügen von Grünland in sensitiven Gebieten ist damit verboten. Verglichen zum ursprünglichen Vorschlag der EU Kommission ist dies ein Rückschritt. Im Vergleich zum Parlament aber eine Verbesserung, dieses hatte nur einen „angemessenen“ Schutz des Grünlandes verlangt, eine sehr viel unkonkretere Formulierung.

Bei der Fruchtfolge konnte das Parlament dagegen einen Teilsieg erzielen. Anders als im heutigen Greening und wie vom Rat gefordert, reicht eine schlichte Anbaudiversifizierung nicht mehr aus, sondern Landwirt*innen müssen von 2023 an eine Fruchtfolge einhalten, um die Konditionalität zu erfüllen. Dagegen konnte der Rat seine Position durchsetzen, dass diese Regel nur für Betriebe ab einer Größe von 10 ha gelten soll. Aus Umweltsicht ergibt sich damit ein gemischtes Bild. Zwar ist es gut, dass der Standard aufgewertet wurde. Die Ausnahme für Kleinbetriebe ist fachlich jedoch unbegründet, da die förderlichen Effekte einer Fruchtfolge für Bodenleben und Produktivität nicht von der Betriebsgröße abhängen.

Das Parlament scheint zudem vorsichtig von der Idee abzuweichen mit Hilfe der Öko-Regelungen die Einhaltung der Konditionalität zu vergüten. Die momentan diskutierte Formulierung sagt, dass wenn eine Öko-Regelungauf einem Standard der Konditionalität aufbaut, die Kontrolle der Einhaltung des Standards über jene Öko-Regelung erfolgt. Dies ist ein gangbarer Kompromiss, nötig wäre aber noch eine Klarstellung, dass die Vergütung der Öko-Regelung sich nur auf die Leistung bezieht, die über das Niveau der Konditionalität hinausgeht.

Öko-Regelungen

Bei den freiwilligen Umweltleistungen in der 1.Säule gab es ebenso Fortschritte, wobei hier eine finale Einigung noch deutlich weiter entfernt ist. Einig waren sich Rat und Parlament, dass die zukünftigen Öko-Regelungen auch Maßnahmen im Bereich der Förderung des Tierwohls finanzieren können sollen. Aus Umweltsicht ist dies ein zweischneidiges Schwert. Zum einen können Tierwohlmaßnahmen durchaus auch positive Effekte, etwa auf den Naturschutz haben, man denke z.B. an die Förderung einer extensiven Weidetierhaltung. Andererseits stellt sich die Frage, ob die Öko-Regelungen das richtige Instrument hierfür sind. Angesichts des investiven Charakters vieler möglicher Maßnahmen bietet sich die 2.Säule viel mehr dafür an aus Expertensicht (siehe hier). Auch droht die Gefahr, dass Umweltschutz und Tierwohl sich gegenseitig kannibalisieren, sollte nicht genügend Geld für beide Bereiche zur Verfügung stehen. Gerade die Position des Rats, der nur 20% der 1.Säule für Ökoregelungen reservieren möchte, scheint hier problematisch. Zu guter Letzt muss sichergestellt sein, dass solche Maßnahmen nicht zu einer Vergrößerung des Tierbestands führen, mit all den damit einher kommenden Problemen für die Umwelt. Die vorläufige Einigung auch Zahlungen pro Tier zuzulassen ist damit höchstproblematisch, öffnet sie doch die Tür für versteckte gekoppelte Zahlungen unter dem Deckmantel des Tierschutzes.

Wo hängt es noch?

Soweit die Liste, wo sich die Verhandlungspartner mehr oder weniger einig sind, doch wo hängt es noch bei den Verhandlungen? Einen der ganz dicken Brocken, der noch nicht auf der Agenda stand, ist die Budgetverteilung zwischen den Instrumenten und vor allem die Frage, wie viel Geld zukünftig in Öko-Regelungen und AUKM gehen soll. Auch andere Bereiche der grünen Architektur sind noch offen. Besonders der sgn. GLÖZ 9 ist weiter hoch umstritten, also die Vorschrift, wie viel Fläche Landwirt*innen für die Natur zur Seite stellen müssen. Während das Parlament auf den bisherigen und wenig effektiven Greening-Regeln zur ökologischen Vorrangflächen beharrt, möchte der Rat den Mitgliedstaaten zwei Optionen anbieten: entweder die bisherigen 5% vom Ackerland und mit der Möglichkeit Zwischenfrüchte etc. anzurechnen oder 3% mit reinen „nicht-produktiven“ Flächen. Letztere wäre naturschutzfachlich die bessere Option, aber immer noch weit entfernt von den 10%, die laut Wissenschaft nötig wären.

Ebenso wenig einig sind die Verhandler sich bei der Frage, ob es konkrete Vorgaben zur Breite von Pufferstreifen entlang von Gewässern geben soll. Vor allem die Niederlande sperren sich gegen die vom Parlament geforderten 3m, da diese auch die vielzähligen Entwässerungskanäle bei ihnen betreffen würden. Auch beim Schutz von Mooren und Feuchtgebieten gibt es keine Einigung, der Rat besteht hier darauf, dass die entsprechenden Regeln erst bis zum Jahr 2025 greifen. Auch werden bereits gemachte Vereinbarungen inzwischen wieder angezweifelt. Beim letzten Agrarrat kritisierte Frankreich etwa die oben erwähnte Einigung zur Fruchtfolge und beharrte auf der ursprünglichen Position des Rates. Der häufig zitierte Satz „nothing is agreed until everything is agreed” ist deshalb ernst zu nehmen.

Beim Trilog letzte Woche wurde ferner heftig diskutiert, in wie weit die EU Kommission die Mitgliedstaaten während der Programmierungsperiode in die Verantwortung ziehen darf. Der Rat möchte, dass diese nur alle zwei Jahre prüft, ob die Mitgliedstaaten, die in den Strategieplänen genannte Ziele erreicht haben und dass die erlaubte Zielabweichung deutlich größer ausfällt. Das Parlament fordert dagegen eine deutlich striktere Kontrolle der Mitgliedstaaten und eine zusätzliche, umfassendere Bilanzierung und mögliche Nachjustierung der nationalen Strategiepläne zur Mitte der Programmierungsperiode (ein sgn. „Mid-term Review“).

Wie geht es weiter?

Unterm Strich bleiben einige Verbesserungen für den Umweltschutz übrig. Der große Systemwechsel bleibt jedoch in weiter Ferne. Zu sagen, dass eine Einigung zum Greifen nah ist, wäre jedoch deutlich übertrieben. Tatsächlich ist die Liste der offenen Punkte deutlich länger als die, bei denen es bereits einen Kompromiss gibt. Das Ziel, die Verhandlungen bis April abzuschließen, dürfte damit eher Wunschdenken sein. Vor allem vor dem Hintergrund, dass das heiße Eisen „Grüne Architektur“ erstmal hintenangestellt wurde, macht eine Einigung zum Ende der Ratspräsidentschaft im Juni deutlich wahrscheinlicher. Der Zeitdruck könnte dann aber dazu führen, dass gerade die Umweltaspekte in einer „Nacht der langen Messer“ über Bord geworfen werden. Spätestens dann sollten die EU Kommission oder das Parlament die Notbremse ziehen.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/Agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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