Novelle Umweltstrafrecht kurz vor Abschluss
EU-Institutionen schärfen nach, aber lassen letzten Biss vermissen
Ein Blogbeitrag von Luca Gussner
Beim Trilog-Treffen am 2. Oktober haben die EU-Institutionen noch keine Einigung über die Richtlinie zum Umweltstrafrecht finden können. Das nächste und hoffentlich finale Treffen ist nun für Mitte November vorgesehen. So wie es ausschaut werden dabei zum einen zwar ein paar der bestehenden Schwächen adressiert. Leider wurden aber nicht alle Vorschläge der Umweltverbände aufgegriffen. Vor allem die Ratsposition wird das finale Ergebnis wohl teils noch hinter den Vorschlag der EU-Kommission zurückfallen lassen.
Warum wird Umweltkriminalität überhaupt reguliert
Umweltkriminalität umfasst vielfältige Tatbestände, wie Tierquälerei, Inverkehrbringen von nicht zugelassenen potenziell umweltschädlichen Produkten, sowie den Schmuggel von Wildtieren, Umweltprodukten oder Müll. Gerade für den Schmuggel spielt die EU als großer Handelsumschlagsplatz eine herausragende Rolle. Dieser ist auch wesentlich für das Anwachsen des Anteils der Umweltkriminalität an der allgemeinen Kriminalität verantwortlich. Es wird angenommen, dass Umweltkriminalität weltweit jährlich um 5 -7% zunimmt und die vierthäufigste Art von Kriminalität darstellt, sowie ein Drittel der von Organisationen verübten Straftaten ausmacht. Der Wert der jährlichen Beute wird auf 100 – 200 Milliarde US-Dollar geschätzt. Grund für diesen Anteil und Anstieg ist unter anderem die Aussicht hoher Erträge bei geringem Risiko, nicht zuletzt wegen dessen unzureichender Verfolgung.
Wie bringt sich der NABU ein
Zusammen mit anderen Dach- und großen Umweltverbänden hatte der NABU über seinen europäischen Partner BirdLife Europe daher die Initiative der EU-Kommission grundsätzlich begrüßt, die alte „Richtlinie zur Bekämpfung von Umweltschäden durch Strafrecht“ grundsätzlich zu überarbeiten und eben nicht nur zu erneuern. Durch vielzählige Vorschläge haben sich die Verbände in die Öffentlichkeitskonsultationen eingebracht. Während einige dieser von der Kommission in ihrem Gesetzesentwurf berücksichtigt wurden, verblieb durchaus noch Raum zur Verbesserung. So ließ der Kommissionsvorschlag zuletzt noch immer vermissen:
- eine auslegungs- und damit zukunftsfähige Allgemeindefinition anstelle der vorgesehenen Verweisungstatbestände (Auflistung als Katalog),
- effektiv abschreckende Strafandrohungen besonders für juristische Personen (also ausreichend hohe Geldstrafen für Unternehmen, gleich denen im Wettbewerbsrecht),
- Vorschriften für eine grenzüberschreitende Kooperation der Ermittlungsbehörden und noch klarere Vorgaben für dezidierte Ermittlungsbehörden.
Positiv zu nennen sind aber die Vereinheitlichung von Strafmaßen, die Vorschrift zur Schaffung von Durchsetzungsstrategien und -kapazitäten, die Harmonisierung von Datenerfassung und -weiterleitung und der Schutz von Whistleblowern.
Wo steht das EU-Gesetzgebungsverfahren
Seit Mai 2023 befindet sich nun der Gesetzesentwurf im sogenannten Trilog, einer Art vereinfachten und weitgehend nicht-öffentlichen Verhandlung als letzte Stufe des Gesetzgebungsverfahrens. In diesem sitzen alle drei beteiligten Organe, die EU-Kommission, das Parlament und der Rat der EU (Ministerrat) an einem Tisch. Das Bündnis der Naturschutzverbände, bestehend unter anderen aus BirdLife Europe, dem Europäischen Umweltbüro EEB und dem WWF, hat auch diesen Prozess kritisch begleitet und jeweils spezifische Forderungen eingebracht (hier z.B. mit einem offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann).
Wenn im Trilog Mitte November nun ein Ergebnis gefunden wird, muss dieses noch final vom Parlament und Rat abgesegnet werden. Dann ist es im nächsten Schritt an den Mitgliedstaaten, also auch Deutschland, die verbesserte Umweltkriminalitätsrichtlinie wirksam in nationales Recht umzusetzen. Dazu müssten die einschlägigen Gesetze (auch für Jurist*Innen) verständlicher gestaltet und organisatorische Maßnahmen in den Ermittlungsbehörden, wie Schaffung spezialisierter Abteilungen, umgesetzt werden.
Umsetzung in Deutschland
Denn bisher sind in Deutschland im Kontrast zu den hohen Fallzahlen die Ermittlungsbehörden kaum für Umweltkriminalität sensibilisiert. Tatbestände sind verteilt über verschiedene Gesetze, z.B. das allgemeine Strafgesetzbuch und das Bundesnaturschutzgesetz, sowie weitere Einzelgesetze, und bestehen überwiegend aus verwirrenden Verweisungen. Spezialisierte Stellen innerhalb der Staatsanwaltschaften sind bislang nur in NRW vorgesehen, wo sie sogar schon mal existierten, dann aber aufgelöst wurden.
Es ist also zu erwarten, dass die neue Umweltkriminalitäts-Richtlinie einen wichtigen, aber bei weitem nicht den letzten Schritt in Richtung des Schutzes der Umwelt vor schweren Straftaten bringen wird. Anschließend und teils weitergehend werden die Mitgliedsstaaten gefragt sein diesem zu effektiver Wirkung zu verhelfen.
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3 Kommentare
lona Müller
25.10.2023, 23:15Leider wieder nur ein Schrittchen (wenn überhaupt) für ein wahres Umweltstrafrecht. Solange es in Deutschland möglich ist, dass eine nichtbenannte Gruppe von nicht gewählten Personen (u.a. Vertreter von Betroffenen...), vor der Gesetzesgebung aktiv Einfluss auf die Gesetzestexte nehmen kann, gibt es keinen echten Fortschritt mit allen Konsequenzen. Wie überall u. in allen Bereichen : Demokratie - ... wo noch ?....Der Abbau ist überall sichtbar. Auch unser Parlament ist in der Zusammensetzung schon lange keine Volksvertretung mehr. Über 70% Juristen(oft mit Konzernanbindung) , andere Akademiker u. aus sehr wenigen sonstiger Berufe setzt es sich zusammen. Die Wenigen der größten Konzerne mit ihren Kapital u. hochbezahlten Lobbyisten bestimmen die Weltpolitik u. die Gesetze . So ist es auch möglich dass wenige Profiteure die Lebensgrundlagen der Menschheit von sauberem Trink-Wasser , reiner Luft u. Artenvielfalt weiter vergiften u. vermüllen können bis alles zerstört ist. Alles Warnen der Wissenschaftler verklingt in den Ohren von Gier u. Macht! mit frdl. Gruß L. Müller
AntwortenJim
29.12.2023, 08:38Ich lese zum ersten Mal von Umweltkriminalität. Ist dieser Bereich auch im Strafrecht verankert? Ich würde mich darüber gerne mal mit einem Rechtsanwalt für Strafrecht unterhalten.
AntwortenRaphael Weyland
08.01.2024, 13:14Teils mit abgedeckt von den Straftatbeständen der §§ 324ff. im StGB, teils in den §§ 69ff. im BNatSchG. Und ja, unterhalten Sie sich gerne mit Strafrechtler*innen, viel Erfolg!
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