NABU-GAP-Ticker: EU-Kommission veröffentlicht GAP-Übergangsverordnung
14. November 2019. Quasi in ihren letzten Zügen, am letzten Nachmittag ihrer regulären Amtszeit, hat die Juncker-Kommission ihren Vorschlag für die lang erwartete Übergangsverordnung für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) veröffentlicht. Diese wurde nötig, da sich der gegenwärtige Reformprozess für die Agrarförderung nach 2020 sowohl im Parlament als auch im Rat zunehmend verzögert. Ein pünktlicher Start des von der Kommission bereits 2018 vorgeschlagenen neuen Fördersystems zum 1.1.2021 rückte so in unerreichbare Ferne. Während der ausscheidende Agrarkommissar Hogan bis vor kurzem noch Zweckoptimismus verbreitete, ist dieser Legislativvorschlag nun ein Eingeständnis, dass eine Verzögerung unvermeidlich ist.
Insgesamt handelt es sich um zwei Verordnungen, während Erstere vor allem finanztechnische Fragen abhandelt. Interessanter ist die längere eigentliche Übergangsverordnung, welche die GAP-Regeln für das Jahr 2021 festlegt. Dies impliziert gleichzeitig, dass die Kommission von einer Übergangszeit von nur einem Jahr ausgeht, d.h. dass die endgültige Verordnung zum 1.1.2022 in Kraft treten kann. Ob dies realistisch ist, sei angesichts der anhaltendend Debatten in Rat und Parlament zur GAP und zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-27 (MFR) dahingestellt. Weitere Verzögerungen und eine Verlängerung der Übergangsregelungen sind daher nicht unwahrscheinlich.
Frisches Geld für eine alte Politik
Da der EU-Haushalt für die Zeit nach 2020 noch immer im Rat feststeckt, sind die folgenden Punkte noch unter Vorbehalt zu genießen. In ihrem Vorschlag für die Übergangszeit verwendet die Kommission jedoch die Zahlen aus ihrem ursprünglichen Budgetentwurf, welchen sie ebenfalls 2018 veröffentlicht hatte (siehe hier). Die darin enthaltenen überproportionalen Kürzungen in der 2. Säule finden sich deshalb auch in diesem Vorschlag für das Jahr 2021 wieder. Da die bisherigen GAP-Regeln aber verlängert werden, bedeutet das gleichzeitig, dass u.a. auch die alten Ko-Finanzierungsraten durch die Mitgliedstaaten beibehalten werden. Diese sollten eigentlich ab 2021 erhöht werden und so den Budgetverlust auf EU-Ebene durch mehr nationales Geld ausgleichen. Letztendlich gehen so gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsvorschlag weitere Mittel für die ländliche Entwicklung und damit für den Naturschutz verloren. Das Budget für die 2.Säule für 2021 in Deutschland läge so um 180 Mio. € niedriger als das für 2020. Auch die Direktzahlungen müssen Einschnitte verkraften, wobei diese sich für die gesamte 1. Säule auf 4% für Deutschland beschränken, während die 2. Säule 15% verliert (siehe auch hier).
Flexibilität bei der Fortschreibung der ländlichen Entwicklung
Die Mitgliedstaaten haben aber zunächst die Wahl, ob sie dieses frische Geld aus dem neuen MFR 2021-27 in Anspruch nehmen möchten, um ihre alten ländlichen Entwicklungsprogramme weiter zu finanzieren. Sollten in den Ländern aus der gegenwärtigen Periode noch genug finanzielle Mittel vorhanden sein, können die Regierungen entscheiden, die Mittel aus dem neuen MFR für 2021 in die Periode ab 2022 umzuschichten, wo sie dann unter die neue GAP-Verordnung (einschließlich der neuen Ko-finanzierungsraten) fallen würden. Aus Sicht der Kommission ist dies der Standardfall, da die meisten Mitgliedstaaten bisher noch keinen ausreichenden Mittelabfluss aus der 2. Säule verwirklichen .
Die oben genannte Aufstockung der alten Entwicklungsprogramme, muss dagegen aktiv bei der Kommission beantragt werden. Dies ist auch möglich für einzelne Bestandteile der Programme und sollte sich ein Mitgliedstaat dafür entscheiden, muss er nachweisen, dass der Anteil an Umweltzahlungen in 2021 konstant bleibt gegenüber den vergangenen Jahren. Für Deutschland ist zu erwarten, dass einige Bundesländer diese Option wählen werden, da vor allem die Agrar-Umweltprogramme als überzeichnet gelten und ansonsten für ein weiteres Jahr keine neuen Verträge mit Landwirten geschlossen werden könnten. Da die Kommission vermeiden möchte, dass die alten GAP-Regeln zu stark mit der neuen Förderperiode überlappen, sind neue Vereinbarungen mit Landwirten jedoch auf drei Jahre beschränkt.
Implikationen aus Naturschutzsicht
Letztendlich bedeutet diese Übergangsverordnung ein Weiterfahren mit den gegenwärtigen Regeln, an der bisherigen und zukünftigen grünen Architektur ändert sich zunächst nichts. Nichtsdestotrotz entstehen durch diese Übergangsphase zusätzliche Risiken für die Naturschutzfinanzierung in Deutschland. Zum einen würde wie oben beschrieben das Budget für die ländliche Entwicklung für 2021 noch einmal deutlich sinken, sollte die Debatte zum MFR bis Ende dieses Jahres keine Veränderungen dazu bringen. Ein Ausgleich wäre durch eine Umschichtung aus der 1.Säule möglich. Die gegenwärtige Diskussion in Deutschland um eine höhere Umschichtung für 2020 zeigt aber wie politisch schwierig diese Frage ist.
Ein weiteres Risiko ergibt sich aus der Tatsache, dass die Kommission die Übergangsregelung zunächst auf ein Jahr befristet, obwohl ein längerer Zeitraum bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung durchaus möglich ist. Sollten die Mitgliedstaaten entscheiden, das Budget im neuen MFR für die ländliche Entwicklung immer weiter nach hinten zu schieben, könnte es unter endgültigen GAP-Verordnung zunehmend schwieriger werden, diese angehäuften Mittel rechtzeitig auszugeben. Die Finanzierungsproblematik im Naturschutz könnte sich dann ebenfalls verschärfen. Bei einer längeren Übergangsperiode müssten sich viele Länder womöglich nochmals umentscheiden und ihre alten ländlichen Entwicklungsprogramme doch mit dem Geld aus dem neuen MFR finanzieren. Es droht eine Hängepartie, die eine langfristige Planung und Rechtssicherheit für Landwirte zu Nichte macht.
Die beiden Übergangsverordnungen müssen wie alle Legislativvorschläge der Kommission zunächst durch Rat und Parlament. Ein endgültiger Beschluss wird für den kommenden Sommer erwartet, wir werden dazu natürlich weiter berichten.
Der NABU-GAP-Ticker
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Titefoto: Europäische Union 2013
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