Sandregenpfeifer Beiträge

(Nichts) neues von Familie Sandregenpfeifer: Eine schwierige Brutsaison geht zu Ende

(Nichts) neues von Familie Sandregenpfeifer: Eine schwierige Brutsaison geht zu Ende

Die letzten Wochen auf Trischen waren einerseits von vielen schönen Beobachtungen geprägt: Immer wieder konnte ich junge Rotschenkel mit ihren blassorangenen Beinen bei der Nahrungssuche im Watt beobachten. Die Weißwangengänse watschelten mit ihren frisch geschlüpften Küken im Gänsemarsch durch die Salzwiesen. Jetzt ein paar Wochen später sind die kleinen schon richtig groß geworden und es wird nicht mehr lange dauern bis sie ihre ersten Flugversuche unternehmen. Auch einen großen Brandgans-Kindergarten kann ich immer wieder von der Hütte aus beobachten. Brandgansweibchen teilen sich die Aufsicht über den Nachwuchs und bilden Gruppen mit mehr als 100 Küken. Auf Trischen habe ich bis jetzt „nur“ einen Kindergarten mit 24 Küken gezählt. Auch junge Austernfischer flitzten durchs Watt, begleitet von warnenden Eltern. Und selbst bei den Löfflern scheint es nach einem schwierigen Start nun doch Nachwuchs zu geben – Anfang Juli sind die ersten Küken geschlüpft.

Wenige Tage alte Löffler-Küken im Nest

Andererseits gab es für viele Brutvögel große Schwierigkeiten. Im Mai hatte ich bereits über die ersten Sandregenpfeiferküken berichtet (zum Artikel). Leider konnte ich sie schon eine Woche später trotz intensiver Suche nicht mehr entdecken. Auch bei einem zweiten Sandregenpfeiferpaar, das Nahe der Hütte brütete, blieben zwei Brutversuche erfolglos.
Und sie waren nicht die Einzigen mit Schwierigkeiten: Küsten-, Fluss- und Zwergseeschwalben begannen spät und zögerlich mit der Brut. Es waren deutlich weniger Paare als in den Vorjahren, die Kolonien fielen kleiner aus – und bis Ende Juni waren sie ganz aufgegeben, ohne dass ein Bruterfolg verzeichnet werden konnte.
Die Lachmöwen gaben nach drei Brutversuchen bereits Mitten Juni auf. Bei den Löfflern schien es im Mai ebenfalls so, als würde es dieses Jahr keinen Nachwuchs geben. Doch wie eingangs erwähnt, sind nun doch einige Küken geschlüpft.
Ein ernüchterndes Bild zeigte sich auch bei der Beringung der Silber- und Heringsmöwenküken vor rund zehn Tagen (zum Artikel): Wir fanden viele recht magere und einige tote Küken vor.

Doch warum verlief die Brutsaison 2025 auf Trischen scheinbar so schlecht?

Ein Teil-Landunter in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni kann als Ursache weitestgehend ausgeschlossen werden – zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten Koloniebrüter bereits aufgegeben.
Stattdessen deuten viele Beobachtungen auf einen Nahrungsmangel als zentralen Grund hin. Untersuchungen ergaben, dass im Frühjahr kaum kleine Heringe im Wattenmeer zu finden waren, was aber die wichtigste Nahrung für den Nachwuchs der Küsten- und Flussseeschwalben darstellt (Thünen-Institut für Ostseefischerei). Das könnte die Seeschwalben dazu bewogen haben, die Bruten abzubrechen bzw. gar nicht erst anzufangen.
Auch bei den Silber- und Heringsmöwen gab es Hinweise auf Nahrungsmangel: Zum einen die mageren und toten Küken bei der Beringungsaktion. Zum anderen bei der Nahrungswahl: Beide Arten hatten es dieses Jahr vermehrt auf die Gelege der Lachmöwen und Löffler abgesehen. Das brachte die Lachmöwen vermutlich zur Aufgabe der Kolonien und die Löffler zu einer sehr späten Zweitbrut. So fand ich auch viele ausgefressene Weißwangengansnester vor.

Normalerweise ernähren sich Silbermöwen im Watt von Krebsen und Fischen, Heringsmöwen jagen auf der offenen See. Beide Arten nutzen auch Äcker und Wiesen auf dem Festland zur Nahrungssuche. Doch das Frühjahr war sehr trocken, was auch dort die Nahrungssituation verschlechtert haben dürfte. Möglicherweise kam ein zusätzlich schlechtes marines Nahrungsangebot hinzu.

In der Folge scheinen sie ihren Nahrungsbedarf dieses Jahr verstärkt durch Eier und Küken anderer Brutvögel (und untereinander) gedeckt zu haben – mit sichtbaren Konsequenzen: Brutaufgaben oder sehr geringer Bruterfolg bei vielen Arten. Für diesen Zusammenhang gibt es bisher keine wissenschaftlich gesicherten Belege und die Auswertung der Brutvogelkartierungen sind noch nicht abgeschlossen, doch wurden ähnliche Entwicklungen auch andernorts beobachtet: In anderen Möwenkolonien des Wattenmeeres war der Bruterfolg ebenfalls auffallend gering. Auf Norderoog, wo sich eine der letzten Brandseeschwalbenkolonien Deutschlands befindet, brütete dieses Jahr erstmals seit 100 Jahren kein einziges Paar (siehe Fernsehbeitrag und Verein Jordsand).

Mit großer Wahrscheinlichkeit landete auch der Nachwuchs der Sandregenpfeifer in einem Möwenmagen. Doch die Silber- und Heringsmöwen dürfen deshalb nicht als Bösewichte verurteilt werden. Auch sie sind abhängig vom Nahrungsangebot und wollen ihren Nachwuchs durchbringen. Ihr Verhalten folgt biologischen Notwendigkeiten, nicht menschlichen Maßstäben.

Weißwangengänse mit Nachwuchs

Es stimmt mich nachdenklich, dass selbst auf einer Insel wie Trischen, auf der viele Störfaktoren wegfallen, der Bruterfolg so gering ausfällt.

Ob sich die Situation im kommenden Jahr verbessert, bleibt offen. Es hat immer Jahre mit geringen Bruterfolgen gegeben – natürliche Schwankungen sind normal. Doch wenn sich die marine Nahrungsverfügbarkeit dauerhaft verschlechtert oder sich Entwicklungszyklen verschieben muss früh genug gehandelt werden.

Die systematische Erfassung der Brutvögel auf Trischen liefert wichtige Daten zu Bestandsentwicklungen.  Die Daten können helfen Negativtrends früh zu erkennen und als Grundlage für weitere Bemühungen und Schutzziele im Lebensraum Wattenmeer beitragen.

 

Eure Naturschutzwartin 2025
Mareike Espenschied

 

Nachwuchs bei Familie Sandregenpfeifer

Nachwuchs bei Familie Sandregenpfeifer

Letzten Samstag erlebte ich am Strand eine Szene, die mich kurz stutzen ließ: Ein Sandregenpfeifer lief rufend vor mir her, setzte sich, beugte sich zur Seite, stand wieder auf und schleifte plötzlich einen Flügel über den Sand, als wäre er gebrochen. Für einen Moment dachte ich, der Vogel sei verletzt. Doch schnell wurde mir klar: Er ist völlig gesund und verleitet nur.

Dieses schauspielerische Talent zeigen viele Bodenbrüter, wenn sie Nachwuchs haben. Sie imitieren einen verletzten Vogel, um einen vermeintlichen Fressfeind von den Küken wegzulocken. Durch die scheinbare Hilflosigkeit ziehen sie die Aufmerksamkeit des Feindes gezielt auf sich, lenken dadurch von den Küken ab und locken ihn weg.

 

Verleitender Sandregenpfeifer

 

Das hat auch bei mir geklappt, aber ein Glück kenne ich dieses Verhalten. Es bedeutet nämlich: Der Nachwuchs bei den Sandregenpfeifern ist geschlüpft! Im Blogbeitrag vom 21.04.2025 , hatte ich bereits vom Nestfund unweit meiner Hütte berichtet (Blogbeitrag). Nun, knapp vier Wochen später, sind aus den Eiern tatsächlich Küken geschlüpft.

Wie viele Bodenbrüter sind Sandregenpfeifer-Küken Nestflüchter. Das bedeutet, sie verlassen bereits kurz nach dem Schlüpfen das Nest. Ihre Augen sind bereits geöffnet, sie sind von Anfang an mobil, mit einem feinen Daunenkleid ausgestattet und folgen ihren Eltern. Auch das ist ein cleverer Schutzmechanismus: Indem sie sich vom Nest entfernen, verringern sie das Risiko, entdeckt zu werden.

Zunächst zählte ich zwei Küken welche mit den Eltern am Strand unterwegs waren. Doch am nächsten Tag entdeckte ich noch ein drittes. Lediglich durch die Warnrufe der Eltern wurde ich auf sie aufmerksam und fand die Küken nur indem ich den Strand mit dem Fernglas absuchte und sie sich in dem Moment bewegten. Mit ihrer sandfarbenen Tarnung fügen sie sich nahezu perfekt in die Umgebung ein und sind zwischen all den Muscheln und Steinchen am Strand fast unsichtbar.

 

Sandregenpfeifer-Küken können sofort nach dem Schlüpfen laufen

 

Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die kleine Familie sehe. Um sie nicht zu stören, mache ich nun selbstverständlich einen großen Bogen, wenn ich in der Nähe bin. Gerade in dieser empfindlichen Phase ist Rücksichtnahme besonders wichtig – jeder unnötige Stress kann gefährlich für die Jungvögel sein.

Die Küken werden etwa nach 24 Tagen flügge, also flugfähig sein. Bis dahin sind sie auf den Schutz und die Führung ihrer Eltern angewiesen. Ich werde natürlich weiter beobachten und berichten, wie es der kleinen Familie in den nächsten Wochen ergeht.

Und noch eine gute Nachricht: Direkt neben dem Pfad, der vom Strand zu meiner Hütte führt, habe ich ein weiteres Gelege entdeckt – vier Eier liegen dort, gut getarnt im Sand. Auch dieses Nest werde ich genau im Auge behalten – und euch natürlich auch hier auf dem Laufenden halten.

 

Bis bald,
eure Mareike Espenschied

Eine (See)schwalbe macht noch keinen Sommer

Die ersten Wochen meines Aufenthalts auf Trischen war ich zugegebenermaßen äußerst sonnenverwöhnt, was den Start natürlich erleichterte. Ein ungewöhnlich trockener, klarer April bescherte mir viele milde Tage und viele Sonnenstunden. Doch letzte Woche kam er endlich – der langersehnte Regen. Es wurde grau, nass und windig. Ein Wetter, bei dem sich selbst eine Naturschutzwartin überwinden muss, die gut eingeheizte Hütte zu verlassen.

Letzter Nachwuchs – Auflösung des cliffhangers

Endlich ist es soweit. Der cliffhanger wird aufgelöst! Täglich lugte ich bei meinem Gang über die Düne Richtung Strand zu den vier kleinen Eiern, die sich wirklich direkt neben dem Weg befanden. Eines Tages war es endlich so weit und ich konnte erkennen, dass die winzigen Küken in den Eiern begannen, ihre Schale aufzupicken. Am nächsten Tag fand ich dann dieses Küken, das sich nun bis auf den Dünenübergang vorgewagt hatte. Die drei anderen lagen noch hinter dem Meersenf, der mir immer als Orientierung diente, wenn ich zu dem Gelege schauen wollte. Sandregenpfeifer!