NABU-Agrar-Blog: Policy Briefing Teil 2: Space for Nature in der GAP

 

In diesem 2. Teil unserer Reihe zu den Policy Briefings der NABU-Dachverbände BirdLife Europe and Central Asia und des Europäischen Umweltbüros (EEB) beschäftigen wir uns mit dem Thema Raum für Natur in der Agrarlandschaft, auch Space for Nature genannt (den 1. Teil finden Sie hier). Das Policy Briefing enthält hierzu eine Kurzdarstellung und Bewertung der Nationalen Strategiepläne (NSP), in denen die Mitgliedstaaten darlegen, wie sie die Gelder aus der GAP ausgeben werden. Es gelangt zu der Einschätzung, dass die Pläne nicht in ausreichendem Maß für wichtige Rückzugsräume für Natur sorgen werden.

Raum für Natur – Bedeutung und Regelungen

Um der weiteren Abnahme der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft entgegenzuwirken, empfehlen mehrere Studien, einen Anteil von mindestens 10% der landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht zu bewirtschaften. Ein entsprechendes Ziel wurde auch in die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 aufgenommen. Auf diesen Flächen, die zum Beispiel Brachen oder andere Landschaftselementen wie Hecken, Bäume, Baumreihen, Feldränder, Pufferstreifen, Tümpel u.a. enthalten können, muss der Natur ein Rückzugsraum gegeben werden.

Für die nächste GAP-Förderperiode von 2023-2027 ist der Erhalt von Subventionen nach der GAP-Strategieplan-Verordnung unter anderem an die Einhaltung des sogenannten GLÖZ-Standards 8 (guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand) gebunden, wonach ein Mindestanteil der landwirtschaftlichen Fläche aus sog. „nichtproduktiven Flächen“ oder Landschaftselementen bestehen muss, siehe Art. 12 f. in Verbindung mit Anhang III der o.g. Verordnung. Die Mitgliedstaaten können dabei zwischen drei Optionen zur Ausgestaltung des GLÖZ 8 wählen: (1) mind. 4% „nichtproduktive Flächen“; (2) 3% „nichtproduktive Flächen“ und Öko-Regelungen zusätzlich zu GLÖZ 8, die 7% der Fläche erfassen; (3) 3% „nichtproduktive Flächen“ und auf mind. 7% der Fläche Anbau von Stickstoff-bindenden Pflanzen ohne Pestizide.

Neben der Mindestanforderung des GLÖZ 8 kann mehr Raum für die Natur zudem noch durch die freiwilligen Instrumente der Öko-Regelungen der ersten Säule (Art. 31 der o.g. Verordnung) und der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM, Art. 70 der o.g. Verordnung) der zweiten Säule gefördert werden.

Dabei ist der Begriff „nichtproduktive Fläche“ nicht ganz zutreffend. Auf den Flächen fällt zwar kein Ertrag an. Jedoch können sie positive Wirkungen auf landwirtschaftliche Erträge haben, indem etwa die Bodengesundheit verbessert oder Nützlingen (etwa Schädlinge fressenden Vögeln) ein Lebensraum geboten wird. Naturschutz und landwirtschaftliche Produktion sind daher keine Gegensätze, sondern gehen bei richtiger Ausgestaltung Hand in Hand.

Intensive Agrarlandschaft (Foto: Christoph Buchen)

Der deutsche NSP im europäischen Vergleich

Die Auswertung ergibt, dass kein Mitgliedstaat für GLÖZ 8 über die Mindestanforderungen hinausgeht. In elf Mitgliedstaaten ist die Erfüllung des GLÖZ-Standards durch alle drei der o.g. Optionen möglich; die übrigen Mitgliedstaaten haben zwei oder eine der Optionen gewählt. Nach den meisten NSP kann die Verpflichtung auch durch den Anbau von Zwischenfrüchten erfüllt werden, deren Biodiversitätsnutzen jedoch geringer ist als der von nicht bewirtschafteten Flächen. Ähnlich ist es bereits nach den „Greening“-Regelungen der bisherigen Förderperiode. In Deutschland ist die Verpflichtung hingegen nur über Option 1 zu erfüllen. Bis auf Dänemark haben alle Mitgliedstaaten von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, kleine Betriebe (unter 10ha) oder Betriebe mit mehr als 75% Grünlandanteil auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche von der Verpflichtung nach GLÖZ 8 auszunehmen.

Im Bereich der freiwilligen Maßnahmen ergibt die Auswertung, dass lediglich ein Viertel der Öko-Regelungen in den Mitgliedstaaten einen positiven Effekt mit Blick auf das 10%-Ziel haben dürfte. Mehrere vielversprechende Öko-Regelungen dürften ihr Potential verfehlen, weil sie entweder eine zu geringe finanzielle Ausstattung aufweisen oder nur einen kleinen Teil der landwirtschaftlich genutzten Fläche erfassen. Dies gilt auch für eine geplante Öko-Regelung in Deutschland zu mehrjährigen Blühstreifen.

Wie wirken die Maßnahmen? Rolle des Indikators R.34

Die Messung der Wirkungen der freiwilligen – über GLÖZ 8 hinausgehenden – Regelungen bezüglich Landschaftselementen erfolgt laut GAP-Strategieplan-Verordnung mittels des Indikators R.34, siehe Art. 7 iVm Anhang I der GAP-Strategieplan-Verordnung. Die Mitgliedstaaten geben hier an, wieviel Prozent der Fläche von Maßnahmen zur Förderung von Landschaftselementen erfasst sind.

Hier fällt auf, dass zum einen manche Mitgliedstaaten einen sehr niedrigen Wert angeben, also selbst nicht davon ausgehen, dass der benötigte Raum für Natur nicht durch die GAP gefördert wird. Zwölf Mitgliedstaaten haben lediglich einen Wert zwischen 0-2% gesetzt.

Zum anderen fallen vier Mitgliedstaaten (Frankreich, Luxemburg, Portugal und Griechenland) auf, die die Wirkung ihrer Maßnahmen zu hoch ausgewiesen haben dürften. So geht legt etwa Frankreich den Wert des Indikators R.34 auf 20% fest, in Luxemburg sind es sogar 85,59%. Diese hohen Werte bilden jedoch nicht die tatsächlich zu erwartende Wirkung in der Fläche ab, sondern erklären sich durch die Einbeziehung von Öko-Regelungen und AUKM, die zwar einen Bezug zu Biodiversität haben, aber nicht die Förderung von Landschaftselementen bezwecken. Zudem wird der Indikatorwert durch die Verwendung von sog. Gewichtungsfaktoren vergrößert. Mit ihnen soll ausgedrückt werden, dass unterschiedliche Maßnahmen verschieden große Wirkungen haben zur Förderung von Biodiversität haben. So bemessen zehn Mitgliedstaaten nichtproduktive Flächen wie Brachen oder Hecken mit einem Faktor von mehr als 1; in Tschechien, Irland und Spanien werden Hecken und Bäume z.B. mit dem Faktor 2 gewichtet. Im Ergebnis ist daher die Fläche auf dem Papier größer als die tatsächlich zu beobachtende Fläche.

Dabei gibt es für die Verwendung von Gewichtungsfaktoren keine klare gesetzliche Grundlage. Die GAP-Strategieplan-Verordnung empfiehlt im Zusammenhang mit GLÖZ 8 lediglich, den Gewichtungsfaktor 0,3 für Zwischenfrüchte zu verwenden. Wer auf einem ha Zwischenfrüchte pflanzt, kann diese Fläche also mit 0,3 ha auf seine GLÖZ 8-Verpflichtung anrechnen.

Deutschland hat den Indikator R.34 in seinem NSP gar nicht verwendet, da die hierunter fallenden Maßnahmen stattdessen von einem anderen Indikator zur Messung der Förderung biologischer Vielfalt erfasst werden sollten. Dieser Umstand wurde jedoch von der EU-Kommission in ihrem Beobachtungsschreiben („Observation Letter“, siehe Rn. 90, 113 und 182) bereits bemängelt, sodass Deutschland hier nachbessern sollte. Keinen Wert für R.34 haben auch Finnland, Rumänien und Spanien gesetzt. Allgemein sollte die EU-Kommission im Rahmen des Genehmigungsprozesses der NSP darauf bestehen, dass die Angaben unter Indikator R.34 nicht künstlich vergrößert werden. Nur so ist eine zuverlässige Bewertung der Wirkung der Maßnahmen möglich.

Fazit und Ausblick

Die Analyse durch das EEB und BirdLife zeigt somit, dass die meisten, wenn nicht alle Mitgliedstaaten das 10%-Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 verfehlen dürften. Bleibt zu hoffen, dass die EU-Kommission vor der Genehmigung der Pläne auf entsprechende Nachbesserungen besteht. Obwohl die Bilanz der NSP nicht optimistisch stimmt, plant die EU-Kommission, unterstützt von einigen Mitgliedstaaten, die Aussetzung des GLÖZ 8 (und des GLÖZ 7 für Anforderungen an die Fruchtfolge) für das Jahr 2023. Grund hierfür sind befürchtete Auswirkungen des Kriegs gegen die Ukraine auf die globalen Getreidemärkte und die Ernährungssicherheit, insbesondere in Nordafrika und im nahen Osten. Der teilweise Ausfall des Getreideexports aus Russland und der Ukraine soll laut Befürwortern der Aussetzung durch eine Produktionssteigerung in der EU (teilweise) kompensiert werden. Hierfür sollen auch Flächen genutzt werden, die eigentlich als Rückzugsraum für Natur gedacht sind. Bereits im März warnten mehr als 660 Experten vor einer Aufweichung von Umweltschutzvorschriften als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg. Denn kurzfristig stehen wirkungsvollere Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssicherheit zur Verfügung. Mittel- und langfristig sind die Klima- und Biodiversitätskrisen zudem die größten Bedrohungen für die Ernährungssicherheit. Einige Umweltverbände, darunter auch unsere Dachverbände BirdLife und das EEB, forderten die EU-Kommission deshalb kürzlich in einem Brief dazu auf, von der geplanten Aussetzung der Anwendung von GLÖZ 7 und 8 Abstand zu nehmen.

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