NABU-GAP-Ticker: Peinliche Pirouetten der Bundesregierung bei der Naturschutzfinanzierung

12. Dezember 2018. Kein Jahr ist es her, dass CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag sich auf ein einfaches Versprechen einigten: „Wir werden uns in der EU für mehr Mittel für den Naturschutz, die sich am Bedarf von Natura 2000 orientieren, … einsetzen.“ Im Mai 2018 veröffentlichte die Bundesregierung dann erschreckende Zahlen zum Finanzbedarf im deutschen Naturschutz. Wird dieser nicht endlich gedeckt, wird Deutschland weder das Artensterben noch empfindliche Strafen des Europäischen Gerichtshofs abwenden können. Erhalt und gute Pflege des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 sind EU-rechtliche Pflicht. Von den jährlich 1,4 Milliarden Euro, die in Deutschland hierfür und für weitere Maßnahmen  notwendig sind, fehlen fast 900 Millionen. EU-weit schätzen wir den Bedarf auf 15 Mrd. Euro jährlich.

Nun haben die Verhandlungen über den EU-Haushalt 2021-2027 und über die 60-Milliarden- schwere Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) begonnen. Doch wer glaubte, dass sich die in Brüssel verhandelnden „Groko-Minister“ Maas, Scholz, Klöckner und Schulze, sowie die Kanzlerin selbst, nun gemeinsam für die Umsetzung des Koalitionsvertrags einsetzen würden, der wird bitter enttäuscht. Stattdessen wird ein peinliches Trauerspiel aufgeführt.

Heilloser Streit oder Täuschung?

Auf die schriftliche Frage von Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), ob und wie sich die Bundesregierung auf dem heute beginnenden EU-Gipfel für die verbindliche Zweckbindung von Naturschutzmitteln einsetzen würde, kam Anfang der Woche eine Antwort, die man nur als empörend bezeichnen kann: Ja, man wolle sich einsetzen für eine bessere EU-Naturschutzfinanzierung sowie ein höheres Umweltambitionsniveau der GAP. Aber wie das genau geschehen solle, dass müsse man erst sehen, die Verhandlungen dauerten ja noch an. Zudem könne man die auf dem Tisch liegenden Vorschläge der Kommission noch nicht bewerten, ein „Gesamtpaket“ müsse betrachtet werden (genauer Wortlaut von Frage und Antwort unten in diesem Beitrag). Angesichts der Tatsache, dass die Vorschläge der EU-Kommission für GAP und EU-Haushalt seit dem Frühsommer in ihrer Gesamtheit bekannt sind und viele Mitgliedstaaten dazu bereits sehr klare Meinungen haben (z.B. Frankreich), ist es erschreckend, dass die Bundesregierung über ein derartiges Lavieren nicht hinauskommt. Außerdem richtete sich die Frage aus dem Bundestag nach der Verhandlungsposition der Regierung, nicht nach dem Ergebnis der Verhandlungen.

Entweder herrscht innerhalb der Bundesregierung heilloser Streit über die einzuschlagende Richtung – dann hieße das, der Koalitionsvertrag ist an dieser Stelle Makulatur und die SPD hat sich damit abgefunden. Oder man will die Steuerzahler im eigenen Land bewusst über die Verhandlungen im Unklaren lassen – und erst am Schluss vor vollendete Tatsachen stellen. Das wäre skandalös und Wasser auf die Mühlen aller EU-Gegner. Ein deutscher Finanzminister sollte sich nicht nur in Sonntagsreden für eine effiziente und nachhaltige Verwendung öffentlicher Mittel einsetzen.

Trippelschritte in die richtige Richtung

Immerhin ein kleiner Lichtblick war das Auftreten des deutschen Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Michael Roth (hier Videoausschnitt), am Dienstag im „Ministerrat für Allgemeine Angelegenheiten“. Dort wurde versucht, die Verhandlungen zum EU-Haushalt 2021-2027 voranzubringen, die sich nun vermutlich bis in den Herbst 2019 hinziehen werden. Die Österreichische Präsidentschaft veröffentlichte den Stand der Verhandlungen in Form einer „Verhandlungsbox“ (pdf-download). Für Deutschland forderte Michael Roth klar und deutlich, der künftige EU-Haushalt müsse, um den globalen Nachhaltigkeitszielen gerecht zu werden, mehr für den Naturschutz tun. Noch viel zu unkonkret, aber dennoch ein kleiner Fortschritt angesichts des peinlichen Schweigens, dass die Bundesregierung bisher in Brüssel bei dem Thema an den Tag legte. Man muss sich dabei bewusst machen, dass jedes Wort, das die Regierung bei solchen Sitzungen in Brüssel äußert, Ergebnis eines tagelangen Gezerres der Ministerien zuhause ist.

Vom Europäischen Parlament kam gleichzeitig ein kleines Weihnachtsgeschenk (NABU-Meldung): Es verabschiedete eine insgesamt sehr gute Position zum EU-Förderprogramm LIFE, in dem es eine kräftige Erhöhung der Mittel gerade für den Naturschutz verlangt. Allerdings folgen hier nun noch Verhandlungen mit den Regierungen – und vor allem: Das LIFE-Programm deckt mit seinen (exzellenten) Pilotprojekten nur einen Bruchteil der notwendigen Naturschutzförderung ab, selbst wenn es, wie vom EU-Parlament jetzt verlangt, von 0,3 auf 0,6% des EU-Haushalts und damit auf etwa 1 Milliarde Euro verdoppelt wird.

Der Brüsseler GAP-Marathon wird sich am 20.Dezember mit einer Sitzung des Umweltministerrates in die Weihnachtspause verabschieden. Es ist bezeichnend, dass man es als Erfolg verbuchen muss, dass die Minister (trotz erbitterten Widerstands der Agrarressorts in vielen Staaten) die GAP überhaupt auf ihre Tagesordnung setzen durften. Unter „Sonstiges“ und unter Ausschluss der Öffentlichkeit…

Schriftliche Frage von MdB Steffi Lemke vom 29.November 2018.

 

Antwort der Bundesregierung vom 10.Dezember 2018.

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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