Das Ringen um die Elbe

Exkursionsgruppe in der Elbaue bei Vockerode (Foto: T. Hopf)

Was lange währt wird endlich gut? Das politische Ringen um eine Gesamtkonzept für die Elbe geht weiter.

Die Elbe. Symbolfluss der Deutschen Einheit. Letzter großer, weitgehend freifließender Strom in Deutschland. Weite Auen, idyllische Altarme; Biosphärenreservat und Welterbestätte. Aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich ist die Elbe von der tschechischen Grenze bis hinunter nach Geestacht vor den Toren Hamburgs nicht staureguliert und an ihren Ufern gibt es noch größere Reste von Auwäldern, weite Gebiete entlang ihrer Ufer sind gemäß FFH- und Vogelschutzrichtlinie geschützt und als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen. Gleichwohl ist das Hauptbett der Elbe durch wasserbauliche Maßnahmen festgelegt, kann sich also nicht verlagern, wie es natürlicher Flussdynamik entspräche. Denn die Elbe ist auch Bundeswasserstraße, weshalb tausende von Buhnen an Ihren Ufern den Strom lenken und Deckwerk vielerorts das Bett fesselt. Zudem hat die Elbe wie nahezu alle Flüsse in Deutschland einen Großteil ihrer natürlichen Überflutungsflächen verloren – Landnutzung und Siedlungsentwicklung sind die Hauptgründe für Hochwasserschutzmaßnahmen, die Fluss und Aue voneinander trennen.

Aber es gibt auch Hoffnung. Kürzlich besuchte ich mit der Parlamentariergruppe Freifließende Flüsse des Deutschen Bundestages das Biosphärenreservat Mittelelbe. Lichte Eichenwälder in der Hartholzaue und eine wieder angebundene Flutrinne begrüßten uns ebenso am historischen Dianenwall wie Grünland, das in Zukunft wieder überflutet werden kann, weil mit EU-Geldern die Deichlinie rückverlegt und der alte Deich geschlitzt wird. Am gegenüberliegenden Ufer dann ein Altarm, der langsam verlandet. Um diesen Lebensraum zu erhalten wird demnächst der Schlamm von großen Schwimmsaugern abgesaugt werden. Als aus dem Teilnehmerkreis nach dem Grund dieses Absaugens gefragt wird, verweist der Referent auf den ökologischen Wert eines Altwassers. Das ist zweifellos richtig, der eigentliche Grund für eine solch regulierende Naturschutzmaßnahme ist aber ein ganz anderer, kommt mir in den Sinn: Lebendige Flüsse sind durch Veränderung geprägt. Der Flusslauf verlagert sich, ehemalige Flussarme werden abgeschnitten, sind nur noch periodisch bei hohen Wasserständen an den Fluss angebunden, schließlich ganz abgeschnitten und verlanden irgendwann vielleicht einmal vollständig. An anderer Stelle entstehen aber neue Läufe und das Spiel beginnt von neuem, das Mosaik der Lebensräume wandelt sich örtlich, bleibt aber auf einen größeren Abschnitt betrachtet stets in seiner Gesamtheit erhalten. Zumindest so lang, wie die Dynamik nicht unterbunden wird, z.B. weil die Schifffahrt ein stabiles Hauptgerinne braucht. Dann erst werden kosten- und arbeitsintensive Naturschutzmaßnahmen nötig, um alle Mosaiksteine zu erhalten. Menschliche Eingriffe ins System machen also weitere Eingriffe erforderlich, auch zum Guten.

Die Verbände formulieren ihre Erwartungen an die Erarbeitung des Gesamtkonzeptes_Foto Julia Mussbach

Die Verbände formulieren ihre Erwartungen an den Beteiligungsprozess zum Gesamtkonzept Elbe (Foto: J. Mußbach)

Szenenwechsel: Ein Sitzungssaal in Berlin-Schöneberg. Gemeinsam mit Kollegen des BUND und des WWF veranstalten wir, unterstützt von der Michael-Otto-Stiftung für Umweltschutz, ein Forum zu Möglichkeiten der Beteiligung von Akteuren in Planungsverfahren. Ich halte die Einführungsrede. Unser Ziel: eine stärkere Einbindung der Verbände bei der Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes für die Elbe. Unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums wird gerade ein solches erarbeitet, das die widerstreitenden ökonomischen (vor allem: Schifffahrt) und ökologischen (vor allem: Naturschutz) Interessen in Einklang bringen soll. Denn seit 20 Jahren wird um die Elbe gerungen, nicht erfüllte Hoffnungen in ihr Potenzial als Wasserstraße treffen auf den Widerstand von Naturschutz und lokaler Bevölkerung, die die Elbe als weitgehend naturnahen Fluss (zu den Einschränkungen siehe oben) erhalten wollen. Bisher sitzen wir eher am Katzentisch, der hier „runder Tisch“ heißt – zweimal im Jahr, gemeinsam mit rund 80 Vertretern von Wirtschaft, Verbänden, Interessengruppen, erhalten wir Informationen zu den aktuellen Arbeitsständen. Wir können kommentieren, erhalten die Unterlagen aber oft erst kurzfristig, was mit unseren Stellungnahmen passiert, ist zumeist unklar. Das muss sich ändern, denn wenn Bund und Länder ein Konzept mit dem Glaubwürdigkeitssiegel der Beteiligung der Naturschutzverbände versehen wollen, dann müssen wir aktiv mit am Tisch sitzen. Die Tagung am 7. Mai war dafür ein „Hallo wach“ an Bundesverkehrs- und Bundesumweltministerium. Und die Botschaft ist angekommen, so war zumindest unisono den Kommentaren der hochrangigen Ministeriumsvertreter zu entnehmen. Mehr Beteiligung wurde uns zugesagt, allerdings, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Nicht an den Worten, sondern an den Taten in den nächsten Monaten werden wir messen, ob der Wille zu Transparenz und Beteiligung tatsächlich besteht, oder die Bekundungen nur mehr eine weitere Runde der Besänftigungspolitik seitens der öffentlichen Hand darstellen.

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