Die Elbe am Scheideweg
Fast 2 Jahre ist es her, dass ich in diesem Blog über den Prozess zum Gesamtkonzept Elbe berichtet habe – Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen. Zeit aber auch für einen deutlichen Warnruf, denn der Prozess steht aktuell am Scheideweg. Aber der Reihe nach:
In dem im Jahr 2013 aufgesetzten Erarbeitungsprozess erstellten Behördenvertreter zunächst eine Analyse des Ist-Zustandes der Elbe zwischen der deutsch-tschechischen Grenze und dem Wehr Geestacht für die Themenfelder Naturschutz, Wasserwirtschaft, Verkehr und Stromregelung. Die Naturschutzverbände (wie auch Vertreter aus Wirtschaft/ Binnenschifffahrt) waren hieran lediglich beratend beteiligt und sahen die erstellte Grundlage als noch ausbaufähig und daher als nicht abgeschlossen an. Dennoch wurde unter dem großem Zeitdruck – schließlich sollte vor Ende der Legislaturperiode im Sommer 2017 noch ein Ergebnis vorgelegt werden – mit der Formulierung eines Sollkonzeptes begonnen. Wieder unter Beratung der Verbände wurden in einem für alle Beteiligten sehr arbeitsintensiven Prozess zentrale Herausforderungen für die vier Themenfelder formuliert und Synergien sowie mögliche Konflikte identifiziert. Wie erwartet reichte die Zeit jedoch nicht aus, um Strategien für die angestrebten Zielsetzungen zu finden, die dann in einer Leitlinie festgeschrieben wurden. Dadurch konnten wesentliche Zielkonflikte nicht gelöst werden, so dass die für den Naturschutz relevanten Frage- und Zielstellungen in ein sogenanntes Handlungsfeld „Zukunftsbetrachtungen“ ausgelagert werden mussten. Dem gegenüber stehen beispielsweise sehr konkrete schifffahrtliche Zielsetzungen hinsichtlich Fahrtrinnentiefe usw.
Ein Zwischenstand – nicht weniger, aber auch nicht mehr
Nichts desto trotz wurde das Papier diesen Januar von den zuständigen Bundesministerien und den Elbe-Bundesländern beschlossen und Ende März auf einer Konferenz in Magdeburg vorgestellt. Die Naturschutzverbände haben wiederholt darauf hingewiesen, dass aus ihrer Sicht erst dann von einem Gesamtkonzept gesprochen werden kann, wenn ein Weg aufgezeigt wird, der nicht nur die schifffahrtlichen, sondern auch die ökologischen Defizite beseitigt. Das Problem der fortschreitenden Sohlerosion mit all ihren negativen Effekten für die Auen und (grundwasser)abhängige Landökosysteme beispielsweise wurde zwar in seiner Dimension als wichtiger erster Schritt anerkannt (Reduzierung der Sohlerosion reicht nicht, sondern Sohle muss wieder erhöht werden). Aber wie das Problem gelöst werden kann und ob dafür nicht eine grundlegende Veränderung des bestehenden Regelungssystems am Fluss notwendig ist, darüber wurde noch nicht beraten. Die aktuelle Diskussion verharrt zudem noch sehr stark am Vorhandenen und wagt es nicht, außerhalb des Hergebrachten zu denken. Dies ist aber notwendig, um die gravierenden ökologischen Fehlentwicklungen umzukehren. Umfassende Antworten darauf, ob ökologische und ökonomische Zielsetzungen überhaupt in allen Fällen miteinander vereinbar sind gibt es damit bisher nicht – eben so wenig Aussagen dazu, wie die Umweltziele aus Fauna-Flora-Habitat- und Wasserrahmenrichtlinie konkret erreicht werden können. Kein Wunder also, dass die Naturschutzverbände das vorliegende Konzept als nicht fertig ansehen. Auch die Landesvertreter hatten im Januar übrigens unisono betont, dass der nun anstehende weitere Prozess extrem wichtig für den Erfolg des Ganzen ist.
Die Weichenstellung erfolgt jetzt
Wie es aber nun genau weiter geht, welches Gremium wann und wie oft zu welchen Fragestellungen tagt, ist bisher noch offen – umso mehr lassen nun aktuelle Stimmen aufhorchen, die einen schnellen Ausbau der Elbe fordern. Wenn solche Forderungen von Interessenvertretern kommen ist dies zwar der notwendigen Diskurstiefe nicht angemessen, aber als Lobbyreflex vielleicht noch erwartbar. Wenn aber Abgeordnete der Regierungskoalition – wie auf der Regionalkonferenz in Magdeburg geschehen – nun einen schnellen Antrag auf Freigabe von Haushaltsmitteln ankündigen, zeigt dies, dass sie den Sachstand und die Idee eines Gesamtkonzeptes schlicht nicht verstanden haben. Der NABU wird gemeinsam mit seinen Partnern im Prozess deshalb auch weiterhin entschieden dafür eintreten, dass zunächst die fachlichen Fragestellungen umfassend beantwortet werden, bevor möglicherweise unumkehrbare Festlegungen (jenseits von sogenannten, nachgewiesenermaßen unschädlichen „no regret-Maßnahmen“ ) erfolgen – entschiedener Widerstand gegen unüberlegte „Schnellschüsse“ ist also vorprogrammiert. Bei einem über Jahrzehnten währenden Prozess kommt es nun nicht auf ein paar Monate mehr oder weniger an; entscheidend ist die Qualität des Ergebnisses, und daran allein werden sich die handelnden Akteure (auch von zukünftigen Generationen) messen lassen müssen. Bund und Länder sind nun in der Verantwortung, eine substanzielle weitere Bearbeitung sicherzustellen, bis alle relevanten, im Handlungsfeld „Zukunftsbetrachtungen“ gefassten Aspekte geklärt sind.
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