NABU-GAP-Ticker: der 1. Abstimmungstag – vom Regen in die Traufe

Brüssel, 21.Oktober 2020. Noch laufen die GAP-Abstimmungen im Europäischen Parlament, die letzte Runde ist für Freitag angesetzt. Die Ergebnisse der ersten zwei Abstimmungsrunden liegen jedoch bereits vor und lassen nichts Gutes für Umwelt- und Naturschutz erahnen.

Ein erster großer Block an Änderungsanträgen kam gestern Nacht bereits zur Abstimmung und zwar jene Kompromissformulierungen der drei großen Fraktionen (siehe hier). Wir hatten diese bereits in früheren Artikeln kritisiert, da sie verbindliche Umweltregeln (die sgn. Konditionalität) abschwächen. Statt der nötigen 10% auf der gesamten landwirtschaftlichen Fläche, müssen Landwirte etwa nur 5% und auch nur auf Ackerland für den Naturschutz zur Verfügung stellen. Durch eine toxische Fußnote (siehe hier) könnten diese sogar produktive Elemente wie Leguminosen oder Zwischenfrüchte beinhalten, die bereits im Rahmen des Greenings für den Schutz der Biodiversität kaum Verbesserungen gebracht haben. Es gibt zwar ein hohes Budget innerhalb der 1.Säule für freiwillige Umweltmaßnahmen. Durch Schlupflöcher ist aber auch hier massives Greenwashing und Mitnahmeeffekte zu befürchten. Leider wurden alle Anträge der großen Koalition mit einer Mehrhaus aus EVP, S&D und Renew gegen die Stimmen von Grünen und Linken angenommen.

Link zu European Green Deal gekappt

Ein weiter wichtiger Antrag mit der Nummer 1199 wurde dagegen heute Morgen abgelehnt. Dieser sah vor, die Ziele der Farm-to-Fork- und der Biodiversitätsstrategie zur Reduktion des Einsatzes von Pestiziden, zur Vermeidung von Nährstoffüberschüssen und zum Schutz von nicht-produktiven Landschaftselementen (z.B. Hecken und Blühstreifen) direkt in die GAP-Verordnung zu integrieren. Dies würde es der EU Kommission später deutlich leichter machen, die Mitgliedstaaten während der nationalen Programmierung in die Verantwortung zu nehmen. Leider stimmten nur Grüne, Linke und ein Teil der S&D (einschließlich der SPD) für diesen Antrag, der somit eine Mehrheit verfehlte.

Nur zum Teil scheiterte ein Antrag des Umweltausschusses, der für die GAP verbindliche Klimaschutzziele festlegen sollte. Zwar bekannten sich die Abgeordneten mehrheitlich zu einer Ausrichtung der GAP an dem Pariser Klimaabkommen. Ein verbindliches Reduktionsziel von 30% bis 2030 bekam dagegen keine ausreichende Unterstützung, weil sich die EVP, Teile von Renew sowie der Linken querstellten.

Unterstützung für Interessenskonflikte

Abgeschmettert wurde ferner ein Antrag der Linken, der Interessenskonflikte innerhalb der GAP verhindern hätte können. Entsprechend wären politische Entscheidungsträger zukünftig nicht mehr berechtigt, selbst Direktzahlungen zu beziehen. Angesichts der jüngsten Enthüllungen der New York Times zu Korruptionsauswüchsen und Nepotismus im Umfeld von Victor Orban und Andrej Babiš sicher keine schlechte Idee. 463 Abgeordnete aus EVP, Renew und Grünen sahen dies jedoch anders.

Angenommen mit knapper Mehrheit wurde immerhin die „rote Architektur“, vorgeschlagen von der S&D, welche Verstöße gegen das Arbeitsrecht mit GAP Sanktionen belegen soll. Angesichts diverser Fälle in jüngster Zeit, in denen etwa Erntehelfer von ihren Arbeitgebern ausgebeutet wurden, ein Erfolg.

Laut dem gegenwärtigen Zeitplan gehen die Abstimmungen noch bis Freitagabend weiter. Dort wartet dann die finale Schlussabstimmung über den gesamten Bericht. Sollten bisher oder in den kommenden Tagen für einzelne Gruppen rote Linien überschritten werden, könnte hier noch einmal eine Überraschung warten. Für uns als Umweltverband ist dies bereits der Fall und wir fordern die Abgeordneten auf, dieses desaströse Ergebnis für den Umwelt- und Naturschutz abzulehnen.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/Agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

3 Kommentare

Alexander Purps

21.10.2020, 17:51

Oh nein, wie frustrierend... Danke, dass ihr dran bleibt! LG, Alexander

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Axel Aßmann

22.10.2020, 10:51

Das sind sehr enttäuschende, desaströse Aussichten.... Ich kann an dieser Stelle nicht mehr dazu schreiben, ohne unhöflich zu werden. Danke an alle, die sich weiterhin für Biodiversität und Umweltschutz einsetzen!

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Manfred Schemmelmann

22.10.2020, 17:57

Vielen Dank für den BLOG und die Hintergrundinfos.

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