GAP-Ticker: Die Umwelt geht baden – „Wiesbadener Erklärung“ des DBV

29.Juni 2018. Der Deutsche Bauerntag hat gestern die sogenannte Wiesbadener Erklärung verabschiedet, mit Forderungen an die künftige Gemeinsame Agrarpolitik. Die NABU-Pressemitteilung zum Bauerntag finden Sie hier. Im Folgenden einige kommentierte Auszüge daraus. Klar wird, dass der Deutsche Bauernverband in vielen Punkten die aus Umweltsicht ohnehin unzureichenden Vorschläge der EU-Kommission weiter abschwächen will.

Zitate aus der Wiesbadener Erklärung und Kommentierung des NABU

„Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist für die deutsche und europäische Landwirtschaft existenziell. Die GAP sorgt für wirtschaftliche Stabilität der Betriebe in offenen und volatilen Märkten, unterstützt deren Wettbewerbsfähigkeit, fördert eine nachhaltige und flächendeckende Bewirtschaftung und stärkt die Attraktivität und Vitalität ländlicher Räume. Damit trägt die GAP dem Prinzip „Öffentliches Geld für gesellschaftlich geforderte Leistungen“ Rechnung.“

Kommentar: Das selbst von Beiräten des Agrarministeriums fachlich belegte Versagen der GAP (sowohl ökologisch wie auch sozio-ökonomisch und finanzpolitisch) und damit der Reformbedarf wird erst einmal negiert. Stattdessen wird impliziert, die GAP fördere schon jetzt ausnahmlos gesellschaftlich geforderte öffentliche Leistungen.

Die GAP ist zugleich Eckpfeiler der europäischen Integration.“

Kommentar: Die europäische Integration ist von allergößter Bedeutung, auch aus Sicht des Umweltschutzes. Wenn die GAP aber nicht grundlegend reformiert wird, verliert sie die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger, von deren Steuergeldern sie abhängt. Damit schwindet auch das Vertrauen in eine wissensbasierte, transparente und reformfähige EU. Um die europäische Integration und eine weitere Agrarförderung sicherzustellen, muss die sich jetzt bietende (vielleicht letzte) Chance des existierenden Budgets genutzt werden, um in einen nachhaltigen Wandel zu investieren, anstatt fehlgeleitete Subventionen so lange zu zementieren bis sie ersatzlos abgeschafft werden.

Die von der EU-Kommission genannten umfangreichen Ziele und gesellschaftlich geforderten Leistungen der Landwirte können nicht mit einem geringeren Budget erreicht werden. Eine finanzielle Kürzung der GAP ist nicht hinnehmbar. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich gemäß des Koalitionsvertrages gegen Kürzungen des Agrarbudgets auszusprechen. Für neue Herausforderungen sind zusätzliche Finanzmittel bereitzustellen.

Kommentar: Wer heute den Erhalt eines derart großen Budgets (jährlich 58 Mrd EUR bzw. 114 EUR pro EU-Einwohner) fordert, gleichzeitig aber eine vereinfachte Mittelauszahlung wünscht und dazu geringere Umweltanforderungen (oder alternativ: noch mehr Mittel), der verspielt den Rückhalt in der Gesellschaft vollends. Viele Landwirte haben erkannt, dass ein Umsteuern notwendig ist, und benötigen dafür Unterstützung. Diese ist unmöglich solange das Budget überwiegend in den pauschalen Flächenprämien festgelegt ist. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird eine wesentlich  höhere EU-Naturschutzfinanzierung gefordert. Eine entsprechende Zweckbindung von 15 Mrd. EUR jährlich in der GAP würde für Landwirte ein zusätzliches zukunftsfähiges Einkommensfeld eröffnen und gleichzeitig die Mitgliedstaaten beider Erfüllung der ohnehin geltenden EU-Naturschutrichtlinien ein wesentliches Stück voranbringen – bevor dies durch Gerichte erzwungen werden muss.

„Der DBV tritt entschieden dafür ein, die Funktion der Direktzahlungen zur Unterstützung landwirtschaftlicher Einkommen, zur Risikoabsicherung und zum Ausgleich höherer EU-Standards zu erhalten.

Kommentar: Einkommensstützung müsste nach sozialpolitischen Kritierien erfolgen, nicht nach Flächengröße. Sie könnte zum Beispiel über die Steuerpolitik sehr viel zielgenauer wirken. Riskoabsicherung durch öffentliche Gelder darf nicht dazu führen, dass Gewinne privat und Verluste öffentlich werden – und der Anreiz zu nachhaltigem, risikoärmeren Wirtschaften wegfällt. Gesetzliche Standards mit pauschalen Subventionen auszugleichen schließlich ist in keiner anderen Branche akzeptiert, selbst da wo wesentlich höhere Unterschiede auf dem Weltmarkt bestehen. Dass Lebensmittelproduktion „made in Europe“ muss durch Qualität und Nachhaltigkeit wettbewerbsfähig werden.

„Der DBV lehnt es daher ab, die Anforderungen des heutigen Greening in die „Konditionalität“ zu verlagern. Zielführender ist es, das Greening in das von der EU-Kommission vorgeschlagene „Eco Scheme“ zu überführen. Eine freiwillige Ausgestaltung für die Landwirte wird vom DBV unterstützt.“

Kommentar: Während die EU-Kommission vorschlägt, die gescheiterten, weil zu schwachen, Greening-Auflagen in die Grundbedingunge für jegliche EU-Zahlung aufzunehmen (dabei aber erneut versäumt, diese zu konkretisieren und zu schärfen), will der Deutsche Bauernverband diese gleich ganz freiwillig machen und über ein sog. „Eco-Scheme“ dem Belieben der Mitgliedstaaten überlassen. Im derzeitigen Vorschlag der Kommission gibt es weder Mindestbudgets noch genauere Vorgaben für Eco-Schemes. Die Forderungen des DBV laufen demnach auf eine massive Absenkung von Umweltstandards und eine weitere Verschlechterung der Umweltbilanz der GAP hinaus.

 „Eine nationale Umverteilung von Fördermitteln der 1. Säule in die 2. Säule (derzeit in D 4,5 % der 1. Säule) würde die landwirtschaftlichen Betriebe wirtschaftlich schwächen und wird daher abgelehnt. Bund und Länder sollen die positive Steuerschätzung der nächsten Jahre dazu nutzen, ihren Mitteleinsatz in der 2. Säule auszubauen. Die Basisprämie muss weiter einen fundamentalen Anteil der 1. Säule ausmachen, um die Aufgabe der direkt wirksamen Stabilisierung der Betriebe zu erfüllen und um den Ausgleich für hohe EU-Standards zu leisten.“

Kommentar: Die Kommission schlägt bereits eine überproportionale Kürzung der 2.Säule vor, will den Mitgliedstaaten aber eine Umschichtung von bis zu 30% erlauben (was bereits jetzt in Deutschland zu 15% möglich, aber nur zu 4,5% realisiert wird – wegen des Widerstands des DBV). Der Bauernverband wappnet sich schon jetzt dafür, dies erneut zu blockieren. Stattdessen sollen Bund und Länder zusätzliche Steuermittel mobilisieren (die an anderer Stelle gerade für den Umweltschutz und die ländliche Entwicklung fehlen würden). Erneut wird die Linie verfolgt: Soviel „bedingungsloses Grundeinkommen“ der 1.Säule (Basisprämie) wie möglich, wenn nötig auch auf Kosten der gezielten Agrarumweltförderung der 2.Säule. Dass die Basisprämie ineffizient und für viele Betriebe nicht die effektivste Hilfe ist, wird ebenso ignoriert wie der Mythos genährt wird, man müsse „hohe EU-Standards“ per Pauschalzahlung kompensieren (siehe voriger Absatz).

„Der DBV besteht auf vergleichbaren Rahmenbedingungen für alle Landwirte im gemeinsamen Markt. Es gilt, ein weiteres Auseinanderdriften der nationalen Fördersysteme im Zuge der neuen Strategiepläne zu verhindern. … Dazu gehört auch, die Möglichkeiten für gekoppelte Direktzahlungen EU-weit deutlich einzuschränken.

Kommentar: Hier besteht Konsens – auch aus Umweltsicht ist es absolut notwendig auf EU-Ebene starke Leitplanken zu installieren. Im Vorschlag der Kommission soll es den Mitgliedstaaten erlaubt sein, extrem niedrige Standards zu setzen. Man baut in der Kommission darauf, diese dann über eine Prüfung der nationalen Strategiepläne ggf. zu korrigieren. Da aber weder eine verpflichtende Mitsprache der Umweltverwaltung noch glaubwürdige Sanktionsmechanismen vorgesehen  sind, wird dies nicht realisierbar sein.

„Die EU muss sich auf Kernziele und die Überwachung einfacher Indikatoren beschränken. Bund und Länder sollten die detaillierten Vorgaben zu Antrags- und Kontrollverfahren eigenverantwortlich und ohne EU-Anlastungsrisiken regeln dürfen und dies dann auch tatsächlich umsetzen. Kontrollen und Sanktionen müssen verhältnismäßig sein. Vor allem sind Bagatellregelungen dringend einzuführen.“

Kommentar: Auch der NABU will ein möglichst einfaches aber gleichzeitig effektives Kontrollsystem, dass sich auf das Aufdecken von systematischem Missbrauch und klare Verfehlungen der Mitgliedstaaten (und nicht einzelner Landwirte) konzentriert. Da es sich aber um Steuergelder handelt, die gezielt und ergebnisorientiert vergeben werden müssen, ist der Vereinfachung naturgemäß eine Grenze gesetzt. Die Verantwortung für Verwaltung  und Kontrolle muss dabei in erster Linie auf den Mitgliedstaaten liegen, diese müssen aber ihrerseits von der EU-Kommission streng überwacht und ggf. sanktioniert werden. Dies ist im Interesse der Steuerzahler unverzichtbar.

„Priorität für Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Bewirtschaftung in der 2. Säule: Der DBV fordert weiter eine hohe Priorität für Maßnahmen zur Förderung einernachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere für die Förderung von Investitionen (einschl. Ressourcenschutz), Diversifizierung, Innovationen sowie Bildung und Beratung. Eine besondere Junglandwirte- und Nachwuchsförderung wird begrüßt; diese sollte über Maßnahmen der 2. Säule erfolgen und offen für alle Rechtsformen sein…Der DBV fordert eine attraktivere Gestaltung der Agrarumweltmaßnahmen der 2. Säule mit entsprechenden Anreiz-Margen.“

Kommentar: Die Zukunftsaufgaben sind enorm, der Investitionsbedarf für die Transformation der Landwirtschaft gewaltig, sei es im Bereich der Tierhaltung, des Ackerbaus, der Umstellung auf Ökolandbau, der besseren Kennzeichung und Vermarktung von nachhaltigen erzeugten Lebensmitteln, dem Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung, Beratung und Bewusstseinsbildung. Es ist notwendig, für diese Investitionen weitestgehend die in der 1.Säule (noch) vorhandenen Gelder zu nutzen, anstatt die ohnehin schon viel zu klein ausgestattete 2.Säule mit diesen Aufgaben zu überfrachten. In der 2.Säule müssen insbesondere die zielgenauen Agrarumweltmaßnahmen gestärkt werden, wie für die Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien.

„Der DBV hält eine Verständigung über den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen noch vor der Europawahl 2019 für unbedingt notwendig.“

Kommentar: Um die europäische Integration zu stärken und Nationalismen vor der ungemein wichtigen Europawahl entgegenzuwirken, hält auch der NABU eine Einigung zum Mehrjährigen Finanzrahmen vor der Wahl für erstrebenswert. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass bei Sektorpolitiken wie der GAP ebenfalls auf Kosten von Transparenz und Nachhaltigkeit eine Einigung bis Anfang 2019 erzwungen wird. Schon jetzt zeigt sich, dass mit dem Argument des Zeitdrucks versucht wird, die Mitsprache anderer Parlamentsausschüsse zu verhindern (vgl. voriger GAP-Ticker-Beitrag). Dies wäre jedoch für eine akzeptierte, effiziente und möglichst einfache Politik notwendig, da ansonsten die abschließende Plenardebatte mit unzähligen meist unkoordinierten und teilweise widersprüchlichen Änderungsanträgen überlastet und verzögert wird. Dies hat bereits in der letzten GAP-Reform zu vielen Unstimmigkeiten und bürokratischen Hürden geführt, die für Umwelt wie Landwirte in der gesamten Förderperiode ein großes Problem darstellten.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Mehr Infos auf www.NeueAgrarpolitik.eu. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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