COP-Corner: Der Krimi um die Landwirtschaft
Konstantin Kreiser ist Teil der Delegation von BirdLife International auf der UN-Biodiversitätskonferenz im mexikanischen Cancún. Für den NABU berichtet er vor und hinter den Kulissen über die zweiwöchige 13. Vertragsstaatenkonferenz (COP13) der UN-Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD).
Jetzt beginnt die Schlussphase der Konferenz, und der Test für das Durchhaltevermögen der Verhandler (und von uns NGOs). Gestern endete unsere Kontaktgruppe „Mainstreaming“ um zwei Uhr morgens, parallel ging es bei „Capacity Building“ und „Synthetic Biology“ noch länger. Danach noch eine halbe Stunde Busfahrt ins Hotel. In Hufeisenform gruppiert sitzen die Regierungsvertreter vor dem auf die Leinwand projizierten Text, und feilschen Wort für Wort um die Formulierungen. Hinter ihnen sitzen wir NGOs und andere Beobachter. Ein Mitarbeiter des CBD-Sekretariats ergänzt, streicht, setzt Klammern und entfernt sie wieder. Die Vorsitzende der Kontaktgruppe moderiert und macht, mehr oder weniger nachdrücklich, auch eigene Vorschläge, drückt aufs Tempo oder ist mal großzügiger, wenn ein Verhandler auf einen schon behandelten Satz zurückkommen will.
So werden hunderte von Absätzen verhandelt, was von allen Beteiligten extreme Konzentration und Aufmerksamkeit verlangt. Nach Mitternacht haben dann diejenigen Vorteile, die am wenigsten müde sind. Manche scheinen sogar bewusst den Prozess aufzuhalten, weil sie sich später am Abend Vorteile erhoffen… Wir NGO-Vertreter verfolgen das Geschehen, analysieren Taktik und Vorschläge, und versuchen, den Regierungsvertretern, die unsere Positionen teilen, möglichst schnell Einschätzungen dazu zu geben, manchmal direkt auf deren Smartphones. Das sind übrigens je nach Thema durchaus wechselnde Staaten.
Frontlinie Landwirtschaft
Diese COP wird, wie keine zuvor, vom Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Landnutzung bestimmt. Alle Daten zeigen, dass ein Erhalt der Biologischen Vielfalt nicht alleine durch die Ausweisung von Schutzgebieten und mit Artenschutzprogrammen möglich ist. Viele Tiere und Pflanzen sind dem Aussterben geweiht, wenn sich Land- und Forstwirtschaft, und auch die Fischerei, nicht in vielen Teilen der Welt grundsätzlich ändern. Gleichzeitig hängen diese Sektoren von einer intakten Natur ab, ob dies bestäubende Insekten, wasserspeichernde Wälder oder Korallenriffe als Kinderstuben für Fische sind. Dass sich diese Erkenntnisse jedoch nicht einfach mit dem sogenannten „Mainstreaming“ in die Realität umsetzen lassen, zeigt dies COP besonders stark.
Jetzt geht es um knallharte wirtschaftliche Interessen. Immer wieder versuchen Regierungen daher, die Beschlüsse zu verwässern, die zu einer stärkeren Berücksichtigung des Naturschutzes, der Reform von Subventionen oder der Regulierung der Agrar- oder Holzindustrie aufrufen. Andere halten dagegen. Aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips der UNO geht es dabei nicht ohne Kompromisse.
Einige europäische Staaten haben unter niederländischer Führung eine Initiative zum Schutz von bestäubenden Tieren gegründet. Um die Frage ob, die UN-Konferenz diese Initiative „begrüßt“ oder nur „zur Kenntnis nimmt“ wurde erbittert gestritten. Denn ein ernstzunehmender Schutz von Bestäubern, gelingt nur mit Einschränkungen für die Pestizidindustrie. Die EU unterlag schließlich mit dem Vorschlag des „Begrüßens“, die Konferenz nimmt nur „Kenntnis“ – wie es Ägypten, Kamerun und andere verlangt haben. Brasilien wollte zudem den Bezug zu notwendigen Risikoanalysen für neue Biotechnologien aus dem „Bestäuber-Beschluss“ herausstreichen, kam damit aber nicht durch.
Die Interessen der Agrar- und Forstindustrie werden auf der COP teilweise von Giganten auf dem Gebiet wie Kanada, Brasilien und Argentinien vertreten, teilweise auch von kleinen Ländern bei denen die Verbindungen zur Industrie mehr oder weniger klar zu erkennen sind. Eine Delegierte aus Honduras fiel während der COP auf, weil sie sich, mit einer Studentengruppe im Schlepptau, vehement gegen Regulierung der neuen Techniken im Bereich der synthetischen Biologie einsetzte.
Seit gestern findet ein weiterer erstaunlicher Streit um Worte statt. Brasilien und die EU schlugen vor, die CBD sollte das Konzept der „ökologischen Intensivierung“ in der Landwirtschaft unterstützen. Eine große Zahl von anderen Staaten, unter anderem die Schweiz, Norwegen, Südafrika, Neuseeland, Pakistan, Uruguay und Mexiko, sowie die Umweltverbände, lehnen dies strikt ab. Auch wenn er von einigen gut gemeint ist, wird dieser Begriff in erster Linie von denen verwendet, die es gerade in Europa auf weitere Produktionssteigerungen abgesehen haben – und auf den Verkauf von Pflanzenschutzmitteln (ein Beispiel hier). Es bleibt zu hoffen, dass die CBD stattdessen eine naturverträgliche und regional angepasste „Steigerung der Produktivität“ unterstützt.
Mein Good COP des Tages…
… ist übrigens Carolina Hazin. Unsere brasilianische Koordinatorin der BirdLife-Delegation ist nahezu rund um die Uhr im Einsatz. Einerseits leitet sie die politische Arbeit auf der COP im Bereich Meeresschutz, andererseits koordiniert sie das ganze Team, das inzwischen aus fast 20 Kollegen aus zwölf Ländern besteht (von denen aber nicht alle während der gesamten Konferenz anwesend sind). Jeden Morgen lädt sie zum Delegationstreffen ein, das auch manchmal zusätzlich am Nachmittag in einem Korridor anberaumt wird. Dazu ist sie bei insgesamt sechs Veranstaltungen beteiligt, als Organisatorin, Moderatorin oder Referentin. Außerdem sorgt sie für eine ausreichende Versorgung mit Keksen und pflegt exzellente Kontakte in die brasilianische Regierungsdelegation. All dies ist für unsere Arbeit auf der COP unverzichtbar.
Lesetipps
- Eine intensive Lektüre des Geschehens in Cancún, mit vielen Bildern und Videos, ermöglicht das Earth Negotiations Bulletin (englisch/ teilweise französisch)
- Die täglichen Einschätzungen der NGO-Gruppe „CBD-Alliance“ finden sich hier (englisch /teilweise spanisch)
- Artenschutz: Klimaschutz-Bremse oder Beschleuniger? - 26. April 2024
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