Salzwiese Beiträge

Perspektivwechsel: Überlebenskünstler und unscheinbare Inselschätze

Perspektivwechsel: Überlebenskünstler und unscheinbare Inselschätze

Der Sommer neigt sich langsam dem Ende zu und mit ihm verabschieden sich auch die letzten Brutvögel von der Insel. Dadurch können jetzt Bereiche betreten werden, die wochenlang den Vögeln und ihren Küken vorbehalten waren. Jetzt wird die Zeit genutzt für einen genaueren Blick auf das, was auf Trischen wächst und krabbelt: Die Salzwiese, Flechten, Moose und hochspezialisierte Käfer. Hierfür waren die vergangene Woche drei Experten vor Ort.

Die Pflanzen der Salzwiese

Salzwiesen sind ein Lebensraum für Spezialisten, denn sie müssen mit häufigen Überschwemmungen und einem hohen Salzgehalt klarkommen.  Auf Trischen bedecken sie immerhin gut 80 % der Inselfläche. Seit über 20 Jahren wird ihre Entwicklung hier genauestens dokumentiert. Dafür gibt es über die Insel verteilt Probeflächen von jeweils einem Quadratmeter. Hier wird zum einen die Sedimentation gemessen, also ob und wie hoch die Bodenoberfläche anwächst. Zum anderen werden alle Pflanzenarten dokumentiert, sowie der Anteil der Fläche, den sie in diesem Quadratmeter bedecken.

Jede Salzwiesenpflanze ist eine Spezialistin für ihren Standort. Wie salz- und überflutungstolerant die Pflanze ist bestimmt, wie nah sie an der Wasserkante wächst. Der Queller ist der Pionier unter den Salzwiesenpflanzen, er keimt als erstes im schlickigen Wattboden, hält den Schlick durch seine Wurzeln vom Wegschwemmen ab und sorgt dafür, dass sich noch mehr Schlick anhäuft. Ist der Boden hoch genug können die nächsten Spezialisten, wie Strandflieder und Andelgras Fuß fassen. Der Strandflieder ist dabei besonders clever und wächst einfach mit dem Boden mit nach oben. Er kann durch Rhizombildung, einer Art Wurzel, in die Höhe wachsen und oben seine Blätter und Blüten entfalten. Eine einzige Pflanze kann so Jahrzehnte alt werden!  In der nächsten Salzwiesenzone – die nicht mehr so häufig überflutet wird – ist die Artenanzahl besonders hoch: Strandwegerich, Portulak-Keilmelde und der intensiv duftende Strandwermut sind hier nur drei typische Vertreter. Im oberen Teil schließlich dominiert die Strandquecke das Geschehen, durchbrochen von Rotschwingel und Strand-Tausendgüldenkraut.

Unsere Kartierungsarbeit wurde dieses Jahr allerdings von einer kleinen Plage begleitet: Unzählige Stechmücken schwirrten um unsere Köpfe – eine Folge der hohen Niederschläge der letzten Wochen. Aber wir haben uns tapfer geschlagen und uns die Freude an den Entdeckungen nicht nehmen lassen.

Die unscheinbare Welt der Flechten und Moose

Einen völlig neuen Blick auf die Insel bekam ich, als ich mit dem Moos- und Flechtenexperten unterwegs war. Die meisten Flechtenarten auf Trischen wachsen an den Pfählen und Balken der Vogelwärterhütte. Doch selbst ein alter Pfahl in der Salzwiese oder ein angespülter Ziegelstein an der Dünenkante dienen als Lebensraum von zahlreichen Moos- und Flechtenarten. Man muss nur lernen, genau hinzuschauen.

Ein Ziegelstein in der Salzwiese, auf dem zwei verschiedene Moose und eine Flechte wachsen

Der Moos- und Flechtenexperte konnte auf Trischen schließlich 15 verschiedene Moos- und mindestens 44 verschiedene Flechtenarten finden. Unter ihnen war auch die Baltische Astflechte, die auf der Roten Liste der Moose und Flechten von 2010 noch als ausgestorben gilt.

Überlebenskünstler im Wattboden

Auch der Käferexperte hatte es auf die Salzwiesen abgesehen. Mit geübtem Blick suchte er nach winzigen Häufchen in Sand und Schlick, die die Wohnröhren der wenige Millimeter großen Salzkäfer verraten. Diese Käfer aus der Familie der Kurzflügler haben einen genialen Trick entwickelt, um die täglichen Überflutungen zu überleben: Sie nutzen den Siphon-Effekt und bauen einen Knick in ihre Wohnröhre, damit diese bei Flut nicht mit Wasser vollläuft.

Unter jedem Schlickhäufchen verbirgt sich eine Wohnröhre des Salzkäfers

Die genaue Bestimmung der verschiedenen Arten der winzigen Käfer ist nur unter dem Mikroskop möglich, doch die zahlreichen Funde allein sind schon erfreulich. Die Insektenfauna der Salzwiesen ist durch häufiger werdende Sturmfluten und den steigenden Meeresspiegel, sowie durch menschliche Eingriffe, wie Deiche gefährdet. Hier bietet Trischen einen selten gewordenen Lebensraum: Da kein Deich die Salzwiese unterbricht kann sie durch Sedimentation mitwachsen und sich verlagern, somit haben auch die Salzkäfer und die vielen anderen Insektenarten der Salzwiese die Möglichkeit sich anzupassen.

Dank der Experten habe ich einen anderen Blickwinkel eingenommen, der mir zeigte, dass die Besonderheit von Trischen nicht nur in den großen Vogelschwärmen liegt, sondern auch im Verborgenen. Man muss nur die Perspektive wechseln, um einen ganz anderen Kosmos zu entdecken.

 

Eure Naturschutzwartin 2025
Mareike Espenschied

 

Es ist Sommer

Es ist schon eine ganze Weile her das ich von Trischen berichtet habe. Wie schön, dass Sie nach wie vor dabei sind und dem Blog treu bleiben! Ich war selber eine Weile auf dem Festland und bin nun glücklich wieder einige Tage auf der Insel zu verbringen.

Seit meinem letzten Inselaufenthalt hat sich einiges verändert. Die Küken der Möwen und Seeschwalben sind inzwischen groß geworden, manche können sogar schon richtig gut fliegen. Die Salzwiesen und Dünen sind mir allerdings als erstes ins Auge gefallen, denn sie erstrahlen jetzt in bunten Farben. Vor allem der Halligflieder durchzieht weite Teile der Salzwiese in zartem Violett. Und überall dazwischen strecken die Salzwiesenpflanzen ihre Blüten in den Himmel. Diese Blütenpracht zieht viele Insekten an. Überall fliegen plötzlich Falter und Heuschrecken auf, wenn ich von der Hütte durch die Wiese zum Dünenübergang laufe. Etliche Fliegen, Ameisen und Schwebfliegen umkreisen die Hütte. Verschiedenste Käfer huschen davon, sobald ich versuche mich ihnen zu nähern.

Es ist auf Trischen richtig sommerlich geworden

Auch die Geräuschkulisse hat sich stark verändert. Vor kurzem haben noch die Rotschenkel den Ton angegeben. Jetzt dominieren abends, wenn die Vögel und auch der Wind etwas zur Ruhe gekommen sind die Heuschrecken. Die Luft ist erfüllt von ihrem zirpen und surren.

Also habe ich mich mal ein bisschen auf die Suche gemacht und habe auf Anhieb drei verschiedene Heuschrecken gefunden. Der Weißrandige Grashüpfer, Roesels Beißschrecke und die Kurzflüglige Schwertschrecke.

 

 

Diese drei Arten habe ich sogleich an die FÖAG gemeldet. Die arbeiten nämlich an einem neuen Atlas für Heuschrecken in Schleswig-Holstein. Also, liebe LeserInnen aus Schleswig-Holstein, wenn auch Sie sich auf die Suche nach Heuschrecken in Ihrer Nähe machen möchten, dann schauen Sie doch einfach mal hier.

Und Allen LeserInnen sende ich viele Grüße von Trischen und wünsche Ihnen schöne Heuschreckenkonzerte an ruhigen Sommerabenden!