Nächster EU-Haushalt: Endlich in resiliente Ökosysteme investieren!

Nächster EU-Haushalt: Endlich in resiliente Ökosysteme investieren!

Obwohl Europa von einer weiteren rekordträchtigen Hitzewelle getroffen wurde – mit Temperaturen in Teilen von Europa von über 47 °C, Waldbränden und Hitzetoten, die in die Tausende gehen – ist die Öffentlichkeit genau wie die Politik erschreckend still. Die Klima- aber vor allem Naturschutzdebatte schafft es kaum noch in die öffentliche und noch viel weniger in die politische Debatte – eine fatale Entwicklung. Besonders mit Blick auf die nahende Veröffentlichung des Entwurfs zum zukünftigen siebenjährigen EU-Haushalt am 16. Juli 2025. Dessen Ausgestaltung zur Finanzierung von EU-Naturschutzgesetzgebung, insbesondere der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, bleibt offenbar unzureichend. Das ist bitter, denn wir, die Bürger*innen der EU, werden so wohl kaum in der Lage sein, den bisherigen Lebensstandard zu halten, im Gegenteil.   

Unterstützung durch die Wissenschaft

Bisher sieht es leider alles andere als gut aus für die Naturschutzfinanzierung. Umso erfreulicher ist es, dass ein offener Brief von Wissenschaftler*innen (mit bisher 1750 Unterschriften beim Verfassen des Beitrages) es in die öffentliche Debatte geschafft hat und darauf wartet, weiter geteilt und unterzeichnet zu werden (Appell an alle Lesenden). Auch das BirdLife-Netzwerk versucht seine europäischen Partner und weitere Stakeholder aus dem Naturschutzbereich zu animieren, öffentlich laut zu werden und das Thema endlich wieder in die Liste der politischen Prioritäten zu bekommen. Denn, wenn der EU-Haushalt die Natur im Stich lässt, lässt er letztlich uns alle im Stich.

Warum Investitionen in die Natur uns allen nützen

Überschwemmungen, Dürren, Ernteausfälle, verschmutzte Flüsse und steigende Lebensmittelpreise sind die Auswirkungen der Klimakrise und der geschädigten Ökosysteme. Sie sind da und beeinträchtigen das Leben und den Lebensunterhalt von uns Menschen. Ob als Landwirt in Frankreich, der zusehen muss, wie seine Ernte verdorrt, ob als eine Familie in Deutschland, die mit steigenden Lebensmittelpreisen zu kämpfen hat, oder als ein Einwohner Belgiens, dessen Dorf von einer weiteren „Jahrhundertflut“ heimgesucht wird. 

Was viele noch nicht erkannt haben, ist, dass eine gesunde Natur grundlegend für unsere Resilienz ist. Wälder, Feuchtgebiete, Wiesen und Bestäuber sind eine lebenswichtige Infrastruktur. Sie kühlen unsere Städte, schützen unsere Äcker vor Wind und Hitze, reinigen unser Wasser, bestäuben unser Obst und Gemüse oder schützen unsere Häuser vor Überschwemmungen. Doch in ganz Europa wird dieses natürliche Sicherheitsnetz zerstört. 

Während die EU ihren nächsten langfristigen Haushalt vorbereitet – den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Zeit nach 2027 – stehen wir an einem Scheideweg. Wird Europa weiterhin die Ökosysteme, von denen wir alle abhängig sind, ignorieren?

Die politischen Entscheidungsträger sind bisher erschreckend still

Trotz langjähriger Verpflichtungen – von der FFH-Richtlinie, den Eckpfeilern der europäischen Umweltgesetzgebung, bis hin zur kürzlich verabschiedeten Verordnung zur Wiederherstellung der Natur – hinkt die Umsetzung vor allem aufgrund fehlender finanzieller Mittel stark hinterher. Die Finanzierungslücke ist offensichtlich: Schätzungsweise 37 Milliarden Euro werden jährlich zusätzlich benötigt, um die biologische Vielfalt in Europa wiederherzustellen und zu schützen. Im Vergleich zu anderen Säulen des EU-Haushalts ist dies eine bescheidene Summe, insbesondere angesichts des direkten, spürbaren Mehrwerts für wirklich alle Europäer. 

Dennoch wird die Natur in den aktuellen Haushaltsverhandlungen an den Rand gedrängt. Das LIFE-Programm – eines der wirksamsten Instrumente der EU zur Förderung der biologischen Vielfalt – steht vor einer ungewissen Zukunft. LIFE macht nur 0,3 Prozent des EU-Haushalts aus, liefert jedoch einen Mehrwert, der mehr als das Zehnfache seiner Programmkosten beträgt. LIFE hat Tausende von wirkungsvollen Projekten finanziert, bei denen lokale Behörden, Landwirte, Unternehmen und Gemeinden zusammengebracht wurden, um Ökosysteme wiederherzustellen und unsere Resilienz zu stärken. 

Mein Appell: Wir können es uns nicht leisten, diesen Fehler zu wiederholen.

Der Verlust der Biodiversität ist auch ein wirtschaftliches, soziales und sicherheitspolitisches Problem. Ohne intakte Ökosysteme werden die Lebensmittelsysteme, die Wasserversorgung und die öffentliche Gesundheit in Europa weiterhin leiden. Sowohl ländliche als auch städtische Gemeinden werden mit zunehmender Instabilität konfrontiert sein. Je länger wir zögern, desto höher werden die Kosten sein. 

Zivilgesellschaftliche Organisationen in ganz Europa wie auch der NABU fordern seit langem eine gezielte Aufstockung der Mittel für die Natur im EU-Haushalt – und eine starke, stabile Zukunft für das LIFE-Programm.  

Dennoch wird die Finanzierung des Naturschutzes und deren Wiederherstellung in der Haushaltsdebatte weiterhin als optionales Extra behandelt, als etwas, das finanziert werden kann, wenn noch Geld übrig ist. Diese Logik ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch gefährlich. 

Daher meine Bitte: werdet laut und mischt Euch ein. Wenn Ihr Journalist*in seid, berichtet über das Thema. Wenn Ihr Kontakte in die Politik habt, nutzt diese. Und als Bürger*innen und Bürger: sprecht Eure (Europa-)Abgeordneten an und zeigt ihnen, dass das Thema wichtig ist. Uns läuft die Zeit davon: Wenn der nächste EU-Haushalt keine grundlegende Aufstockung der Mittel für die Natur bereitstellt, gibt die EU nicht nur Teile ihrer Ökosysteme auf, sondern für viele Menschen auch eine lebenswerte Zukunft. 

Lukas Traup

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